Es klingt so gut, was unsre
Eltern taten,
Doch edler noch, was sie geduldet und gelitten. |
Daß
wissenschaftliche Ergebnisse geraume Zeit brauchen, um von der
Allgemeinheit erfaßt, ja auch nur beachtet zu werden, ist eine
oft zu beobachtende Tatsache. Verhältnismäßig schnell aber hat
die junge Wissenschaft der Genealogie Beachtung und lebendige
Anerkennung gefunden und heute schon gehört es zur allgemeinen
Bildung, eine - wenn auch meist nur dürftige Kenntnis von
Familienkunde und Vererbungslehre zu haben. Außer den
Adelsgeschlechtern haben sich von jeher auch einzelne Bürger die
Herkunft und Entwicklung ihrer Sippe ausgezeichnet, aber erst zu
Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Beginn der
rassekundlichen Geschichtsbetrachtung, brach sich die Erkenntnis
von der Wichtigkeit der Familienforschung für den Einzelnen und
seine Nachkommen Bahn. In immer weitere Kreise dringt das
Bestreben, die Kenntnisse vom Leben der Vorfahren zu vertiefen
und über die Aufzeichnung von Geburt und Tod hinaus ein
anschauliches Bild von den einzelnen Gliedern der Familie und
Sippe erstehen zu lassen.
Es soll hier nicht der Nachweis erbracht werden, welche
hohe Bedeutung für die Erziehung der Kinder und nicht zuletzt
der eignen Person und für die Wahl der Mutter der künftigen
Geschlechter eine möglichst genaue Kenntnis von Art und Leben
der Vorfahren hat, es sollen vielmehr die Wege aufgezeigt
werden, die uns solche Kenntnisse finden und festhalten lassen.
Die letzten Jahre haben grundlegende Arbeiten über die
Aufstellung von Stammtafeln, Stamm- und Ahnenlisten gebracht und
den mechanischen Teil der Forscherarbeit ganz erheblich
erleichtert.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird heute noch jede genealogische
Aufstellung von Geschlechterfolgen Stammbaum genannt,
strenggenommen kann man als STAMMBAUM nur die Darstellung
bezeichnen, bei der der Name des Stammvaters am Fuße eines
Baumes steht und die Namen seiner Nachkommen auf Schildchen oder
Spruchbändern an den Asten und Zweigen des Baumes angebracht
sind. Solche Stammbäume wirken - wenn sic nicht gar zu
willkürliche Fortlassungen enthalten - so wirr und unnatürlich,
daß sie in keiner Weise befriedigen können. Soll so ein Baum
auch nur einigermaßen ästhetischen Ansprüchen genügen, so ist es
unbedingt nötig, unter den
aufzunehmenden Familienmitgliedern eine stark beschränkende
Auswahl zu treffen, und selbst dann wird man die Zweige mit den
Namen einer Geschlechterfolge nicht in die gleiche Ebene legen,
um ein allzu unnatürliches Wachstumsbild zu vermeiden.
Klarer und übersichtlicher läßt sich die STAMMTAFEL gestalten.
Bei ihr steht der Ahnherr am oberen Rande in der Mitte des
Blattes, seine Kinder mit ihren Ehefrauen als II.
Geschlechterfolge (Generation) auf der nächsten Zeile, auf der
dritten Zeile folgen als
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III. Geschlechterfolge die Enkel, durch
liegende Klammern mit Nasen mit ihren in der zweiten Zeile stehenden Eltern in
Zusammenhang gebracht, u. s. f. Es empfiehlt sich, vor jede Zeile in römischen
Ziffern die Geschlechterfolge zu sehen und die einzelnen Personen dieser Zeile
mit 1 beginnend durchzunummerieren. Auf diese Weise kann
jede Person durch die römische und arabische Ziffer unmißverständlich
gekennzeichnet werden. E s deutet also "IV. 7. Karl"
die 7. Person in der IV. Geschlechterfolge. Will man
ausdrücken, wessen Sohn dieser Karl ist, so fügt man in Klammern die
Zahlbezeichnung seines Vaters hinzu, z. B. "IV. 7.
Karl (III. 2.)". Angeheiratete Männer und Frauen
erhalten keine Bezifferung, nachträglich aufgefundenc Stammgenossen einen Zusatz
von a, b usw. zur Zahl der voraufgehenden Person.
Stark beeinträchtigt wird die Übersichtlichkeit bei kinderreichen Familien, wo
schon in der IX. Geschlechterfolge die Reihe eine Länge von
2 Metern beanspruchen kann. Deshalb ist man ganz allgemein zur
Aufstellung von STAMMLISTEN übergegangen, denen man eine Stammtafel-Übersicht,
die nur die Keimzahlen der einzelnen Familienmitglieder enthält, beigibt. Das
empfehlenswerteste Schema für die Aufstellung von Stammlisten gibt m. E.
Meyer-Erlach in seinem "Familienstammbuch und Chronik" (Selbstverlag, Würzburg
1925). In einem Buche teilt man von den gegenüberstehenden Seiten
die linke in 3, die rechte Seite in 2 Spalten durch
senkrechte Linien. Diese 5 Spalten erhalten die Übcrschriften:
Eltern. Kinder, Enkel, Urenkel, Ururenkel und in römischen Ziffern die
Geschlechterfolgen I-V. Da alle Seiten des Buches die gleiche
Einteilung und mit
Ausnahme der Zahlen die gleichen Überschriften tragen, können Nachkommen, deren
Namen auf den ersten Seiten keinen Platz mehr fanden, ohne weiteres auf den
folgenden Seiten untergebracht werden. Diejenigen Ururenkel, in Spalte V, deren
Nachkommen bekannt sind, erhalten einen Hinweis auf die Buchseite, auf der in
die erste Spalte ihr Name unter der Überschrift: "Eltern V."
(nämlich V. Geschlechterfolge) einzutragen ist. Die Ururenkcl
dieser Ururenkel gehören dann der IX. Geschlechterfolge an. So hat
man auf zweimal zwei Buchsciten neun Geschlechterfolgen übersichtlich vor Augen,
die alle Nachkommen, die denselben Familiennamen führen, enthalten. Soll auch
die Nachkommenschaft der weiblichen Familienmitglieder in dieser Stammlistc
Aufnahme finden, so müßte sic in derselben Art zur Nachfahrenliste erweitert
werden. Klarer und deutlicher jedoch bleibt die Liste, wenn für die
angeheiratete Sippe besondere Stammlisten angelegt werden, so daß jede Familie
ihre Stammliste hat, auf die verwiesen werden muß.
Zur Nachfahrenliste, welche die männlichen und weiblichen Nachkommen eines
Ehepaares - ohne Rücksicht auf die Familiennamen - umfaßt, und zur Stammliste,
welche die Nachkommen, die den gleichen Familiennamen haben, aufzcichnet, kommt
als dritte Liste: die Vorfahren- oder AHNENLISTE, die alle die Ehepaare enthält,
von denen
der Ahnenträger (Probant) in gerader Blutsverwandtschaft abstammt. Diese Liste
ist die aufschlußreichste, weist sie doch die Erbmasse aller Ahnen im Probanten
nach. Da jeder zwei Eltern, vier Großeltern,
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acht Urgroßeltern und in jeder weiteren Geschlechterfolge die
sich verdoppelnde Zahl von Ahnen hat, ist der 'Aufbau dieser Liste streng
regelmäßig und kann in vorhandene Formulare eingetragen werden. Die Bezifferung
der Personen geschieht so. daß der Probant die Zahl 1 erhält
(seine Geschwister 1a. 1b usw.), sein Vater die Zahl
2, sein Großvater 4, sein Großvater mütterlicherseits 6,
alle männlichen Ahnen also gerade, die weiblichen ungerade Zahlen. Durch
Verdopplung der Zahl eines Ahnen erhält man dann also die Zahl von dessen Vater,
während seine Mutter die der Zahl ihres Ehemanns folgende ungerade Zahl erhält.
Hat der Probant in der zweiten Geschlechterfolge 2 Ahnen, nämlich
seine Eltern, so hat er in der VII. schon 32, in der
IX. bereits 1024! Und wer seine Ahnen durch zwanzig
Geschlechterfolgen nachweisen kann, würde in seiner Ahnenliste die Namen von
524 288 Personen anführen können, deren aller Blut in
seinen Adern zusammengeflossen ist. Eine Verminderung dieser Zahl, ein
Ahnenverlust, erfolgt, wenn in der III. oder einer späteren
Geschlechterfolge an verschiedenen Stellen Geschwister auftreten, deren Eltern
in der vorangehenden Geschlechterfolge dann ja zwei- oder mehrmals erscheinen,
aber natürlich nicht mehrmals gezählt werden dürfen.
Für die Darstellung familiengeschichtlicher Tatsachen hat man eine Reihe Zeichen
mit internationaler Gültigkeit aufgestellt und Formeln vereinbart, welche die
Niederschriften allgemein verständlich machen. Die Zeichen sind: * -
geboren, ~~ getauft, †* - totgeboren, OO - verheiratet, O|O -
geschieden, † gestorben,
- begraben,
-
eingeäschert,
gefallen, †
an Wunden gestorben.
Für die Aufzeichnungen gilt folgendes Schema: Otto ERICH 1)
Müller, Landwirt in Mustin,' * 2) Ratzeburg 3)
12. X. 4) 1801........ 5),
(1848/49) 6), II. 7)
(Lübeck) 8) . . . . . 9) Henriette 10)
Lehmann 11) ........ (1807) 12),
1852 † 13).
In genealogischen Aufstellungen ohne Namen bedeutet
männliches, O weibliches und
unbekanntes Geschlecht.
Für die Familienforschung trifft es nicht zu, daß aller Anfang schwer ist, denn
eine Ahnentafel bis zu den Großeltern wird fast jeder aufstellen können, bei den
Urgroßeltern freilich fehlt bedauerlicherweise meist schon die Kenntnis der
Daten, oft sogar schon die der Vornamen. Ausgehend von seiner Person, stelle der
Familienforscher die genauen Daten und Namen seiner Eltern und der Eltern seiner
Frau auf und versuche die Daten und Namen seiner vier Großeltern und der vier
Großeltern seiner Frau zu ermitteln. Am besten macht er seine Aufzeichnungen für
jede einzelne Person auf einen besonderen Zettel, der folgendes enthält: 1.
Familiennamen und sämtliche Vornamen mit Kennzeichnung des Rufnamens. 2.
Religionsbekenntnis. 3. Laufbahn, Stand und Beruf. 4.
Hauptlebensdaten, wie Ort und Zeit der Geburt, der Taufe, des Todes (mit Angabe
_______________
1) Vornamen nicht durch Komma trennen, Rufnamen
kennzeichnen. 2) ohne "in" oder "zu". 3) ohne "am".
4) für Monate römische Ziffern. 5) Ort unbekannt.
6) zwischen 1848 und 1849 . 7)
in zweiter Ehe. 8) wahrscheinlich in Lübeck. 9) Zeit
unbekannt. 10) ohne "mit". 11) nicht Henriette
Müller geb. Lehmann. 12) Geburtsjahr errechnet. 13)
war 1852 schon tot.
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der Todesart) und der Verheiratung. Alles sonst noch
Wissenswerte findet auf der Rückseite des Karteizettels Platz. Auf die
Geschwister und Kinder wird verwiesen. Bei den Zetteln der Kinder ist die Angabe
nicht zu vergessen, der wievielten Ehe ihrer Eltern sie entstammen. Auch die
jung gestorbenen, die totgeborenen und die Fehlgeburten
sollten verzeichnet werden, natürlich auch die unehelichen Kinder. Adoptivkinder
sind ausdrücklich als solche zu kennzeichnen. Die ersten Aufzeichnungen wird man
nach mündlichen und schriftlichen Nachrichten vornehmen, sich dann aber bemühen
- namentlich für die Hauptdaten - urkundliche Zeugnisse zu erhalten. Solche
Abschriften und Auszüge aus Urkunden erhält man für die Zeit bis 1874
ans den Personenstandsregistern der Standesämter, vor dieser Zeit aus den
Kirchenbüchern der betreffenden Heimatsorte [sic!].
Hat man sich erst eine kleine Sammlung von familiengeschichtlichen Angaben auf
Karteizetteln angelegt und die Ahnen- und Stammtafel aus den nächsten
Angehörigen zusammengestellt, so beginnt die eigentliche Forscherarbeit, die
viel Geduld und viel Ausdauer erfordert, aber auch viel Freude bereitet. Wer
sich dieser Forscherarbeit unterziehen will, der lasse sich einen Prospekt des
rührigen familiengeschichtlichen Verlags von Degener & Co. in Leipzig kommen,
der in Spohrs "Praktikum für Familienforscher" eine Reihe von sehr sachlich
gehaltenen, preiswerten Heften, ein unentbehrliches Hilfsmittel für Anfänger, ja
selbst für erfahrene Bearbeiter dieses Gebietes, bietet. Auch die reichhaltige
Sammlung von Formularen dieses Verlages zeichnet sich durch gute Anordnung aus.
Familiengeschichtliche Auszeichnungen, die deutlich den Auf- und Abstieg einer
Familie vor Augen führen, spornen an, es den Tüchtigen in ihr gleichzutun und
stärken das Vertrauen in die Zukunft unseres Volkes. Die Geheimnisse unseres
eignen Lebens werden uns klarer, denn im ererbten Blute ruhen Tugenden und
Laster. Wieviel
Schwächen und Fehler könnten bekämpft, wieviel Fähigkeiten und Talente
entwickelt werden, wenn unsere Selbsterkenntnis durch das Wissen vom Tun und
Lassen unserer Vorfahren gefördert würde. Fließt doch ihr Blut in unfern Adern,
sind wir doch nur ein Glied in der Kette, die uns mit der Vergangenheit und der
Zukunft verknüpft. Wer noch eines Anstoßes bedarf Familienforschung zu treiben,
der lese die Ahnenbücher des feinsinnigen Dichters Ludwig Finckh, des
begeisterten und begeisternden Künders vom hohen Wert der Familienforschung.
Wohl dem, der seiner Väter gern
gedenkt,
Der froh von ihren Taten, ihrer Größe
Den Hörer unterhält und, still sich freuend,
Ans Ende dieser schönen Reihe sich
Geschlossen sieht! |
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