Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Die lauenburgische Kirchenvisitation von 1581/82.

Von KURT FEILCKE, Pastor in Hannover.

(Fortsetzung).
 

6. Die Kirchengeschworenen.

"Kirchgeschworne" finden wir in allen Gemeinden. Ihre Zahl war augenscheinlich mitbestimmt durch die Anzahl der zugehörigen Dörfer. Sie bewegte sich zwischen 2 und - so die meisten - 4. Siebeneichen hatte 5 und Brunstorf 6. Jurat mag durch Herkommen immer der jeweilige Besitzer einer bestimmten Bauernstelle gewesen sein, so wie es
ja auch bei dem Amt des Bauernvogts ("Pauermeister") war.

Die Visitatoren stellten überall fest, ob die Kirchgeschworenen "beeideth" waren, drangen auf Abstellung vorhandener Mängel, griffen auch, wo es ihnen notwendig schien, sofort durch. In zwei Gemeinden, die nur einen einzigen Geschworenen hatten, ordneten sie ihm andere zu, in Caarsen zwei, die gleich vereidigt wurden, in Worth den
dortigen "Pauermeister". In Kuddewörde setzen sie einen Kirchengeschworenen "wegen seines gottlosen lebenß" ab, einen anderen in Grönau, "weil er allewege, wenn er gefürdert, CONTUMACITER außen geblieben und nimmer zur Kirchen kommt", einen dritten in Stapel, der "weil er ein Zimmermann, selten zur stette gewesen war". Überall bestimmten sie für die Abgesetzten andere und vereidigten sie. Die Vereidigung konnte bei einem, der krank war, nicht sofort vorgenommen

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werden. Der Hauptmann in Neuhaus bekam deshalb den Auftrag, sie später nachzuholen. Finden wir in diesen Fällen die behördliche Einsetzung, so ist doch auch zweimal von "Wahl" die Rede, von Selbstergänzung der Körperschaft. Einer der "Vorsteher" der Kapelle gegenüber von Artlenburg war gestorben. Die Visitatoren gaben den
Kirchengeschworenen im Abschied auf, "innerhalb 4 Wochen einen andern zu wählen". In Lauenburg hatte man nur drei Juraten. Den vierten sollen sie "mit Wissen des Rats kiesen und schwören lassen".

Die Aufgabe der Kirchengeschworenen war Verwaltung des Eigentums ihrer Kirchengemeinde und Kassenführung. Sie hatten die Ländereien zu verpachten und für die Instandhaltung der Gebäude, des Inventars und des Friedhofs zu sorgen, hatten darauf zu achten, daß alle Verpflichtungen der Kirche gegenüber erfüllt wurden, mußten
Buch über Einnahme und Ausgabe führen und darüber Rechenschaft ablegen. Das Protokoll spricht immer, wenn wir heute von Einnahme oder Ausgabe der Kirchenkasse sprechen würden, vom Einnehmen oder Ausgeben der Kirchengeschworenen. Die Besoldung der Kirchenbeamten, soweit sie nicht in festen Naturallieferungen bestand, ging durch ihre Hand. In Hamwarde wird ihnen aufgetragen, einen Küster anzustellen, und weil der Worther sich erbot, für 4 Faß Roggen und 4 Faß Hafer das Amt mitzuverwalten, sollen sie mit ihm handeln.

In Basthorst war eine Grenze des Küsterlandes umstritten. Die Visitatoren hielten eine Lokalbesichtigung ab, verwiesen die Sache dann aber "zu richtigmachunge an die Eltisten vnnd Kirchgeschwornen", gaben ihnen damit besondere Vollmacht. Den Pastoren scheinen sie recht selbständig gegenüber gestanden zu haben. Nur in Sterley sollten sie Einnahme und Ausgabe, wohl weil sie es nicht konnten, von ihm ausschreiben lassen.

Sie sammelten in jedem Sonntagsgottesdienst mit dem Klingelbeutel "die Bede". In einigen Gemeinden geschah es nicht. Dort wurde es aber bei der Visitation zur Pflicht gemacht. Das gesammelte Geld tat man in einen "Block" oder in den "Gotteskasten" oder in ein verschlossenes "Schap", zählte es alle Vierteljahr, schrieb es an und
verwandte es dann wohl für Zwecke der Gemeinde. In Ratzeburg wurde es für die Unterhaltung der Kirche gebraucht.

Den "Opfer- oder 4 Zeiten-Pfennigk", den man in einigen Kirchen an den "Vierzeiten festen" (Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Michaelis) auf den Altar legte, hatten sie in den meisten Gemeinden einzusammeln. Jeder "der COMMUNICIRET" gab dabei nach der Sitte seines Kirchspiels jedesmal 1 oder 2 Pfennig. In einzelnen Gemeinden war es Brauch, das Geld des ganzen Jahres an einem bestimmten Festtage zusammen zu bezahlen. Der Ertrag gehörte ganz oder zu einem gewissen Teil dem Pastor. Der Mustiner und der Lütauer mußten dafür die Kirchengeschworenen an den vier Festtagen bei sich zu Gast haben, sehr zum Leidwesen des Visitators, der ausdrücklich forderte, "das geseuff bey den Pastorn auf die hohen Feste abzustellen". Wo ein Teil des Geldes der Kirchengemeinde zukam, wurden davon meist Brot und Wein zum Abendmahl gehalten, in Seedorf auch die Altarkerzen.

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7. Vermögensverwaltung und Kassenwesen *).

Grundstock des Vermögens jeder Kirchengemeinde war ihr Landbesitz. Ein Teil diente der Besoldung als Pastoren- oder Küsterland. Der andere Teil unterstand den Kirchengeschworenen, um mit seinen Erträgnissen die laufenden Bedürfnisse der Gemeinde zu decken.

Die Jahrzehnte ohne viel Ordnung hatten Herzog und Gutsherr und Bauer einig in dem Streben gesehen, kirchlichen Besitz in die Hand zu bekommen und seinem eigentlichen Zwecke zu "ABALIENIREN". Das sollte nun anders werden. Die Visitatoren, die sich große Mühe um die finanzielle Neuordnung der Kirche gaben, schärften den Geschworenen ein, über alles Einkommen und Eigentum, vor allem aber über die vorhandenen Ländereien gewissenhaft Buch zu führen. Man wollte die Kirchengemeinden dadurch vor weiteren Verlusten bewahren und vom Verlorenen retten, was noch zu retten war.

Franz I. hatte 1572 Wedenhof (Pastorengehöft) und die dazu gehörige "Marienhufe" in Worth der Familie Dücker erblich überlassen, die dafür dem Pastor zu Worth und Hamwarde bestimmte Abgaben leisten mußte. Die Forderung der Visitatoren, diese Anordnung rückgängig zu machen, "weil nämlich das, was einmal Gott geweiht ist, nicht zu anderem Gebrauch bestimmt werden darf" (AD ALIOS USUS TRANSFERRE NON LICET), scheint nichts gefruchtet zu haben. Denn auch noch im Protokoll von 1590 steht die Bemerkung: "Wäre billig, daß der Hof und Hufe bei der Capellen bliebe, wie den vor Alters der Pastor zur Wordt denselben gebraucht hat." - In Artlenburg hatte Magnus I. 1520 die "Pfaffenhufe" "tho sick genahmen", und in St. Georgsberg legte "die Herrschaft alle Länderei und Holzunge zum Newen Vorwerke und Hause Ratzeburg". In beiden Fällen erhielt der Pastor eine feste, jährliche Entschädigung. Auch "die Schmilower hebben in vorzeiten ihren eigenen Pastorn gehabt, und ist eine besondere Wedeme dabei 1 1/2 Hufe Landes gewesen und 1 Wische. Wirdt aber berichtet, daß die Herrschaft den Wedemhoff mit der 1 1/2 Hufe Landes und der Wisch der Kirchen entzogen und Arent Stoffen solle eingetan haben." (Prot. 1590.)

Franz v. Bülow in Gudow hatte "der Pastorey mehrere Ackerstücke entzogen", und in Basthorst "hat Lud. Schacke 2 Stück Landes von der Kirche genommen und seinen Leuten zu gebrauchen gegeben". Bauern der Gemeinde Caarsen hatten eine Hufe Kirchenland unter sich aufgeteilt. Die Visitatoren gaben den Auftrag, "sich dessen zu
erkundigen und wieder zur Kirchen zu bringen". In anderen Gemeinden war es ähnlich. Hier war ein Teich und dort eine Wiese, die "von Alters des Pastorn gewesen", in fremder Hand. Die stille Enteignung der Schnakenbeker Kapelle stand nicht vereinzelt da.

Alle Ländereien in der Verwaltung der Kirchengeschworenen waren verpachtet. Manche Pächter hatten aber seit 20 und mehr Jahren keine "Rente" bezahlt. Vielleicht, daß sie das Land schon stillschweigend als ihr Eigentum ansahen. Sie sollen nun den "gebührlichen

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*) Siehe "Die Reformation in Lauenburg" (Lauenburgischer Heimatverlag, Ratzeburg 1931): Inventaraufnahme der Kirchen in der Vogtei Ratzeburg 1557, S. 77. ff.

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Zins, wen man sonsten vom Acker nimmt", bezahlen, oder aber das Land soll ihnen genommen und anderen gegeben werden, "die gebührlich Zinßgeld darumb geben wollen". Verschiedentlich fordern die Visitatoren Erhöhung der Pacht, so bei Gädtke Bruchmann in Lütau, der für eine Hufe Land jährlich nur 2 M. bezahlte. Da er sich dessen aber weigerte, befahlen sie den Kirchengeschworenen, die Hufe einem anderen "aufs Teuerst außzutun". Er scheint sich aber noch rechtzeitig besonnen zu haben, denn eine spätere Anmerkung zum Protokoll sagt, daß er das Land für eine jährliche, Michaelis fällige Pacht von 12 M. behalten hat. - Joachim Hagen in Brunstorf bezahlte für den Elisabethhof der Kapelle Kröppelshagen 1 M., die für Wein und Oblaten ausgegeben wurde. Alte Leute wußten sich aber zu erinnern, daß dafür früher ein halber Gulden eingekommen war. So wird ihm jetzt auferlegt, künftig alles, was an Wein und Oblaten gebraucht würde, zu beschaffen.

Auch vom beweglichen Eigentum der Kirchen war manches verloren gegangen. Magnus I. hatte sich von den Kirchengeschworenen der Stadt Lauenburg einen Kasten "mit gülden und Silbernn geschirr" aushändigen lassen, und seine Gemahlin "lieh" sich eine vergoldete Monstranz. "Ist nicht wieder kommen." Beides soll sich im Jahre 81 bei dem versetzten Silber in Lübeck befunden haben. Und "die alte Herzoginne", die Mutter Franz' II., hatte sich Kelch und Patene "zu Gebrauch des Hg. Abendmalß abgelehnett". In Caarsen fehlten zwei silberne AGNUS DEI und eine Zimbel.

Die Visitatoren verlangen überall von den Kirchengeschworenen, das "übermäßige Silbergeschirr", d. h. in erster Linie die ausgesprochen katholischen Geräte, zu verkaufen. Man wollte damit wohl zweierlei erreichen: Die letzten Überbleibsel des katholischen Kultus beseitigen und aus dem toten Kapital dieser wertvollen Gegenstände ein Arbeitskapital machen, das, zinstragend angelegt, die oft geringen Einnahmen der betreffenden Kirchengemeinde heben sollte. Das Protokoll benennt häufig die einzelnen Stücke, die "zu gelde zu machen und der Kirchen zum Besten bei gewissen Leuten auf Rente zu tun" waren. Immer sind es die Dinge, für die eine evangelische Gemeinde keine Verwendung mehr hatte, Kelche und Altarleuchter nur, wenn mehr als notwendig vorhanden waren. In diesem Falle wurden die am wenigsten wertvollen verkauft. Die Lütauer Gemeinde hat damals (nach Angabe des Protokolls von 1390) eine vergoldete Monstranz - "versetzt zu Hamburg" -, ein Weihrauchfaß aus Messing, 6 messn. Leuchter, davon 5 kleinere, einen "messn. Lewen zum Gießfaß" und ein Glöcklein für 36 M. verkauft. Brunstorf erzielte 150 M. und Sterley 113 M. 13 sch. Die Grönauer Kirche hatte bis 1582 keinerlei feste Einnahme "weder von Länderey noch gelde". Nun gewann sie durch den Verkauf des Kirchensilbers ein Kapital von 142 M., das ihr jährlich 7 M. 26 sch. Zinsen einbrachte.

Einige wenige Gemeinden hatten aber keine nur-katholischen Kultusgeräte mehr, unter ihnen Lauenburg und Ratzeburg, von denen beiden doch wohl ohne weiteres angenommen werden kann, daß sie besonders reich ausgestattet gewesen sind.*) Sie werden schon vor der

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) Siehe "Die Reformation in Lauenburg", S. 83.

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Visitation abgestoßen haben, was jetzt überflüssig war. Tatsächlich finden wir bereits 1582 in einer Gemeinde (Seedorf) Zinseinnahmen für ein Kapital von 50 M., das "von altem verkauften Silber so bei der Kirchen gewesen kommt".

Bargeld, das die Kirchengeschworenen nicht unmittelbar zur Deckung der laufenden Ausgaben brauchten, liehen sie gegen jährliche Zinsen aus. So lieh sich einer in Marschacht "6 Thaler zu einem Pferde aus der Kirchen", und ein Lauenburger Einwohner hatte 60 M. Kapital aus der St. Jürgen-Kapelle "in sein Haus genommen". Eine
ganze Reihe Schuldner war mit den Zinsen im Rückstand. Gewöhnlich verlieh man das Geld zu einem Zinssatz von 1 Schilling für 1 Mark "Hauptstuhl", wie das im Protokoll oft gebrauchte schöne deutsche Wort für "Kapital" heißt. Da die Mark zu 16 Schillingen rechnete, ist das ein Zinsfuß von 6 1/4 %. Dementsprechend wurden
für 100 M. 6 M. Zinsen gefordert. - In einem Falle greifen die Visitatoren ein: Gelder der St. Jürgen-Kapelle waren zu 10 % ausgeliehen. "Diese Zinsen sind zu groß und unchristlich, müssen modirirt oder zu Erbzinsen gemacht werden."

Das Einkommen der Kirchengemeinden aus Kapitalzinsen war sehr verschieden. Während einige kaum etwas hatten, war das ausgeliehene Kapital anderer beträchtlich. Stapel hatte 377 M. 8 sch. verliehen, die Mark zu einem Schilling. Die namentliche Aufzählung der Schuldner im Protokoll nimmt 6 Seiten in Anspruch. Für jeden
Schuldner mußte hier zur größeren Sicherheit ein Bürge gestellt werden. Das von Ratzeburg auf "Rente" ausgegebene Geld wurde 1590 mit 1383 M. angegeben, eine für damalige Geldverhältnisse sehr große Summe!

Hittbergen und Marschacht hatten jedes Jahr "aus der Salze zu Lüneburg" eine Salzlieferung. Einige Kirchengemeinden waren im Besitz älterer Stiftungen, alle wohl noch aus katholischer Zeit. Das Geld war ebenfalls ausgeliehen. Krummesse hatte aus vier Stiftungen ein Kapital von 80 M. Lauenburg erhielt von den Stecknitzfahrern jährlich 5 M., die sie "zu ewigen Zeiten aus freiem Willen" geben wollten.

Mit der Kassenführung war es in den meisten Gemeinden übel bestellt. Immer wieder stellt das Protokoll fest, daß die Kirchengeschworenen die jährliche Abrechnung versäumt hätten, oft schon seit Jahren. Sie führten in einigen Fällen nicht einmal Buch über Einnahmen und Ausgaben. In Gülzow begründeten sie das damit, daß
die Kirche kein "sonderliches Einkommen" hätte. In Mustin fehlten 40 M. "Zu fragen, wohin die kommen."

In Ordnung befunden wurde das Kassenwesen in Ratzeburg, wo die Kirchengeschworenen dem Rat verantwortlich waren, und ganz besonders in Lauenburg. Die Rechnungsablegung fand hier beim Superintendenten in Anwesenheit "etzlicher des Rats" statt. "Sie haben ihre Register. Halten ein Kirchenbuch, tun jährlich Rechnung und
ihre Register werden in einem Casten verschlossen". In Hittbergen verzehrte man bei der jährlichen Rechnung für etwa 8 sch. auf Kirchenkosten, und in Artlenburg trank man dabei eine Tonne Bier aus. Der
 

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Abschied der Visitatoren bestimmt kategorisch: "Die Tunne bier bey der Rechnunge auszusaufen verboten." In Marschacht waren die lüneburgischen und lauenburgischen Geschworenen "widereinander". Die lüneburgischen legten die Rechnung dem Bardowieker Superintendenten vor "ohne Beisein jemand der Sächsischen".

Verlangt wird von den Kirchengeschworenen jetzt überall eine geordnete Buchführung. Auf den künftig geplanten jährlichen Visitationen soll Abrechnung gehalten werden.


(Fortsetzung folgt.)









 


 

 

 

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