Im Frühling dieses Jahres wurde von dem
schleswig-holsteinischen Museum vorgeschichtlicher Altertümer in
Kiel in Grünhof-Tesperhude ein Grabhügel untersucht, der zu den
größten Grabdenkmälern aus vorgeschichtlicher Zeit im Kreise
Lauenburg gehörte. Der Grabhügel, der eine Höhe von 2,50 m
in und einen Durchmesser von 30 x 36 m
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hatte, war infolge der Abtragungen in
früheren Jahrzehnten nur noch bis auf einen schmalen Streifen erhalten, als der
Besitzer des Hügels, Herr Hofbesitzer Christern in Grünhof-Tesperhude, im Januar
d. Js. den Rest abtragen ließ. Während man bei den Abtragungsarbeiten in den
früheren Jahren auf keine Bestattungen gestoßen war, wurden jetzt 4
Gräber aus der Bronzezeit freigelegt, die in der Richtung Nord-Süd nebeneinander
in einer Reihe lagen. Bei der Untersuchung der Gräber, die im Februar d. Js.
begonnen und nach einer Unterbrechung im April und Mai fortgesetzt wurde,
konnten einige sehr interessante und wichtige Beobachtungen gemacht werden, wie
man sie bislang aus Schleswig-Holstein noch nicht anderweitig ermittelt hat.
Das Verdienst um diese Ergebnisse kommt in erster Linie Herrn Hofbesitzer
Christern zu, der für die gute Erhaltung der Gräber bei dem Abfahren der
Hügelerde Sorge trug und eine sofortige Meldung an das Heimatmuseum in Lauenburg
vornahm, ferner aber Herrn Konrektor Götze, dem Leiter des Lauenburger Museums,
der die Fundmeldung sofort an das Landesmuseum in Kiel weiterleitete. Beiden
Herren sei an dieser Stelle für ihre tatkräftige Mitarbeit herzlichst gedankt.
Ferner aber möchte ich hier mit Dank meiner Mitarbeiter bei der Grabung
gedenken, besonders Herrn Kulturpfleger W. Schweidt aus Tesperhude, ferner Herrn
E. Ziebell aus Tesperhude und Herrn Polizeioberwachtmeister H. Schröder aus
Hamburg, der fast 3 Wochen lang an der Grabung teilnahm.
Das Grab, bei dem die interessantesten Feststellungen gemacht
werden konnten, liegt im Nordrand des Grabhügels. Schon von
Anfang an fiel es durch seine außerordentliche Größe (etwa 50
Quadratmeter) auf. Es bestand aus einer Steinpackung von fast viereckiger
Form, die von einem doppelten Kranz großer Felsblöcke (bis 80
cm
lang) eingefaßt war. Der Steinhaufen innerhalb dieses Felsenkranzes stieg zur
Mitte hin sanft an und wies hier eine längliche regelmäßige Mulde auf, deren Längsrichtung ost-westlich verlief.
Bei der Abtragung der Hügelerde über dem Grabe zeigte sich,
daß über dem ganzen Steinhaufen eine dicke, in der Mitte bis 25 cm
starke Holzkohleschicht lag, die nur an einer Stelle plötzlich aufhörte,
nämlich dort, wo in der Mitte der Steinpackung die längliche Mulde
in den Steinen eingetieft war. Hier konnten in tieferer Lage größere,
bis 80 cm lange, zusammenhängende Holzkohlestücke - Reste von
verkohlten Stämmen - freigelegt werden, deren Rinde teilweise noch
gut erhalten war. An einigen Stellen konnten sogar 2 übereinander
liegende Lagen verkohlter Stämme festgestellt werden. Die starke Holzkohleschicht, die unmittelbar auf dem Grabe lag, läßt darauf schließen,
daß direkt auf dem Grabe ein großes Holzfeuer abgebrannt ist. Das
Feuer muß sehr mächtig gewesen sein; denn die meisten unter der
Kohleschicht liegenden Steine waren von der Hitze zersprungen, an
einigen Stellen sogar bis in eine Tiefe von 40 cm.
Von der großen Stärke des Feuers zeugt ferner eine Schicht
rot gebrannten, stark sandigen Lehms, der zwischen und über den
Steinen in der näheren Umgebung der Mulde lag. Welche Be-
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deutung der gebrannten Lehmschicht zukommt, läßt sich z. Zt.
noch
nicht entscheiden.
Bei der Forträumung der Holzkohlereste konnte die interessante
Feststellung gemacht werden, daß in der länglichen Mulde, die an
der Südseite einen rechteckigen Einschnitt hatte, die Reste von zwei
verkohlten Baumsärgen mit je einer Leiche lagen.
Der größere Baumsarg, der eine Länge von etwa 2,60 m hatte und nur
noch in geringen Resten erhalten war, enthielt eine Frauenleiche, der als Beigaben ein gedrehter Halsring und eine Bronzefibel
(Spange) mit in den Sarg gegeben waren, die jedoch leider nur in
geringen Bruchstücken geborgen werden konnten. Ferner fand ich am
Knie der Leiche einige kleine Röllchen aus einem spiralartig aufgewickelten, dünnen Bronzedraht, die offenbar als Schmuck am Rock
der Frau befestigt waren. Nach diesen Beigaben zu schließen gehört
das Grab in die Periode II oder III der Bronzezeit (ca.
1600-1200 v. Chr.).
Am unteren Ende des Frauensarges stand an der Stelle, wo
die Mulde die rechteckige Erweiterung aufwies, ein zweiter, kleiner
Baumsarg von 1,30 m Länge, der die Knochenreste eines sehr jungen
Kindes enthielt. Der Kindersarg war weit besser erhalten als der
Sarg mit der Frauenleiche; sowohl vom unteren Teile des Sarges
als auch vom Deckel waren noch größere Stücke bewahrt.
Beide Leichen waren in der gleichen Richtung bestattet, mit dem
Kopf im Osten und den Blick nach Westen.
Aus der Lagerungsweise der beiden Gräber ergibt sich, daß die
beiden Baumsärge mit der Frauen- und Kinderleiche ZUR GLEICHEN ZEIT beigesetzt
sein müssen. Jedoch ließ sich bislang noch keine Entscheidung treffen über die
Frage, ob beide Personen gleichzeitig gestorben sind, oder ob man eine der anderen gewaltsam in den Tod
folgen ließ.
Bei der Fortnahme der Erd- und Kohleschichten von dem Grab
stellte sich heraus, daß in einem regelmäßigen Abstand von den beiden
Baumsärgen 12 Schächte tief in den Boden hineingingen. Sie erschienen in der Steinpackung als runde, steinfreie Stellen mit einem
Durchmesser von etwa 40 cm, die in der Regel sorgfältig mit Steinen
umsetzt waren. Bei der Tieferlegung zeigte sich, daß sie wie Brunnenschächte bis zu einer Tiefe von
90 cm von der Oberfläche gemessen
aufgebaut waren. Die Schächte liefen in zwei Reihen zu je 5 Schächten
parallel mit den Längsseiten der Baumsärge. Die beiden Reihen
wurden an den Enden durch je einen Schacht miteinander verbunden.
Die meisten Schächte waren mit Erde angefüllt und enthielten
in ihrem unteren Teil zahlreiche wirr durcheinander liegende größere
Kohlestücke. Bei 3 Schächten jedoch zeigte sich dicht über dem Boden
innerhalb der rund ausgesetzten Steinsetzung sehr deutlich eine dünne,
etwa 1 cm starke Holzkohlewand, deren Faserung in senkrechter Richtung verlief. Ich deutete diese dünnen Holzkohlewände anfangs als
die Reste von runden Holzgefäßen, die in den Boden eingelassen, mit Steinen
umsetzt und dann bei dem Leichenverbrennungsfeuer mitverbrannt waren. Für ein intensives Feuer in den Schächten schien
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mir nämlich der Umstand zu sprechen, daß die flachen Steine, die
die
Sohle der Schächte bildeten, in zwei Fällen stark zersprungen waren.
Jedoch scheint mir nach einem Grab aus Jütland, das in einigen
Punkten dem Grab von Grünhof-Tesperhude ähnelt, auch eine andere
Deutungsmöglichkeit angängig zu sein. In Vesterlund im Amte Vejle
untersuchte im Jahre 1908 Herr Konservator Rosenberg, dem ich die
Mitteilung des Fundes verdanke und dem ich auch hier meinen
herzlichsten Dank sage (S. Vilh. la Cour, Själlands äldste Bygder.
Kopenhg. 1927 S. 310 f.), vom Nationalmuseum in Kopenhagen
einen Grabhügel, der wie der Hügel von Grünhof-Tesperhude
ein Langhügel war (Durchmesser 23,5 x 27 m, Höhe etwa 3 m). Der Grabhügel bedeckte
5 Gräber aus der älteren
Bronzezeit und 2 Urnen aus der Eisenzeit. An der Sohle des
Grabhügels zeichneten sich im Hellen Sand deutlich 14 Pfostenlöcher
ab, die zu einem Kreis von 12,15 x 13,05 m Durchmesser geschlossen
waren. In den Pfostenlöchern, die eine Tiefe von 50-67 cm hatten,
ließen sich noch Reste von den Pfosten erkennen, und zwar teilweise dadurch, daß sie vor der Einsetzung in die Pfostenlöcher an
der Außenseite angebrannt waren und daher heute nach Vermoderung des Stammkerns als dünne Holzkohleringe im Boden erscheinen.
Innerhalb des Pfostenkreises waren an der Hügelsohle sehr deutlich die verbrannten, umgestürzten Wände aus geflochtenen Ruten
(etwa 5-8 cm stark) zu beobachten, die einstmals wohl zwischen
den Ständern des Hauses angebracht waren. Die Flechtwände sind
an der Außenseite wahrscheinlich mit Brettern oder einem anderen
vegetabilischen Stoff belegt gewesen. Mitten auf dem niedergebrannten
Haus lag das älteste Grab des Grabhügels, das dem Beginn der
Bronzezeit angehören dürfte. Aber dem ältesten Grab hatte man
einen niedrigen Hügel aufgeschüttet, dessen äußere Grenze sich in einem geringen
Abstand von dem Pfostenkranz innerhalb desselben Nachweisen ließ. Der kleine Hügel wurde bei späteren Bestattungen, die
über und neben ihm angelegt wurden, mehrfach überschüttet bis er
schließlich die heutige Gestalt erhalten hatte.
Nach dem Grab von Vesterlund, bei denen die Pfosten des
Hauses in einigen Fällen auch mit Steinen umpackt waren, möchte ich es für sehr
wohl möglich halten, daß die dünnen Holzkohlenwände in den Schächten des großen Grabes die Reste von vorher
angebrannten Pfosten darstellen, die man zur Festigung rings mit
Steinen umpackt hat. Andere Reste, die eindeutig dafür sprechen
würden, daß sich vor der Verbrennung der beiden Leichen über dem
Grab ein Haus befunden hat, konnten allerdings nicht gefunden werden.
Von Interesse dürfte es sein, daß sich an den Grabhügel eine alte Volkserzählung
in Grünhof-Tesperhude knüpfte, die in unmittelbarer Verbindung mit dem behandelten Grabe zu stehen scheint.
Als ich im Februar mit der Untersuchung des Hügels begann,
besuchte ein alter Mann aus Tesperhude die Grabung und berichtete
mir und meinem Mitarbeiter, Herrn W. Schweidt aus Tesperhude,
daß in der Zeit um 1880 die alten Leute im Ort von dem Hügel folgendes erzählten:
In dissen Barg hebbt in oolen Tiden groote
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Füer brennt" und "in dissen Barg liggt een Scheiterhupen".
Die
gleiche Sage erzählte mir später im April noch eine alte Frau aus
Tesperhude. Diese Sage wurde in Grünhof-Tesperhude zu einer
Zeit erzählt, als der Hügel nach Aussage einer Reihe alter Leute
aus dem Ort, die den Hügel noch im unversehrten Zustand gekannt haben, noch
gänzlich unberührt war und an keiner Stelle Angrabungsspuren aufwies.
Daß sich derartige Sagen, die sich an vorgeschichtliche Grabdenkmäler knüpfen, sehr wohl aus der Zeit der Entstehung dieser
Gräber bis in die heutige Zeit erhalten können, beweist für Schleswig-Holstein wohl am besten ein Grabhügel aus der Gemarkung
Schuby, Kr. Schleswig. In seinen "Sagen, Märchen und Liedern
der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg", Kiel 1845, Seite
19 berichtet Müllenhoff von diesem Hügel, dem sog. "Dronninghöj",
daß in ihm ein enthaupteter Krieger bestattet sei. Bei der Untersuchung des Grabhügels stellte Herr
DR. Splieth vom Museum in
Kiel im Jahre 1894 fest, daß an der Sohle des Hügels unter einer
Steinpackung eine Männerleiche mit dem Schädel zu Füßen lag.
Weit weniger kompliziert in ihrem Aufbau als das eben behandelte Grab waren die
3 anderen Gräber, die sich im Süden an
das Grab anschlossen.
In der Mitte des Hügels und im Südrand lagen zwei große, längliche
Steinsetzungen, welche in der Mitte eine tiefe Mulde aufwiesen. Bei der Aufdeckung der beiden Gräber könnte beobachtet
werden, daß an der Muldensohle, die halbkreisförmig gewölbt war, wie auch an den
Rändern noch schwache Holzreste lagen, deren Faserung, wie sich gelegentlich feststellen ließ, in der Längsrichtung der
Mulde verlief. Aus dem Aufbau der beiden Gräber ging deutlich hervor, daß sie
Baumsarggräber darstellten, die von großen Steinsetzungen umgeben waren. Reste von Leichen oder Beigaben wurden
nicht beobachtet außer der Niete eines Bronzedolches in dem Grabe
im Südrand des Hügels. Es ist anzunehmen, daß sich in den Särgen
einst unverbrannte Leichen befunden haben, die jedoch völlig verwest
sind.
Zwischen den beiden Baumsarggräbern lag in einer Höhe von 1,50 m über der Hügelsohle eine kleine Steinsetzung, auf der außer
verbrannten Menschenknochen eine Bronzefibel lag, vermittels deren
das Grab zeitlich in die Periode III der Bronzezeit (etwa 1400-1200
v. Chr.) gesetzt werden kann.
Von großem Interesse ist es, den Wandel der Bestattungssitten in dem Hügel von Grünhof-Tesperhude zu verfolgen. In den
beiden ersten Perioden der Bronzezeit (etwa 1800-1400 v. Chr.) war
es üblich, die Leichen unverbrannt mit Kleidung und Schmuck (in dem Grab im
Südrand des Hügels nur mit Bronzedolch) in ausgehöhlten Baumstämmen, sog.
Baumsärgen, zu bestatten. Im Übergang zur Periode III (etwa 1400
v. Chr.) wird die Verbrennung der
Leichen mehr und mehr üblich. Das große Grab im Nordrand des Hügels zeigt eine
sehr interessante Abergangsform zu der Begräbnisart der folgenden Zeit: die beiden Baumsärge mit der Frauen- und
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Kinderleiche wurden nach bisher gebräuchlicher Sitte erst sorgfältig
in einer Steinsetzung niedergelegt und dann unter einem großen Holzfeuer
verbrannt. In Periode lll der Bronzezeit ist es
dagegen allgemein üblich, die Leichen außerhalb des Hügels zu verbrennen und
die verbrannten Knochen, den sog. Leichenbrand, mitsamt den Beigaben
anfangs noch in Baumsärgen zu bestatten, später aber nur auf kleinen
Steinpflästerchen, wie das Grab, das in einer.Höhe von 1,50 m über
der Hügelsohle lag, zeigt. In der jüngeren Bronzezeit ging man zu der
Bestattung in Urnen über (etwa 1200 v. Chr.), eine Grabsitte, die sich
in Niedersachsen bis in die Zeit um etwa 500 nach Chr. verfolgen
läßt.
Die Untersuchung des Grabhügels von Grünhof-Tesperhude zeigt,
wie außerordentlich wichtige Ergebnisse sich bei der sachgemäßen Grabung
scheinbar völlig unbedeutender Hügelreste ergeben können. Zur Förderung der Heimatforschung möchten wir daher an die Öffentlichkeit
die dringende und herzliche Bitte richten, in Zukunft auch den unscheinbarsten
vorgeschichtlichen Bodenfunden, die bei der Bewirtschaftung des Feldes oder bei Erdarbeiten gefunden werden, Beachtung
zu schenken und sofort dem Lauenburgischen Landesmuseum in Ratzeburg oder direkt seinem Leiter, Landesarchivar Schellbach in Mustin,
zu melden.
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