Zur Frage
der Farbe im Stadtbild hat jetzt auch die preußische
Akademie der Künste auf Wunsch des Oberbürgermeister Böß,
Berlin, in einem Gutachten Stellung genommen, nachdem auch
in Berlin die Farbe im Straßenbild eine Rolle zu spielen
beginnt. Das Gutachten, das wir nachstehend in seinen
Auszügen wiedergeben, beschäftigt sich außerdem mit der
farbigen Behandlung von Innenräumen in städtischen Gebäuden,
namentlich Schulen. Die Ausführungen sind folgende:
"Die Farbe", so führt das Gutachten aus, das Max Liebermann
als Präsident gezeichnet hat, "ist zu allen Zeiten ein
wesentliches Moment für die Architektur gewesen, und die
farbige Behandlung der Gebäude im Inneren wie am Aeußeren
ist nicht minder wichtig als die der reinen Bauform, und muß
dementsprechend ernst genommen werden. Heute ertönt mehr
denn je der "Ruf nach Farbe", zumeist mit der Begründung,
man solle loskommen von dem "grauen Einerlei" der
öffentlichen Gebäude, z. B. der Schulen. Der Wunsch nach
Farbe hat natürlich seine Berechtigung und sollte für
Neubauten beachtet und sorgfältig erwogen werden, wobei die
Hauptsache ist, daß die Farbe in geschmackvoller Weise und
von künstlerisch fein empfindenden Menschen angewendet wird.
Besonders schwierig ist die Anwendung von Farbe am Aeußeren
der Gebäude, wobei das Wichtigste ist, daß die Gebäude sich
in die Umgebung und das Gesamtbild der Straße harmonisch und
ruhig einfügen. Bei der an sich schon großen Unruhe in
unserem modernen Straßenbild durch die vielen Ausbauten,
Balkone, Giebel, Türme, Erker usw. ist dies eine doppelt
gefährliche Aufgabe!
Diese Schwierigkeiten steigern sich aber noch wesentlich,
wenn der Versuch gemacht werden soll,. fertige Gebäude
nachträglich farbig zu behandeln. Denn: die Farbe ist nicht,
wie laienhafte Meinung oft annehmen möchte, ein mehr oder
minder zufällig oder nach Laune hinzugezogener Bestandteil
eines Bauwerkes, sondern ein wesentlicher, von vornherein in
seinem Zusammenwirken mit der Gesamtform und den
Einzelformen berechneter.
Für die Anwendung der Farbe in und an Gebäuden läßt sich
natürlich keine Regel aufstellen, wenn auch z. B. für
Schulräume, bei denen gutes Licht eine Hauptbedingung ist,
stets helle Farben (am besten Weiß, das leicht durch Farben
gebrochen ist) am geeignetsten sein werden. Farbe kann in
die Unterrichtsräume durch gute Bilder, mit denen man die
Wände schmückt gebracht werden. Aula,
Gesangszimmer und ähnliche Räume, die nicht dauernd dem
Unterricht dienen, können dagegen entsprechend der
architektonischen Teilung und Gliederung farbenfreudiger
gestimmt werden.
Bei allen Aufgaben farbiger Behandlung von Architektur darf
allein künstlerisches Empfinden nach eingehender Prüfung des
einzelnen Falles entscheiden, Deshalb ist es wichtig, daß
stets beste Künstler als sachverständige Berater zugezogen
werden."