Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Zur mittelalterlichen Münzkunde Lauenburgs.

Von B. DORFMANN, Altona.
 

Die Lauenburgische Münzgeschichte ist zusammenhängend bearbeitet von Max Schmidt in: Die Münzen und Medaillen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg (Ratzeburg 1884). Zu diesem, im ganzen noch maßgebenden Werk treten Arbeiten Prof. Dr. Max von Bahrfeldts über Sondergebiete: Otterndorf im Lande Hadeln, eine Münzstätte der Herzöge von Sachsen-Lauenburg (Stade 1913) und Die Münzen des Bistums Ratzeburg (2 Sonderabdrucke), während Einzelbeiträge sich in der numismatischen Literatur verstreut finden. Hinsichtlich des Mittelalters kommt Schmidt, entsprechend dem damaligen Stande der Forschung, zu im allgemeinen negativen Ergebnissen; insbesondere kennt er keine unzweifelhaft im Lande selbst geprägten Münzen. Seither sind nun zwei derartige Gepräge bekannt geworden, die mit einiger Sicherheit der Münzstätte Ratzeburg zugeteilt werden können. Diese ältesten Münzdenkmäler der engeren Heimat einem weiteren Leserkreise vorzuführen, unter gleichzeitiger allgemeiner Darlegung der mittelalterlichen Münzverhältnisse Lauenburgs, ist der Zweck dieser Zeilen.

Die ersten Jahrhunderte des Mittelalters, die Zeit der Völkerwanderungen, scheiden für eine Münztätigkeit Nordelbingens aus. Die geschichtlichen Ereignisse liegen im Dunkel und die einzigen Denkmäler jener Zeit, die Grabstätten, mögen gelegentlich als Beigabe römische Gepräge enthalten, die jahrhundertelang noch als Schmuckstücke, nicht als Geld im heutigen Sinne, dienten. Merowingermünzen des westlichen Europa sind nördlich der Elbe nicht gefunden. Auch für das 9. bis 11. Jahrhundert ist es bisher nicht gelungen, Münzstätten im Lande nachzuweisen; dies wird auch künftig kaum gelingen. Der Geldbedarf der überwiegend in Naturalwirtschaft lebenden slavischen Bevölkerung war gering und wurde gedeckt durch die von Händlern eingeführten deutschen und ausländischen Münzsorten. Von ersteren sind es hauptsächlich die Erzeugnisse der benachbarten Münzstätte Bardowiek, einer in jener Zeit bedeutenden Handelsstadt, ferner die in Goslar geprägten Otto-Adelheidpfennige sowie die von Halle und Magdeburg ausgehenden Sachsen- oder Randpfennige. Daneben kommen in den Funden vor englische und dänische Pfennige, besonders der Könige Aethelred und Knut, sowie arabische Dirrhems, die gleichzeitig über die damaligen Handelswege wichtige Aufschlüsse geben. Manche Funde enthalten schließlich die "Nachmünzen", rohe Nachahmungen deutscher und fremder Vorbilder, die vielleicht von den slavischen Landesfürsten ausgegangen sind, deren bestimmte Zuteilung aber bei dem Mangel
einer richtigen Aufschrift oder eines selbständigen Münzbildes nicht möglich ist. Das Geld jener Zeit, ausschließlich aus unvermischtem Silber hergestellt, wurde jedoch in den ostelbischen Gebieten nicht nach einer bestimmten Währung gezählt, sondern gewogen. Wenn der Gewichtsausgleich es erforderte, wurden die etwa 1 Gramm wiegenden deutschen Pfennige und die schwereren Dirrhems zerbrochen oder durchgeschnitten. Dieses Hacksilber, z. T. wieder in kleine Silberklumpen zusammengeschmolzen oder zu Silberdraht verarbeitet, bildet einen starken Bestandteil aller ostelbischen Funde und belegt am besten, daß das Silber eben nur als Ware gewertet und gehandelt wurde.

Von der Mitte des 12. Jahrhunderts ab dringt nun infolge der Kolonisierung des Slavengebietes durch Herzog Heinrich den Löwen und seine Lehnsgrafen, u. a. durch den Ratzeburger Grafen Heinrich von Botwide, westdeutsche Kultur stärker in das Land ein, eine Entwicklung[,] die im Zusammenhänge mit der Gründung des Bistums Ratzeburg im Jahre 1154 als gleichzeitigem Marktort und der Ansiedlung westfälischer Bauern wohl einen erhöhten Geldbedarf und eine eigene Münztätigkeit im Lande erwarten ließe. Aber Urkunden wie Funde ergeben über diese nichts; und neben dem benachbarten Lübeck, in dem Heinrich der Löwe bald nach 1158 eine herzogliche Münzschmiede eröffnete, muß eine solche in Ratzeburg, die auch der kaiserlichen Genehmigung bedurft hätte, wohl als nicht erforderlich erachtet sein. Es entsprach aber auch dem Charakter und der inneren Politik des Welfen, die Zahl der Münzstätten zur Festigung seiner straffen Verwaltung zu beschränken und insbesondere die Ausübung des Münzrechtes durch seine geistlichen und weltlichen Lehnsträger im Interesse der Verbreitung seiner herzoglichen Landesmünze zu verhindern, selbst an Orten, wo - wie in Bremen

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das Erzbistum - jene es von Rechts wegen seit langem besaßen. Die harte Faust des Herzogs lastete auch in dieser Hinsicht fast gleichmäßig auf den Gegnern wie den Anhängern, deren Erbitterung und Abfall schließlich zu seinem Sturze im Jahre 1180 beitrug. Nach diesem Zeitpunkt aber regen sich die unterdrückten Kräfte, nicht gehindert durch den neuen Landesherzog Bernhard den Askanier, der selbst im Niederelbegebiet nur in Bardowiek zwischen 1181 und 1189 (dem Jahre der Zerstörung durch Heinrich den Löwen) eine kurze Ausmünzung vornimmt, während Lübeck Reichsmünzstätte wird mit einem Aufsichtsrechte des Rates (1188). Auch aus den geschichtlichen Ereignissen wissen wir, daß eine starke Lockerung des Lehnsverhältnisses zwischen dem Herzog und seinen Grafen eintritt, und wie nun Graf Adolf III. von Schauenburg in Hamburg Brakteaten (einseitige Hohlgepräge) schlagen läßt, so fällt auch in die beiden letzten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts der älteste Ratzeburger Brakteat, der uns nur in einem, leider nicht gut erhaltenen Stück aus dem 1905 in Seega (Thür.) gehobenen großen Brakteatenfunde (etwa 2700 Stück) erhalten ist. *)

 




Im Perl- und Linienreifen zwei (hechtartige) Fische, Umschrift:
+ RACE (BORG) III (ISTUUC?) DENA RIUSE.
Von Zirkelschlägen begleiteter Perlreif, außen Rosetten, anscheinend acht.
30 mm. Beschädigt: 0,61 gr.
Jetzt im Anton-Ulrich Museum in Braunschweig. - Beschreibung nach
Prof DR. Buchenau: Der Brakteatenfund von Seega, Nr. 647.
 

Die Inschrift lautet richtig ergänzt: RACEBORGENSIS ISTUUC DENARIUS EST, besagt also: "Dies ist ein Pfennig von Ratzeburg". Ähnliche Beispiele dieser heute eigenartigen Ausdrucksweise finden wir auch auf anderen Brakteaten, wie: ZALTWEDEL EST DENARIUS (= dies ist ein Pfennig von Salzwedel), oder: HEINRICUS DE
BRUNESWICH SUM EGO (= ich bin - ein Pfennig - Heinrichs von Braunschweig), oder: BERNARDUS DENARIUS COTNE (= Pfennig Bernhards aus Köthen), oder: MIHI DEDI ET EMIETT (= um mich verkauft und kauft man) auf einem Brakteaten von Salzwedel; klassisches Latein darf man freilich nicht erwarten. Für die Darstellung der Fische läßt sich einstweilen keine andere Erklärung finden als die Anspielung auf den Fischreichtum des Ratzeburger Sees. Für die Beziehung auf ein Wappen fehlen jegliche Unterlagen, insbesondere sind Siegel der Grafen von Ratzeburg nicht erhalten. Auch dem Staatsarchiv in Lübeck war es nicht möglich, das Münzbild mit urkundlichen oder heraldischen Quellen der Nachbargebiete in Zusammenhang zu bringen.

Die zeitliche Festlegung wird bestimmt durch den Stil, der mit seinem sorgfältigen Stempelschnitt des Bild es und der Schrift sowie dem Durchmesser in die Zeit vor 1200 deutet. Dies deckt sich mit der Vergrabungszeit des Seegaer Fundes (um 1220) und der schlechten Erhaltung des Stückes, die auf eine längere, für die zerbrechlichen Brakteaten regelmäßig mit Beschädigung verbundene Umlaufszeit schließen läßt. Als Münzherren kommen hiernach in Frage der urkundlich bis um 1188 herrschende und 1194 verstorbene Graf Bernhard der Ältere oder dessen gleichnamiger Sohn, mit dem 1197 der Besitz der Botwides endete.

Wahrscheinlich in das erste Viertel des 13. Jahrhunderts gehört der zweite Brakteat.

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*) Für die Beschaffung von Gipsabgüssen der beiden Brakteaten bin ich den Herren DR. Jesse-Braunschweig und DR. Maybaum-Hamburg, für die Erteilung von Auskünften den Herren Staatsrat DR. Kretzschmar-Lübeck und DR. J. Cahn-Frankfurt a. M. zu Dank verbunden.


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Zwei Fische im dreifachen Wulstrand.
25 mm. 0,7 gr.
Jetzt im Museum für hamburgische Geschichte in Hamburg
(aus Versteigerung 57 der Fa. Adolf E. Cahn, Frankfurt a. M., Nr. 245).
Beschreibung nach DR. W. Jesse: Der Wendische Münzverein, Nr. 115.
 

Der Fundort des Stückes ist nicht bekannt. Es lag früher in der Königl. Münzsammlung in Hannover (jetzt Gmunden), wohin es vermutlich aus einem alten vor 1866 in Hannover gemachten Funde gelangt ist. Die Zuteilung knüpft sich zwar ausschließlich an die Typähnlichkeit mit dem ersten Stück, ist aber in der Fachliteratur unbestritten, da der niederelbische Charakter des Stempelschnitts und der Durchmesser andere Münzstätten, deren Erzeugnisse ebenfalls Fischdarstellungen tragen (Wernigerode, Abtei Rheinau), ausschließen.

Die Zuweisung an einen bestimmten Münzherrn kann leider nur mit noch geringerer Sicherheit als bei dem ersten Stück erfolgen. Verweser der Grafschaft Ratzeburg war nach dem Ableben Bernhards des Jüngeren bis zum Tode dessen unmündigen Sohnes (1200) bezw. der Eroberung Nordelbingens durch die Dänen (1201) der Graf Adolf von Dassel. Für diesen sind versuchsweise einige Stierkopfbrakteaten mecklenburgischen Typs mit einem Hirschgeweih zwischen den Hörnern (Wappen der Grafen von Dassel) in Anspruch genommen; ob mit Recht, kann dahingestellt bleiben, da diese Gepräge dem Stile und Fundvorkommen nach frühestens in die Zeit nach 1210 fallen, das Hirschgeweih auch als Zeichen der Münzstätte Parchim in Frage kommt und überhaupt eine Münztätigkeit Adolfs als nicht belehntem Verweser in den wenigen Jahren von 1197 bis 1201 zweifelhaft erscheinen muß. Im Jahre 1203 belehnt König Waldemar von Dänemark den Grafen Albrecht von Orlamünde mit dem gesamten eroberten
Lande, auch der Grafschaft Ratzeburg; seine Herrschaft endet 1225 mit der Vertreibung der Dänen. In diese Periode fallen reiche Ausprägungen der Münzstätten Lübeck und Hamburg mit Münzbildern, die durchweg eine Fortsetzung der bisherigen Typen darstellen, also nicht neue, von den Dänen vorgeschriebene Darstellungen bringen. Zwanglos läßt sich dann der zweite Brakteat, der einen etwa 25 Jahre jüngeren Stil als der erste aufweist, in die Zeit Albrechts legen.

Hiermit ist leider unser gegenwärtiges Münzmaterial erschöpft. Die Zuteilung einiger zweiseitiger Pfennige des 13. Jahrhunderts, die gelegentlich für das seit 1227 wieder den Askaniern gehörige, nunmehrige Herzogtum Sachsen-Lauenburg beansprucht sind, steht auf so unsicheren Füßen, daß ihre Aufführung hier zweckmäßig unterbleibt. Schon Schmidt weist darauf hin, daß die zahlreichen benachbarten Münzstätten, besonders Lübeck, den Geldbedarf des Landes so deckten, daß eine herzogliche Ausmünzung, die ja auch - meist nicht vorhandene - Kapitalien erforderte, aus diesen beiden Gründen unterbleiben mochte. Vollends für das 14. und 15. Jahrhundert ist es sicher, daß derartige Ausprägungen, über die auch gelegentlich urkundliche Nachrichten zum Vorschein gekommen wären, nicht stattgefunden haben, da das Geld der Städte des Wendischen Münzvereins das Land völlig beherrschte, wie kürzlich der Sarnekower Fund bestätigt hat.

Erst im Anfang des 16. Jahrhunderts findet unter Herzog Johann eine kurzfristige, bescheidene Ausprägung von Kreuzwitten nach dänischem Vorbild für das zu Lauenburg gehörende Land Hadeln statt, der sich um 1521 ein vereinzelter Schlag von Groten nach bremischem Fuß unter Herzog Magnus anschließt, bezeugt durch ein einziges Stück im Staatl. Münzkabinett in Berlin. In Ratzeburg ist für 1512 urkundlich eine Prägung von kleineren Sorten geplant gewesen; sie scheint nicht zur Durchführung gelangt zu sein, da bisher einschlägige Münzen
 

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nicht bekannt geworden sind. Erst 1609 setzt in der damaligen Residenz Lauenburg a. Elbe unter Herzog Franz II. eine regelmäßige Prägung ein, deren Reihen
von Schmidt beschrieben und abgebildet sind.

Für das Mittelalter liegt die heimatliche Münzkunde mithin noch sehr im Dunkel. Aufklärung ist hauptsächlich von Münzfunden zu erhoffen, weniger von urkundlichen Nachrichten, da die in Betracht kommenden Archive durchweg ausgewertet und für lauenburgische Münzverhältnisse im ganzen wenig ergiebig sind. Jeder Heimatfreund, der von Funden, die leider häufig unter den ungünstigsten Verhältnissen das Tageslicht wieder erblicken, hören sollte, sorge dafür, daß sie in möglichst unversehrtem Zustande zunächst den zur Pflege der heimatlichen Altertümer berufenen amtlichen Stellen anvertraut werden. Er erweist damit nicht nur der Heimatkunde einen wertvollen Dienst und handelt im Sinne bestimmter gesetzlicher Vorschriften, sondern nimmt auch das Interesse des meist sachunkundigen Eigentümers wahr, dem unbeschadet seines Eigentumsrechtes hierdurch eine bessere Verwertung des Fundes möglich wird, als wenn dieser auf mehr oder minder geradem Wege veräußert wird.



 

 

 

 

 

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