Die genaue Nachbildung eines
mittelalterlichen Kunstwerkes von hohem Range befindet sich seit
kurzem in unserm Heimatmuseum. Es ist der 1834 im
Schaalsee gefundene Gelbgußleuchter, der 1866 als
Geschenk für Kaiser Wilhelm I. nach Schloß
Babelsberg und später ins Hohenzollern-Museum kam; heute
befindet sich der 25,5 Zentimeter hohe Leuchter im
Schloß-Museum zu Berlin.
Im "Archiv für die Geschichte des Herzogthums Lauenburg"
I. Bd. Heft 3 wird auf Grund der Angaben
von v. Walcke-Schuldt angenommen, daß der Leuchter beim
Transport des Hausrats in den Schaalsee gefallen sei, als Herzog
Erich V. im Jahre 1412 die Stintenburg verließ, um
nach dem Tode seines Vaters die Regierung zu übernehmen.
Vielleicht habe er zu den 12 Leuchtern gehört, die
im Inventar des Schlosses Neuhaus im Nachlaß Franz' II.
aufgeführt werden. In den "Bau- und Kunstdenkmälern im Kreise
Herzogtum Lauenburg" erwähnt Richard Haupt den Leucht er mit
wenigen Worten unter Bezugnahme auf die Mitteilungen im
"Archiv". Auch Johs. Warncke beschreibt ihn im "Ratssilberschatz
und die Zinngeräte im Rathause zu Mölln", ohne jedoch seine
Annahme, daß er zur Ausstattung des Schlosses gehört habe, das
der Bischof von Ratzeburg von 1237-1400 auf der
Insel Campenwerder hatte, zu begründen. Erst Geheimrat Prof. Dr.
Otto v. Falke, der Sohn des in Ratzeburg geborenen
Kunsthistorikers Jakob v. Falke, gibt 1926 in den
Berichten aus den Preußischen Kunstsammlungen" eine kritische
Würdigung des Leuchters, von dem ihm 13 ähnliche
bekannt sind. Obgleich sie stilistisch bis in 12.
Jahrhundert zurückreichen, sind die meisten wohl erst in der
Zeit der Gotik ausgeführt worden. Bringen auch nur wenige dieser
Leuchter das der Darstellung nach dem Buch der Richter Kap.
14 zugrunde liegende Motiv des Kampfes mit dem Löwen
zum Ausdruck, so faßt doch v. Falke die ganze Gruppe unter der
Bezeichnung Simsonleuchter zusammen und nennt als Ursprungsland
Ostfrankreich und das lothringische Maasgebiet. In unserm
Leuchter, dem einzigen nordischen Exemplar, glaubt er das Werk
eines lübischen Grapengeters sehen zu dürfen. Abweichend von
allen übrigen
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Leuchtern ist auf eine plastische Wiedergabe
der Gewandfalten verzichtet und die den Oberkörper eng anliegende Gewandung, die
vom Gürtel abwärts sich weitet, überziehen ebenso wie den Körper des Löwen
geperlte Linien, ohne daß diese Schmucklinien etwa die Formen und Bewegungen
betonten oder heraushöben. Das Kampfmotiv ist ganz außer acht gelassen, der
Lichtträger sitzt rittlings auf dem Untier und hält sich mit der Linken am
rechten Ohr des Löwen fest.
Merkwürdigerweise ist der rechte Fuß des Reiters unbekleidet, während der linke
beschuht ist. Das füllhornartig gekrümmte, auf seinem Nacken ruhende Ende des
Lichtdorns hält er mit seiner rechten Hand,
Ein Löwenleuchter des XIV. Jahrhunderts.
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eine Bewegung, die ziemlich mißlungen ist,
sie und die wenig ausdrucksvolle Modellierung des Gesichts zeigen den Künstler
in der Darstellung des menschlichen Körpers seinen westlichen Vorbildern
wesentlich unterlegen. Während aber die Tiere bei den andern Leuchtern
gleichmäßig auf ihren vier Füßen stehen, hat der Löwe des Schaalseeleuchters
sich hingekauert, um dem Reiter das Aufsteigen mit seiner schweren Last zu
erleichtern, und ist im Begriff sich wieder zu erheben. Diese Bewegung des
Sichaufrichtens ist m. E. überzeugend ausgedrückt und zeigt, daß der Schöpfer
unseres Leuchters nicht nur über hohes technisches Können, sondern auch über
künstlerisches Gestaltungsvermögen verfügte. Wie die Zeichnung der Mähne, so
sind auch die Linienverzierungen bereits im Wachsmodell angegeben, und nach dem
Guß hat nur an einigen Stellen eine sparsame Nachziselierung stattgefunden. Bis
auf eine kleine Beschädigung am Lichtteller und die abgebrochene Schwanzquaste
ist der Erhaltungszustand vorzüglich. Welche Bedeutung dem eigenartigen Stück
zugemessen wurde, erhellt auch daraus, daß Kaiser Wilhelm II. für
das Kaiserschloß in Posen zwei Nachgüsse herstellen ließ und daß neuerdings im
Kunsthandel verschiedene Fälschungen aufgetaucht sind.
S. S.
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