Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931


Familienforschung.

Von SIEGFRIED SCHELLBACH.
 

Es klingt so gut, was unsre Eltern taten,
Doch edler noch, was sie geduldet und gelitten.

Daß wissenschaftliche Ergebnisse geraume Zeit brauchen, um von der Allgemeinheit erfaßt, ja auch nur beachtet zu werden, ist eine oft zu beobachtende Tatsache. Verhältnismäßig schnell aber hat die junge Wissenschaft der Genealogie Beachtung und lebendige Anerkennung gefunden und heute schon gehört es zur allgemeinen Bildung, eine - wenn auch meist nur dürftige Kenntnis von Familienkunde und Vererbungslehre zu haben. Außer den Adelsgeschlechtern haben sich von jeher auch einzelne Bürger die Herkunft und Entwicklung ihrer Sippe ausgezeichnet, aber erst zu Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Beginn der rassekundlichen Geschichtsbetrachtung, brach sich die Erkenntnis von der Wichtigkeit der Familienforschung für den Einzelnen und seine Nachkommen Bahn. In immer weitere Kreise dringt das Bestreben, die Kenntnisse vom Leben der Vorfahren zu vertiefen und über die Aufzeichnung von Geburt und Tod hinaus ein anschauliches Bild von den einzelnen Gliedern der Familie und Sippe erstehen zu lassen.

Es soll hier nicht der Nachweis erbracht werden, welche hohe Bedeutung für die Erziehung der Kinder und nicht zuletzt der eignen Person und für die Wahl der Mutter der künftigen Geschlechter eine möglichst genaue Kenntnis von Art und Leben der Vorfahren hat, es sollen vielmehr die Wege aufgezeigt werden, die uns solche Kenntnisse finden und festhalten lassen. Die letzten Jahre haben grundlegende Arbeiten über die Aufstellung von Stammtafeln, Stamm- und Ahnenlisten gebracht und den mechanischen Teil der Forscherarbeit ganz erheblich erleichtert.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird heute noch jede genealogische Aufstellung von Geschlechterfolgen Stammbaum genannt, strenggenommen kann man als STAMMBAUM nur die Darstellung bezeichnen, bei der der Name des Stammvaters am Fuße eines Baumes steht und die Namen seiner Nachkommen auf Schildchen oder Spruchbändern an den Asten und Zweigen des Baumes angebracht sind. Solche Stammbäume wirken - wenn sic nicht gar zu willkürliche Fortlassungen enthalten - so wirr und unnatürlich, daß sie in keiner Weise befriedigen können. Soll so ein Baum auch nur einigermaßen ästhetischen Ansprüchen genügen, so ist es unbedingt nötig, unter den
aufzunehmenden Familienmitgliedern eine stark beschränkende Auswahl zu treffen, und selbst dann wird man die Zweige mit den Namen einer Geschlechterfolge nicht in die gleiche Ebene legen, um ein allzu unnatürliches Wachstumsbild zu vermeiden.

Klarer und übersichtlicher läßt sich die STAMMTAFEL gestalten. Bei ihr steht der Ahnherr am oberen Rande in der Mitte des Blattes, seine Kinder mit ihren Ehefrauen als II. Geschlechterfolge (Generation) auf der nächsten Zeile, auf der dritten Zeile folgen als


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III. Geschlechterfolge die Enkel, durch liegende Klammern mit Nasen mit ihren in der zweiten Zeile stehenden Eltern in Zusammenhang gebracht, u. s. f. Es empfiehlt sich, vor jede Zeile in römischen Ziffern die Geschlechterfolge zu sehen und die einzelnen Personen dieser Zeile mit 1 beginnend durchzunummerieren. Auf diese Weise kann
jede Person durch die römische und arabische Ziffer unmißverständlich gekennzeichnet werden. E s deutet also "IV. 7. Karl" die 7. Person in der IV. Geschlechterfolge. Will man ausdrücken, wessen Sohn dieser Karl ist, so fügt man in Klammern die Zahlbezeichnung seines Vaters hinzu, z. B. "IV. 7. Karl (III. 2.)". Angeheiratete Männer und Frauen erhalten keine Bezifferung, nachträglich aufgefundenc Stammgenossen einen Zusatz von a, b usw. zur Zahl der voraufgehenden Person. Stark beeinträchtigt wird die Übersichtlichkeit bei kinderreichen Familien, wo schon in der IX. Geschlechterfolge die Reihe eine Länge von 2 Metern beanspruchen kann. Deshalb ist man ganz allgemein zur Aufstellung von STAMMLISTEN übergegangen, denen man eine Stammtafel-Übersicht, die nur die Keimzahlen der einzelnen Familienmitglieder enthält, beigibt. Das empfehlenswerteste Schema für die Aufstellung von Stammlisten gibt m. E. Meyer-Erlach in seinem "Familienstammbuch und Chronik" (Selbstverlag, Würzburg 1925). In einem Buche teilt man von den gegenüberstehenden Seiten die linke in 3, die rechte Seite in 2 Spalten durch senkrechte Linien. Diese 5 Spalten erhalten die Übcrschriften: Eltern. Kinder, Enkel, Urenkel, Ururenkel und in römischen Ziffern die Geschlechterfolgen I-V. Da alle Seiten des Buches die gleiche Einteilung und mit
Ausnahme der Zahlen die gleichen Überschriften tragen, können Nachkommen, deren Namen auf den ersten Seiten keinen Platz mehr fanden, ohne weiteres auf den folgenden Seiten untergebracht werden. Diejenigen Ururenkel, in Spalte V, deren Nachkommen bekannt sind, erhalten einen Hinweis auf die Buchseite, auf der in die erste Spalte ihr Name unter der Überschrift: "Eltern V." (nämlich V. Geschlechterfolge) einzutragen ist. Die Ururenkcl dieser Ururenkel gehören dann der IX. Geschlechterfolge an. So hat man auf zweimal zwei Buchsciten neun Geschlechterfolgen übersichtlich vor Augen, die alle Nachkommen, die denselben Familiennamen führen, enthalten. Soll auch die Nachkommenschaft der weiblichen Familienmitglieder in dieser Stammlistc Aufnahme finden, so müßte sic in derselben Art zur Nachfahrenliste erweitert werden. Klarer und deutlicher jedoch bleibt die Liste, wenn für die angeheiratete Sippe besondere Stammlisten angelegt werden, so daß jede Familie ihre Stammliste hat, auf die verwiesen werden muß.

Zur Nachfahrenliste, welche die männlichen und weiblichen Nachkommen eines Ehepaares - ohne Rücksicht auf die Familiennamen - umfaßt, und zur Stammliste, welche die Nachkommen, die den gleichen Familiennamen haben, aufzcichnet, kommt als dritte Liste: die Vorfahren- oder AHNENLISTE, die alle die Ehepaare enthält, von denen
der Ahnenträger (Probant) in gerader Blutsverwandtschaft abstammt. Diese Liste ist die aufschlußreichste, weist sie doch die Erbmasse aller Ahnen im Probanten nach. Da jeder zwei Eltern, vier Großeltern,
 

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acht Urgroßeltern und in jeder weiteren Geschlechterfolge die sich verdoppelnde Zahl von Ahnen hat, ist der 'Aufbau dieser Liste streng regelmäßig und kann in vorhandene Formulare eingetragen werden. Die Bezifferung der Personen geschieht so. daß der Probant die Zahl 1 erhält (seine Geschwister 1a. 1b usw.), sein Vater die Zahl 2, sein Großvater 4, sein Großvater mütterlicherseits 6, alle männlichen Ahnen also gerade, die weiblichen ungerade Zahlen. Durch Verdopplung der Zahl eines Ahnen erhält man dann also die Zahl von dessen Vater, während seine Mutter die der Zahl ihres Ehemanns folgende ungerade Zahl erhält. Hat der Probant in der zweiten Geschlechterfolge 2 Ahnen, nämlich seine Eltern, so hat er in der VII. schon 32, in der IX. bereits 1024! Und wer seine Ahnen durch zwanzig Geschlechterfolgen nachweisen kann, würde in seiner Ahnenliste die Namen von 524 288 Personen anführen können, deren aller Blut in seinen Adern zusammengeflossen ist. Eine Verminderung dieser Zahl, ein Ahnenverlust, erfolgt, wenn in der III. oder einer späteren Geschlechterfolge an verschiedenen Stellen Geschwister auftreten, deren Eltern in der vorangehenden Geschlechterfolge dann ja zwei- oder mehrmals erscheinen, aber natürlich nicht mehrmals gezählt werden dürfen.

Für die Darstellung familiengeschichtlicher Tatsachen hat man eine Reihe Zeichen mit internationaler Gültigkeit aufgestellt und Formeln vereinbart, welche die Niederschriften allgemein verständlich machen. Die Zeichen sind: * - geboren, ~~ getauft, †* - totgeboren, OO - verheiratet, O|O - geschieden, gestorben, - begraben, - eingeäschert, gefallen, an Wunden gestorben.

Für die Aufzeichnungen gilt folgendes Schema: Otto ERICH 1) Müller, Landwirt in Mustin,' * 2) Ratzeburg 3) 12. X. 4) 1801........ 5), (1848/49) 6), II. 7) (Lübeck) 8)  . . . . . 9) Henriette 10) Lehmann 11) ........ (1807) 12), 1852 13).

In genealogischen Aufstellungen ohne Namen bedeutet männliches, O weibliches und unbekanntes Geschlecht.

Für die Familienforschung trifft es nicht zu, daß aller Anfang schwer ist, denn eine Ahnentafel bis zu den Großeltern wird fast jeder aufstellen können, bei den Urgroßeltern freilich fehlt bedauerlicherweise meist schon die Kenntnis der Daten, oft sogar schon die der Vornamen. Ausgehend von seiner Person, stelle der Familienforscher die genauen Daten und Namen seiner Eltern und der Eltern seiner Frau auf und versuche die Daten und Namen seiner vier Großeltern und der vier Großeltern seiner Frau zu ermitteln. Am besten macht er seine Aufzeichnungen für jede einzelne Person auf einen besonderen Zettel, der folgendes enthält: 1. Familiennamen und sämtliche Vornamen mit Kennzeichnung des Rufnamens. 2. Religionsbekenntnis. 3. Laufbahn, Stand und Beruf. 4. Hauptlebensdaten, wie Ort und Zeit der Geburt, der Taufe, des Todes (mit Angabe

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1) Vornamen nicht durch Komma trennen, Rufnamen kennzeichnen. 2) ohne "in" oder "zu". 3) ohne "am". 4) für Monate römische Ziffern. 5) Ort unbekannt. 6) zwischen 1848 und 1849 . 7) in zweiter Ehe. 8) wahrscheinlich in Lübeck. 9) Zeit unbekannt. 10) ohne "mit". 11) nicht Henriette Müller geb. Lehmann. 12) Geburtsjahr errechnet. 13) war 1852 schon tot.


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der Todesart) und der Verheiratung. Alles sonst noch Wissenswerte findet auf der Rückseite des Karteizettels Platz. Auf die Geschwister und Kinder wird verwiesen. Bei den Zetteln der Kinder ist die Angabe nicht zu vergessen, der wievielten Ehe ihrer Eltern sie entstammen. Auch die jung gestorbenen, die totgeborenen und die Fehlgeburten
sollten verzeichnet werden, natürlich auch die unehelichen Kinder. Adoptivkinder sind ausdrücklich als solche zu kennzeichnen. Die ersten Aufzeichnungen wird man nach mündlichen und schriftlichen Nachrichten vornehmen, sich dann aber bemühen - namentlich für die Hauptdaten - urkundliche Zeugnisse zu erhalten. Solche Abschriften und Auszüge aus Urkunden erhält man für die Zeit bis 1874 ans den Personenstandsregistern der Standesämter, vor dieser Zeit aus den Kirchenbüchern der betreffenden Heimatsorte [sic!]. Hat man sich erst eine kleine Sammlung von familiengeschichtlichen Angaben auf Karteizetteln angelegt und die Ahnen- und Stammtafel aus den nächsten Angehörigen zusammengestellt, so beginnt die eigentliche Forscherarbeit, die viel Geduld und viel Ausdauer erfordert, aber auch viel Freude bereitet. Wer sich dieser Forscherarbeit unterziehen will, der lasse sich einen Prospekt des rührigen familiengeschichtlichen Verlags von Degener & Co. in Leipzig kommen, der in Spohrs "Praktikum für Familienforscher" eine Reihe von sehr sachlich gehaltenen, preiswerten Heften, ein unentbehrliches Hilfsmittel für Anfänger, ja selbst für erfahrene Bearbeiter dieses Gebietes, bietet. Auch die reichhaltige Sammlung von Formularen dieses Verlages zeichnet sich durch gute Anordnung aus.

Familiengeschichtliche Auszeichnungen, die deutlich den Auf- und Abstieg einer Familie vor Augen führen, spornen an, es den Tüchtigen in ihr gleichzutun und stärken das Vertrauen in die Zukunft unseres Volkes. Die Geheimnisse unseres eignen Lebens werden uns klarer, denn im ererbten Blute ruhen Tugenden und Laster. Wieviel
Schwächen und Fehler könnten bekämpft, wieviel Fähigkeiten und Talente entwickelt werden, wenn unsere Selbsterkenntnis durch das Wissen vom Tun und Lassen unserer Vorfahren gefördert würde. Fließt doch ihr Blut in unfern Adern, sind wir doch nur ein Glied in der Kette, die uns mit der Vergangenheit und der Zukunft verknüpft. Wer noch eines Anstoßes bedarf Familienforschung zu treiben, der lese die Ahnenbücher des feinsinnigen Dichters Ludwig Finckh, des begeisterten und begeisternden Künders vom hohen Wert der Familienforschung.
 

Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt,
Der froh von ihren Taten, ihrer Größe
Den Hörer unterhält und, still sich freuend,
Ans Ende dieser schönen Reihe sich
Geschlossen sieht!



 


 

 

 

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