Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


Blutwasser im Ratzeburger See.

N. N.

Es war in unserem Lande ein alter Aberglaube, daß seinen Bewohnern Krieg und Unheil bevorstünde, wenn sich ein See rot färbte. Diese Erscheinung wird hie und da durch eine Algenart (Pamella) oder aber durch das massenhafte Vorkommen der sogenannten Geißeltierchen hervorgerufen und hat unsre Bevölkerung früher oft genug in Angst und Schrecken gesetzt. Ein interessanter Bericht über einen derartigen Fall wird von W. Karbe-Neustrelitz in der Mainummer der Mitteilungen des Heimatbundes für das Fürstentum Ratzeburg veröffentlicht. Er befindet sich im Hauptarchiv in Neustrelitz und ist im Januar 1705 von einem Sekretär Rieck geschrieben und vermutlich an den Lübecker Gelehrten Dr. Hannenken eingesandt worden, da dessen Antwort in Abschrift beigefügt ist. Die beiden Schreiben lauten:

Nachricht wie es mit dem alhie rund um Ratzeburg belegenen,
und anitzo rotgefärbten See beschaffen.

Nachdem man seit verwichenen Weihnachten her etliche rote Striche unten am Eise beim Ufer herum gemerkt, hat man vermeint, daß jemand etwas Blut ausgegossen, so dahin geflossen wäre, und es nicht sonderlich geachtet. Als aber nachgehends der See weiter und ganz zugefroren, daß man darauf gehen können, hat man haufenweise unten am Eise viel rote Flecken, teils wie Haselnüsse, teils fingerlang schön anzuschauen, und an etlichen Oertern faustdick als geronnen Blut und mit Eiter gemengt liegen sehen, sogar, daß wie medio Jan. die Fischer den See gefischt, und alhier um den Domhof gefischt worden, vermerket, daß durch die eingehauenen Löcher viel rote Materie herausgekommen, ja man hat versichert, daß die Eis- und See-Borsten mit roter Farbe in der Länge hin gefärbt gewesen, und es also, wo es Luft bekommen, jedesmal hingeflossen sei. Wie man nun per Curiosität ein solch mit Farbe belaufenes Eis aushauen, in eine irdene Schüssel legen lassen und in der Stube etliche Stunden aufgehoben, ist das Eis. so anfangs klar und weiß gewesen, etwas bräunlich meliert, und das geschmolzene Wasser etwas trübe geworden, daß es schien, als wenn darunter etwas Lohe, so die Lohgerber gebrauchen, wäre und etwas fesig gewesen, als wenn es aus den ellernen Wrieten wäre entstanden, insonderheit und da 2 Feselein vom Grase mit darunter waren. Die rote Couleur, so anfangs durch das Eis als Rosencouleur schien, ist nunmehr allmählich, das es schon über 14 Tage gewähret, etwas dunkler geworden, wenn man es auf eine weiße Wand streicht, gibt es eine braunrote Farbe; und weil es nur allein aus diesem Ratzeburger, ja weit hinter dem Schwalkenberg hin, und keinen anderen Landseen, oder nahe bei liegenden Teichen, zu finden, wollen etliche judizieren, daß es aus den innersten Quellen des Sees müßte entstanden sein. Die Fischer aber, so es am andern Weihnachtstage auf dem Wasser, ehe der See zugeleget war, als ein fetter Schaum fließen gesehen, vermeinen, daß es aus der damaligen dick nebeligen Luft müsse gefallen sein, denn sie ihr Lebelang solches nicht auf dem Wasser gesehen hätten. Und weil, etlicher Leute Bericht nach, vor etwa 50 Jahren in Holstein, da der Krieg mit Dänemark entstanden, allda auch das Wasser etwas blutig soll gewesen sein, wird hieraus nichts gutes ominiert, oder eine daraus entstehende Krankheit besorget,so Gott in Gnaden verhüte.

Ad ipsos im Januario (1705), Sekr. Rieck.


Copia responsi Doctoris Hannenken zu Lübeck.

Anno 1656 im Martio ließ sich hier auf dem Stadtgraben zwischen den Toren eine Röte blicken, die dem Blute sehr ähnlich war, worüber die Leute in große Furcht und Schrecken gerieten, zumal da eben selbiges Jahr der König in Schweden hochseel. Andenkens Carolus Gustavus mit der Armee aus Polen kam und grades Weges ungehindert nach Holstein, Jütland, Fühnen und Seeland bis in Schonen und Blekinge drang. Da wurden nun zwar die Deutungen des roten Wassers auf den schwedischen Krieg gezogen, man ward aber hernach inne, daß das Wasser im Graben durch die verfaulten Bäume und Gesträuche gefärbt ward; ließ man es abrauchen, so blieb nichts als eine verdorbene Erde zurück und mehr wird man hier auch nicht finden beim fleißigen Nachsehen. Ein mehreres hiervon achte unnötig, denn ubi adsunt causae physicae, cessant miracula.

1926/3 - 75


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