Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Die Untersuchung eines bronzezeitlichen Grabhügels
in der Gemarkung Grünhof-Tesperhude.

Von KARL KERSTEN-Kiel.
 

Im Frühling dieses Jahres wurde von dem schleswig-holsteinischen Museum vorgeschichtlicher Altertümer in Kiel in Grünhof-Tesperhude ein Grabhügel untersucht, der zu den größten Grabdenkmälern aus vorgeschichtlicher Zeit im Kreise Lauenburg gehörte. Der Grabhügel, der eine Höhe von 2,50 m in und einen Durchmesser von 30 x 36 m

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hatte, war infolge der Abtragungen in früheren Jahrzehnten nur noch bis auf einen schmalen Streifen erhalten, als der Besitzer des Hügels, Herr Hofbesitzer Christern in Grünhof-Tesperhude, im Januar d. Js. den Rest abtragen ließ. Während man bei den Abtragungsarbeiten in den früheren Jahren auf keine Bestattungen gestoßen war, wurden jetzt 4 Gräber aus der Bronzezeit freigelegt, die in der Richtung Nord-Süd nebeneinander in einer Reihe lagen. Bei der Untersuchung der Gräber, die im Februar d. Js. begonnen und nach einer Unterbrechung im April und Mai fortgesetzt wurde, konnten einige sehr interessante und wichtige Beobachtungen gemacht werden, wie man sie bislang aus Schleswig-Holstein noch nicht anderweitig ermittelt hat.

Das Verdienst um diese Ergebnisse kommt in erster Linie Herrn Hofbesitzer Christern zu, der für die gute Erhaltung der Gräber bei dem Abfahren der Hügelerde Sorge trug und eine sofortige Meldung an das Heimatmuseum in Lauenburg vornahm, ferner aber Herrn Konrektor Götze, dem Leiter des Lauenburger Museums, der die Fundmeldung sofort an das Landesmuseum in Kiel weiterleitete. Beiden Herren sei an dieser Stelle für ihre tatkräftige Mitarbeit herzlichst gedankt. Ferner aber möchte ich hier mit Dank meiner Mitarbeiter bei der Grabung gedenken, besonders Herrn Kulturpfleger W. Schweidt aus Tesperhude, ferner Herrn E. Ziebell aus Tesperhude und Herrn Polizeioberwachtmeister H. Schröder aus Hamburg, der fast 3 Wochen lang an der Grabung teilnahm.

Das Grab, bei dem die interessantesten Feststellungen gemacht werden konnten, liegt im Nordrand des Grabhügels. Schon von Anfang an fiel es durch seine außerordentliche Größe (etwa 50 Quadratmeter) auf. Es bestand aus einer Steinpackung von fast viereckiger Form, die von einem doppelten Kranz großer Felsblöcke (bis 80 cm lang) eingefaßt war. Der Steinhaufen innerhalb dieses Felsenkranzes stieg zur Mitte hin sanft an und wies hier eine längliche regelmäßige Mulde auf, deren Längsrichtung ost-westlich verlief.

Bei der Abtragung der Hügelerde über dem Grabe zeigte sich, daß über dem ganzen Steinhaufen eine dicke, in der Mitte bis 25 cm starke Holzkohleschicht lag, die nur an einer Stelle plötzlich aufhörte, nämlich dort, wo in der Mitte der Steinpackung die längliche Mulde in den Steinen eingetieft war. Hier konnten in tieferer Lage größere, bis 80 cm lange, zusammenhängende Holzkohlestücke - Reste von verkohlten Stämmen - freigelegt werden, deren Rinde teilweise noch gut erhalten war. An einigen Stellen konnten sogar 2 übereinander liegende Lagen verkohlter Stämme festgestellt werden. Die starke Holzkohleschicht, die unmittelbar auf dem Grabe lag, läßt darauf schließen,
daß direkt auf dem Grabe ein großes Holzfeuer abgebrannt ist. Das Feuer muß sehr mächtig gewesen sein; denn die meisten unter der Kohleschicht liegenden Steine waren von der Hitze zersprungen, an einigen Stellen sogar bis in eine Tiefe von 40 cm. Von der großen Stärke des Feuers zeugt ferner eine Schicht rot gebrannten, stark sandigen Lehms, der zwischen und über den Steinen in der näheren Umgebung der Mulde lag. Welche Be-


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deutung der gebrannten Lehmschicht zukommt, läßt sich z. Zt. noch nicht entscheiden.

Bei der Forträumung der Holzkohlereste konnte die interessante Feststellung gemacht werden, daß in der länglichen Mulde, die an der Südseite einen rechteckigen Einschnitt hatte, die Reste von zwei verkohlten Baumsärgen mit je einer Leiche lagen.

Der größere Baumsarg, der eine Länge von etwa 2,60 m hatte und nur noch in geringen Resten erhalten war, enthielt eine Frauenleiche, der als Beigaben ein gedrehter Halsring und eine Bronzefibel (Spange) mit in den Sarg gegeben waren, die jedoch leider nur in geringen Bruchstücken geborgen werden konnten. Ferner fand ich am
Knie der Leiche einige kleine Röllchen aus einem spiralartig aufgewickelten, dünnen Bronzedraht, die offenbar als Schmuck am Rock der Frau befestigt waren. Nach diesen Beigaben zu schließen gehört das Grab in die Periode II oder III der Bronzezeit (ca. 1600-1200 v. Chr.).

Am unteren Ende des Frauensarges stand an der Stelle, wo die Mulde die rechteckige Erweiterung aufwies, ein zweiter, kleiner Baumsarg von 1,30 m Länge, der die Knochenreste eines sehr jungen Kindes enthielt. Der Kindersarg war weit besser erhalten als der Sarg mit der Frauenleiche; sowohl vom unteren Teile des Sarges als auch vom Deckel waren noch größere Stücke bewahrt.
 
Beide Leichen waren in der gleichen Richtung bestattet, mit dem Kopf im Osten und den Blick nach Westen.

Aus der Lagerungsweise der beiden Gräber ergibt sich, daß die beiden Baumsärge mit der Frauen- und Kinderleiche ZUR GLEICHEN ZEIT beigesetzt sein müssen. Jedoch ließ sich bislang noch keine Entscheidung treffen über die Frage, ob beide Personen gleichzeitig gestorben sind, oder ob man eine der anderen gewaltsam in den Tod folgen ließ.

Bei der Fortnahme der Erd- und Kohleschichten von dem Grab stellte sich heraus, daß in einem regelmäßigen Abstand von den beiden Baumsärgen 12 Schächte tief in den Boden hineingingen. Sie erschienen in der Steinpackung als runde, steinfreie Stellen mit einem Durchmesser von etwa 40 cm, die in der Regel sorgfältig mit Steinen umsetzt waren. Bei der Tieferlegung zeigte sich, daß sie wie Brunnenschächte bis zu einer Tiefe von 90 cm von der Oberfläche gemessen aufgebaut waren. Die Schächte liefen in zwei Reihen zu je 5 Schächten parallel mit den Längsseiten der Baumsärge. Die beiden Reihen wurden an den Enden durch je einen Schacht miteinander verbunden.

Die meisten Schächte waren mit Erde angefüllt und enthielten in ihrem unteren Teil zahlreiche wirr durcheinander liegende größere Kohlestücke. Bei 3 Schächten jedoch zeigte sich dicht über dem Boden innerhalb der rund ausgesetzten Steinsetzung sehr deutlich eine dünne, etwa 1 cm starke Holzkohlewand, deren Faserung in senkrechter Richtung verlief. Ich deutete diese dünnen Holzkohlewände anfangs als die Reste von runden Holzgefäßen, die in den Boden eingelassen, mit Steinen umsetzt und dann bei dem Leichenverbrennungsfeuer mitverbrannt waren. Für ein intensives Feuer in den Schächten schien

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mir nämlich der Umstand zu sprechen, daß die flachen Steine, die die Sohle der Schächte bildeten, in zwei Fällen stark zersprungen waren.

Jedoch scheint mir nach einem Grab aus Jütland, das in einigen Punkten dem Grab von Grünhof-Tesperhude ähnelt, auch eine andere Deutungsmöglichkeit angängig zu sein. In Vesterlund im Amte Vejle untersuchte im Jahre 1908 Herr Konservator Rosenberg, dem ich die Mitteilung des Fundes verdanke und dem ich auch hier meinen herzlichsten Dank sage (S. Vilh. la Cour, Själlands äldste Bygder. Kopenhg. 1927 S. 310 f.), vom Nationalmuseum in Kopenhagen einen Grabhügel, der wie der Hügel von Grünhof-Tesperhude ein Langhügel war (Durchmesser 23,5 x 27 m, Höhe etwa 3 m). Der Grabhügel bedeckte 5 Gräber aus der älteren Bronzezeit und 2 Urnen aus der Eisenzeit. An der Sohle des Grabhügels zeichneten sich im Hellen Sand deutlich 14 Pfostenlöcher ab, die zu einem Kreis von 12,15 x 13,05 m Durchmesser geschlossen
waren. In den Pfostenlöchern, die eine Tiefe von 50-67 cm hatten, ließen sich noch Reste von den Pfosten erkennen, und zwar teilweise dadurch, daß sie vor der Einsetzung in die Pfostenlöcher an der Außenseite angebrannt waren und daher heute nach Vermoderung des Stammkerns als dünne Holzkohleringe im Boden erscheinen. Innerhalb des Pfostenkreises waren an der Hügelsohle sehr deutlich die verbrannten, umgestürzten Wände aus geflochtenen Ruten (etwa 5-8 cm stark) zu beobachten, die einstmals wohl zwischen den Ständern des Hauses angebracht waren. Die Flechtwände sind an der Außenseite wahrscheinlich mit Brettern oder einem anderen vegetabilischen Stoff belegt gewesen. Mitten auf dem niedergebrannten Haus lag das älteste Grab des Grabhügels, das dem Beginn der Bronzezeit angehören dürfte. Aber dem ältesten Grab hatte man
einen niedrigen Hügel aufgeschüttet, dessen äußere Grenze sich in einem geringen Abstand von dem Pfostenkranz innerhalb desselben Nachweisen ließ. Der kleine Hügel wurde bei späteren Bestattungen, die über und neben ihm angelegt wurden, mehrfach überschüttet bis er schließlich die heutige Gestalt erhalten hatte.

Nach dem Grab von Vesterlund, bei denen die Pfosten des Hauses in einigen Fällen auch mit Steinen umpackt waren, möchte ich es für sehr wohl möglich halten, daß die dünnen Holzkohlenwände in den Schächten des großen Grabes die Reste von vorher angebrannten Pfosten darstellen, die man zur Festigung rings mit Steinen umpackt hat. Andere Reste, die eindeutig dafür sprechen würden, daß sich vor der Verbrennung der beiden Leichen über dem Grab ein Haus befunden hat, konnten allerdings nicht gefunden werden.

Von Interesse dürfte es sein, daß sich an den Grabhügel eine alte Volkserzählung in Grünhof-Tesperhude knüpfte, die in unmittelbarer Verbindung mit dem behandelten Grabe zu stehen scheint.

Als ich im Februar mit der Untersuchung des Hügels begann, besuchte ein alter Mann aus Tesperhude die Grabung und berichtete mir und meinem Mitarbeiter, Herrn W. Schweidt aus Tesperhude, daß in der Zeit um 1880 die alten Leute im Ort von dem Hügel folgendes erzählten: In dissen Barg hebbt in oolen Tiden groote

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Füer brennt" und "in dissen Barg liggt een Scheiterhupen". Die gleiche Sage erzählte mir später im April noch eine alte Frau aus Tesperhude. Diese Sage wurde in Grünhof-Tesperhude zu einer Zeit erzählt, als der Hügel nach Aussage einer Reihe alter Leute aus dem Ort, die den Hügel noch im unversehrten Zustand gekannt haben, noch gänzlich unberührt war und an keiner Stelle Angrabungsspuren aufwies.

Daß sich derartige Sagen, die sich an vorgeschichtliche Grabdenkmäler knüpfen, sehr wohl aus der Zeit der Entstehung dieser Gräber bis in die heutige Zeit erhalten können, beweist für Schleswig-Holstein wohl am besten ein Grabhügel aus der Gemarkung Schuby, Kr. Schleswig. In seinen "Sagen, Märchen und Liedern der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg", Kiel 1845, Seite 19 berichtet Müllenhoff von diesem Hügel, dem sog. "Dronninghöj", daß in ihm ein enthaupteter Krieger bestattet sei. Bei der Untersuchung des Grabhügels stellte Herr DR. Splieth vom Museum in Kiel im Jahre 1894 fest, daß an der Sohle des Hügels unter einer Steinpackung eine Männerleiche mit dem Schädel zu Füßen lag.

Weit weniger kompliziert in ihrem Aufbau als das eben behandelte Grab waren die 3 anderen Gräber, die sich im Süden an das Grab anschlossen.

In der Mitte des Hügels und im Südrand lagen zwei große, längliche Steinsetzungen, welche in der Mitte eine tiefe Mulde aufwiesen. Bei der Aufdeckung der beiden Gräber könnte beobachtet werden, daß an der Muldensohle, die halbkreisförmig gewölbt war, wie auch an den Rändern noch schwache Holzreste lagen, deren Faserung, wie sich gelegentlich feststellen ließ, in der Längsrichtung der Mulde verlief. Aus dem Aufbau der beiden Gräber ging deutlich hervor, daß sie Baumsarggräber darstellten, die von großen Steinsetzungen umgeben waren. Reste von Leichen oder Beigaben wurden nicht beobachtet außer der Niete eines Bronzedolches in dem Grabe im Südrand des Hügels. Es ist anzunehmen, daß sich in den Särgen einst unverbrannte Leichen befunden haben, die jedoch völlig verwest sind.

Zwischen den beiden Baumsarggräbern lag in einer Höhe von 1,50 m über der Hügelsohle eine kleine Steinsetzung, auf der außer verbrannten Menschenknochen eine Bronzefibel lag, vermittels deren das Grab zeitlich in die Periode III der Bronzezeit (etwa 1400-1200 v. Chr.) gesetzt werden kann.

Von großem Interesse ist es, den Wandel der Bestattungssitten in dem Hügel von Grünhof-Tesperhude zu verfolgen. In den beiden ersten Perioden der Bronzezeit (etwa 1800-1400 v. Chr.) war es üblich, die Leichen unverbrannt mit Kleidung und Schmuck (in dem Grab im Südrand des Hügels nur mit Bronzedolch) in ausgehöhlten Baumstämmen, sog. Baumsärgen, zu bestatten. Im Übergang zur Periode III (etwa 1400 v. Chr.) wird die Verbrennung der Leichen mehr und mehr üblich. Das große Grab im Nordrand des Hügels zeigt eine sehr interessante Abergangsform zu der Begräbnisart der folgenden Zeit: die beiden Baumsärge mit der Frauen- und

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Kinderleiche wurden nach bisher gebräuchlicher Sitte erst sorgfältig in einer Steinsetzung niedergelegt und dann unter einem großen Holzfeuer verbrannt. In Periode lll der Bronzezeit ist es dagegen allgemein üblich, die Leichen außerhalb des Hügels zu verbrennen und die verbrannten Knochen, den sog. Leichenbrand, mitsamt den Beigaben
anfangs noch in Baumsärgen zu bestatten, später aber nur auf kleinen Steinpflästerchen, wie das Grab, das in einer.Höhe von 1,50 m über der Hügelsohle lag, zeigt. In der jüngeren Bronzezeit ging man zu der Bestattung in Urnen über (etwa 1200 v. Chr.), eine Grabsitte, die sich in Niedersachsen bis in die Zeit um etwa 500 nach Chr. verfolgen
läßt.

Die Untersuchung des Grabhügels von Grünhof-Tesperhude zeigt, wie außerordentlich wichtige Ergebnisse sich bei der sachgemäßen Grabung scheinbar völlig unbedeutender Hügelreste ergeben können. Zur Förderung der Heimatforschung möchten wir daher an die Öffentlichkeit die dringende und herzliche Bitte richten, in Zukunft auch den unscheinbarsten vorgeschichtlichen Bodenfunden, die bei der Bewirtschaftung des Feldes oder bei Erdarbeiten gefunden werden, Beachtung zu schenken und sofort dem Lauenburgischen Landesmuseum in Ratzeburg oder direkt seinem Leiter, Landesarchivar Schellbach in Mustin, zu melden.


 


 

 

 

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