Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


[Miszelle]

Bücher- und Zeitschriftenschau

 

Heinrich Dieckelmann: Stromland. Gedichten. Hamburg: Verlag der Buch-Verkaufsgenossenschaft Hammerbrook. 1930. Wie wir von dem Verfasser des kleinen Bandes erfuhren, liegt die Sichtung dieser Gedichte bereits Jahre zurück. Inzwischen entstand eine Reihe von Volkstanzbüchern, deren stattliche Auflage zeigt, daß man es in Dieckelmann mit einem tüchtigen Kenner niederdeutscher Eigenart zu tun hat. Aber das Drama "Dodeneiland", das vor längerer Zeit von der Niederdeutschen Bühne in Hamburg erstaufgeführt wurde, offenbarte nun auch Heinrich Dieckelmanns starke dichterische Gestaltungskraft, und man ist fast erstaunt, in den vorliegenden Versen das Düster-Leidenschaftliche und Visionäre ganz zurücktreten zu sehen hinter der sinnigen Melodik einer formvollen Stimmungspoesie. - Die Dieckelmannsche Lyrik ist besonders interessant, weil sie im Zeichen jener von dem unlängst verstorbenen Robert Garbe begründeten Dichterschule steht, die im Bestreben, dem Niederdeutschen nicht mehr allein als Standes-, sondern vor allem als Stammessprache gerecht zu werden, die Regeln der modernen Kunstdichtung darauf anwenden will. - Gottlob ist Heinrich Dieckelmanns plattdeutsches Sprachgefühl stark und echt genug, um ihn vor peinlichen Maniriertheiten der Verstechnik und Wortgebung zu bewahren. Vielmehr zeigen sich die mehrfach verwandten freien Rhythmen so recht geeignet, die herbe Tonkraft des Niederdeutschen ergreifend ausschwingen zu lassen. Und neben der wechselvollen, bewegten Rhythmik fällt in Dieckelmanns Lyrik das Streben nach Klangmalerei auf, mit welcher er häufig durch den Gebrauch alter oder neuer, poetisch gehobener und dem Alltagsplatt fremder Wortbildungen überraschende Tonwirkungen erzielt. Der neue eigenartige Klang, die neue eigenartige Rhythmik - wegbereitend vielleicht dem EINEN großen niederdeutschen Dichter der Zukunft, den uns bisher das Schicksal noch vorenthielt - geben dem Gedichtbuch "Stromland" seinen Selbständigkeits- und Fortschrittswert. Da es sich um die Verse eines "Junkgasts" handelt, fehlt ihrer Fülle letzte Harmonie: Volkslied-, Tanzliedmäßiges steht neben Gedankenlyrik, Spruch- und balladeske Scherzlyrik neben dem feierlich Odischen. Die Garbesche Orthographie erschwert die Lektüre leider nicht unbeträchtlich, wenn sie auch - der Polemik Wissers zum Trotz - dem neuen Kunststil dieser niederdeutschen Dichtung angemessen erscheinen mag. - Die hochdeutschen Verse, die zumeist
recht schwach sind, wären der Sammlung besser ferngeblieben.

DR. WALTER GERHARD.

1930/2 - 79
 


 

 

 

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