Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928


[Miszelle]

Bücher- und Zeitschriftenschau


 

Auch ein Marienleben. Von Meta Scheele. Osnabrück: Bruno Hankel. In diesem schmalen schön gedruckten Bande gibt uns eine junge lauenburgische Dichterin, die Tochter unseres Schulrats, die erste Gabe ihrer Kunst. Wir begrüßen sie als eine Verheißung - "AUCH ein Marienleben" - dieser Titel ist etwas feuilletonistisch gefärbt, aber er ist bezeichnend. Die Maria in Meta Scheeles Zyklus ist eine andere, als wie sie bisher in der Dichtung und Kunst lebte. Sie neigt sich nicht göttlich liebend herab zu allen, die bedrückt von Leid und Sorge zu ihr kommen. Sie weist vielmehr spröde die Anbetung der Menschen von sich. Sie will nicht als die Erwählte des Himmels verehrt sein, sie will als Mensch unter Menschen leben. Eine Strophe des schönen Eingangsgedichtes lautet:
 
Ich möchte durch die vielen Gänge eilen,
Von den beschwerten Schultern diesen Mantel werfen,
Daß mir die Menschenluft um Brust und Schultern weht.
Die Worte eures Mundes möcht ich hören
Und eure Hände ungefaltet sehen.

Das Menschliche, vielleicht Allzumenschliche in Jesu Mutter drängt sich hervor. Die "süße Hoffnung" nach der Verkündigung und die "heilige Freude" vor der Geburt des Heilands weicht früh der Bangigkeit vor dem, was ihr und was dem Sohne droht. Schon bei der Anbetung der Weisen "krampft sich ihr Herz in wilder Angst". Auf der Flucht nach Ägypten hebt sie das Kindlein oft in ihrer einsamen Not bittend zum gestirnten Himmel auf. Und als sie den


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zwölfjährigen Jesus im Tempel hört, "stirbt ihre Freude bei seinen Worten", da sie empfindet. wie wenig Recht sie als Mutter an diesem auserwählten Sohne hat. Jesus aber fühlt, wie sie mit ihrem Mutterrecht ihn binden möchte. "O Mutter" - spricht er - "du Versuchung meines Lebens, versuchtest mich, wie keiner mich versuchte". Maria aber wiederum spürt "den kühlen Hauch, der um ihn war". Sie leidet, und doch kann und darf sie ihn nicht zurückhalten, seine Sendung zu erfüllen. Jesus aber findet kein Wort, das diesem Mutterschmerz genügen könnte. Und so scheiden sie fast ohne letzten Gruß. Die hohe Aufgabe hat der Mutter den Sohn geraubt. Und Jesus selbst erkennt:

"Ewig gestorben scheine ich
Lebendster ihr und dem Leben,
Und Freude ist ihr mein Leben nicht."

Selbst als Maria den Leichnam des Gekreuzigten in ihrem Schoße hält, findet ihr Schmerz noch keine Lösung. Erst als ihr die Botschaft von der Auferstehung wird, "bricht es in ihr Gestorbensein", und sie hebt die Arme voll Jubel zum Himmel auf". - Diese Tragödie der Maria hat ihren Höhepunkt nicht in der Szene am Kreuz, nicht in der Pieta, sondern in dem Augenblick, da die Mutter in Qual erkennt, daß sie den Sohn an seine hohe Sendung verlieren muß. Das Erdhafte, mütterlich Gebundene in ihr ist so stark, daß sie sich nicht in Gottes Ratschluß finden kann. Die Harmonie, die uns in der wundervollen Gestalt der Maria sonst entzückt und die Tausende von Künstlern und Dichtern an ihr gepriesen, erscheint hier gebrochen. Eben das Menschliche, vielleicht Allzumenschliche drängt sich stark hervor. Das aber macht wohl gerade die Eigenart dieser Dichtung aus, die so klar und bewußt in ihrer schönen und etwas kühlen Sprache dahinschreitet; in einer Sprache, die gehobene Prosa ist, in einem Rhythmus, der sich in seiner stark jambischen Färbung fast überall gleich bleibt. Die Gedichte sind nicht alle gleichwertig; besonders gegen den Schluß scheint die Verfasserin etwas gehastet zu haben. Im Ganzen aber ist es ein bemerkenswerter Wurf, und wir begrüßen ihn als eine Verheißung.


G.

 

 

 

 

 

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