Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930



Der hamburgisch-lauenburgische Schweinekrieg 1671.

Von DR. PHIL. ALFRED DREYER-Hamburg.
 

Gegen die mit Raubrittern gemeinsame Sache machenden Herzoge von Sachsen-Lauenburg gingen die Hansestädte Hamburg und Lübeck im Jahre 1420 kriegerisch vor. Die notorische Geldklemme zwang den Fürsten vielleicht wider Willen in die Gesellschaft der Schnapphähne, aber andererseits galt es ja keineswegs als unehrenhaft, den seine Straße ziehenden Kaufmann, den Bärenhäuter und Pfeffersack, zu überfallen und zu schröpfen. So wurden die von Hamburg und Lübeck ausstrahlenden Handelsstraßen immer unsicherer. Allen Geleitsbriefen, die die Fürsten für schweres Geld erteilten, zum Trotz überfiel man die Warenzüge bei hellichtem Tage, nahm die Waren weg, führte die Kaufherren

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und ihre Leute in finstere Burgverließe, um möglichst hohes Lösegeld von ihnen zu erpressen.

Als alle Abmahnungen fruchtlos blieben, griffen die Bürger an Elbe und Trave zur Selbsthilfe. Reisige Mannen nahmen mit stürmender Hand die festen herzoglichen Schlösser zu Bergedorf und Riepenburg, und im Perleberger Frieden mußte der Lauenburger den Städtern zähneknirschend das Bergedorfer Gebiet, ferner die Vierlande nebst Geesthacht, sowie endlich den halben Herzogen- oder Sachsenwald abtreten. Im Sachsenwalde bildete die Grenze die bei Aumühle in die Bille mündende Aue; das Gebiet nördlich der Aue und östlich der Bille gehörte also seit 1420 den verbündeten beiden Hansestädten, es war "beiderstädtisch". Mit einem Vorbehalt jedoch! Die fürstliche Jagd nämlich behielt sich der Lauendurger nicht nur für seine Lebenszeit, sondern auch für seine Nachfahren bis in die fernsten Zeiten ausdrücklich vor, und zwar im GANZEN Sachsenwalde, also auch im beiderstädtischen Teile.

Übrigens ist ihr Anteil am Sachsenwalde den Städten beharrlich vom früheren Besitzer streitig gemacht worden. Die Lauenburger behaupteten, daß ihnen mit dem Jagdrecht auch die Territorialhoheit verblieben sei, und was ähnlicher Spitzfindigkeiten mehr waren. Dadurch entstand viel Zank und Streit, und manches Ries Papier wurde wegen des halben Sachsenwaldes vollgeschrieben; und wenn auch seinetwegen glücklicherweise keine Ströme Blutes geflossen sind, so doch Ströme von Tinte. Beinahe allerdings hätte es auch Blutvergießen deswegen gegeben; aber das wollen wir gleich erzählen!

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, 1561 und 1648 entschied das Reichskammergericht, bei dem der Fall mehr als anderthalb Jahrhunderte hing, zu Hamburgs und Lübecks Gunsten. Bekanntlich vergebens, denn der fragliche halbe Sachsenwald gehört noch heute zu Lauenburg, wenn auch die Hansestädte bezw. das (nach dem 1868 erfolgten Verzicht Lübecks auf seinen Anteil) die Vierlande und Bergedorf allein besitzende Hamburg bis heute nicht rechtsgültig verzichtet hat. Aber das ist eine arg verwickelte Sache, und wir wollen lieber vom Schweinekrieg erzählen!

In Hamburg, der Stadt der Ochsenbraten, der Aalsuppe und des Rotspons, hat man von jeher auch das Schweinefleisch gebührend geschätzt. Die Bürger hielten sich bis ins 18. Jahrhundert hinein vielfach selber zahlreiche Borstentiere, die in den neben dem Wohnhause befindlichen Swinkowen untergebracht waren, meistens aber die Straßen der Stadt ungeniert bevölkerten und verunreinigten. Zum Herbste aber verließen Tausende von hamburgischen "Bürgerschweinen", so hießen sie gewissermaßen amtlich, unter der sanften Obhut zahlreicher Schweinehirten und -jungen, die Stadt zu einem längeren Erholungsaufenthalt, ehe es ihnen in der winterlichen Eisbein- und Pökelzeit ans Leben ging. Ihr Ziel war der beiderstädtische nördliche Sachsenwald, da gab es eine gar leckere Eichel- und Bucheckernmast, die zu benutzen jedem ehrsamen Hamburger und Lübecker Bürger freistand. Galt doch gerade das Fleisch von "Bucheckernschweinen" als besonders zart und süß, "nußartig zu schmecken".

Die weidenden städtischen Schweineherden waren aber dem Lauenburger Herzog und seinen Mannen ein erhebliches Hindernis bei ihrer Jagd. Die Borstentiere vergrämten das Wild, hielten das herzogliche Jagdgeschwader auf und zwangen es zu erheblichen Umwegen, und was ähnlicher ärgerlicher Sachen mehr sein mochten. Wiederholten Males ersuchten die Herzöge, bald höflich, bald grob, die Hamburger um Entfernung der Schweine zur Zeit der herbstlichen Hofjagden, oder doch darum, sie wenigstens an bestimmten Stellen zusammenzutreiben. Die Hansestädter haben das jedoch stets, auf ihr Besitz- und Weiderecht pochend, abgelehnt.

Da ist im Jahre 1671 dem Lauenburger Herzog die hochfürstliche Geduld gerissen. Fürstliche Gäste sollten sich mit ihm im Sachsenwalde am edlen Weidwerk ergötzen, aber nördlich der Aue machten die hamburgischen Bürgerschweine einen Strich durch diese Lustbarkeit; unverrichteter Dinge kehrten der Herzog und seine Gäste ins südliche Revier Zurück, wütend über den ihnen angetanen "blutigen Affront". Nun hatten vor einigen Wochen erst die Hamburger angesichts der friedfertigen Zeitläufte fünfhundert Mann ihrer teuren Stadtmiliz, die Hälfte beinahe ihrer bewaffneten Macht, abgedankt. Das wußte man zu Lauenburg sehr wohl und glaubte deshalb, leichtes Spiel zu haben.
Kurzerhand ließ der Herzog alle Bürgerschweine, deren er im beiderstädtischen

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Sachsenwald habhaft werden konnte, zusammen- und in Richtung Lauenburg wegtreiben, insgesamt mehrere tausend Stück! - Nun waren die Jagdgründe frei, und lustig ertönte das lauenburgische Hifthorn!

Kaum aber drang die Kunde von diesem herzoglichen Gewaltstreich nach Hamburg als Zorn und Trauer sich der gesamten Bürgerschaft bemächtigten. Saftige Braten und herrliche Schinken sah man ent- und in herzoglich lauenburgische Mägen verschwinden! Das konnte man nie und nimmer ungesühnt lassen. Der Senat wurde um nachdrückliche Vergeltung angegangen, vor allem die Knochenhauer, die um ihre Beschäftigung und den klingenden Schlachtlohn kamen, remonstrierten gar heftig. Der Senat hielt es für unter seiner Würde, mit dem räuberischen Herzog noch lange zu verhandeln; flugs entsandte er fast ein halbes Tausend mit Spießen und Büchsen wohlbewaffnete Reiter und Kriegsknechte. Sie zogen stracks vor Lauenburg, dem Herzog blutige Fehde und erbarmungslose Erstürmung seiner Residenz androhend, wenn die geraubten Borstentiere nicht "flugs restituieret" würden.

Der Herzog war arg betreten, solchen Ungestüm hatte er den Hamburgern nicht zugetraut. Aber über Truppen verfügte er gerade nicht, hatte auch weder Geld noch Zeit, solche anzuwerben. So mußte er denn wohl oder übel zu Kreuze kriechen. Er lieferte die noch lebenden Schweine wieder aus, leistete Ersatz für die bereits verendeten und meist verspeisten Tiere. Vor allem aber gelobte er feierlich, wenn auch innerlich tobend, die Hamburger Schweine "hinfüro unturbieret und unangetastet" zu lassen. Es nützte ihm nichts, daß er sich über die schweinslüsternen Hamburger lustig machte, ihre korpulenten Ratsherren boshaft-witzig als porkulent Gezeichnete, er hatte den Schaden und brauchte für den Spott nicht zu sorgen. Die Hamburger hatten in diesem Schweinekrieg keinerlei Verluste an Menschenleben zu beklagen, kein Blut war geflossen; nur ein Reiter geriet mit seinem Pferde in die auf dem Heimwege nach Hamburg begriffenen Schweineherden, er stürzte dabei, "und ward sein Beinwerk arg beschädigt".

Das war der hamburgisch-lauenburgische Schweinekrieg anno 1671!

 


 


 

 

 

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