Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Der Beitrag zur Kenntnis der Geschichte der "Union der Ritter­ und Landschaft des Herzogtums Lauenburg" .

Von HERMANN SCHULZE-DELITZSCH.
 

Am 16. Dezember 1585 schließen sich Ritter- und Landschaft unter dem Namen "Union" zusammen. Das Dokument, zwei Bogen Pergament, die mit einer schwarz-goldenen Schnur geheftet sind, bildet den kostbarsten Besitz unseres Landesarchives. Es ist unterschrieben von Herzog Franz und 36 Mitgliedern der Union der Ritter- und Landschaft, deren 37 Siegel in Wachs mit derselben Schnur verbunden sind, mit der die Bogen geheftet sind. Wir finden dort die noch heute gut erhaltenen Siegel von Herzog Franz, seinem Kanzler Hieronymus Schultz, Friedrich Aepinus, Heinrich Rantzau, 4 Bülows, 3 Lützows, 3 Perkentins, 2 Wackerbarths, 2 Schacks. 2 Scharpenbergs, 1 Knesebeck und 1 Daldorf.

Am 6. Januar 1586 erkennen Bürgermeister und Rat der Städte Lauenburg und Ratzeburg die "Union" in allen Punkten an, "als ob es von Worten zu Worten hierin spezifiziert und ausgedrückt würde". Am 19. September 1618 ist diese "Union" von 1585 im Domhof von Ratzeburg voll den erschienenen Mitgliedern der Ritter- und Landschaft zur Verteidigung ihrer Privilegien und Rechte nochmals bekräftigt und durch eine Urkunde mit 18 Unterschriften besiegelt und unterschrieben worden. Zu Aeltesten werden gewählt: Hartwig von Perkentin zu Zecher, Ulrich von Wackerbarth zu Kogel, Otto von Schack zu Gülzow und Joachim von Bülow zu Gudow und Wehningen. Diese vier Aeltesten sollen mit einem "Advokaten" einen ständigen Ausschuß bilden und berechtigt sein, in allen Fällen im Namen der Ritter- und Landschaft zu handeln "als wär ein jeder zu jeder Zeit persönlich mit an und dabei gewesen". Zum Schluß weisen die Unterzeichneten den Vorwurf der "ungebührlichen Aufwiegelung" gegen den Landesherrn zurück und erklären nur "zur Manutenenz vielgedachter Union, Erhaltung ihrer Freiheit und Privilegien, deren Defension und Ablehnung ihnen dauernd auferlegter Beschwerden" zusammengetreten zu sein.

Im Jahre 1770 ging nun zum ersten Mal ein Gut, und zwar Niendorf, durch den Verkauf des Herrn von Hövell an den Amtmann Nanne in bürgerliche Hände über. Hierdurch wurde zwischen die Besitzer adlicher Güter, denen gewisse Privilegien anhafteten, ein Konfliktstoff eingeimpft, der z. B. bei den Wahlen der Landräte in späteren Jahren sich geltend machte. Im Jahre 1790 bei einer solchen Wahl wird gegen das Verlangen bürgerlicher Besitzer von adlichen Gütern, sich an der Wahl zu beteiligen, Einspruch erhoben: "Seit 100 und mehr Jahren ist kein Lauenb. adliches Gut, es sei Lehn oder Allodium, in bürgerlichen Händen gewesen, bis etwa vor 20 Jahren Nanne das Guth Niendorf von Herrn von Hövel und Gerhard Karl das Guth Schenkenberg vor 10 Jahren von Herrn von Wetken kauften: denn die Güter Bliestorff, Castorff,
Rondeshagen und Grinau sind erst 1747 Lauenburgisch geworden. Es kann also kein Fall vorhanden sein, daß ein Bürgerlicher jemals seine Stimme zur Landraths-Wahl gegeben, denn ich zweifle, daß Herr Schuldt und Karl bei der Wahl des Landraths v. Schrader ihre Stimme gegeben, und die 4 Güther, die 1747 Lübeck an Lauenburg abgetreten, haben sich bis neuerer Zeit geweigert, in das Corps der Lauenb. Ritterschaft zu treten, bis neulich der Herr v. Rumohr sich dazu bequemte. Da also die Bürgerlichen noch nie in den [sic!] Besitz des Stimmenrechts gewesen, so kann man auch nicht sagen, daß sie ein Recht oder Anspruch bei solchen Wahlen gehabt oder haben. - ad 2) ist in Ansehung der Landes-Receßmäßigen Gerechtsame und der Landständischen Rechte, kein Unterschied unter Lehn- und Allodial Güthern."

Jener in dem Schreiben erwähnte Herr von Rumohr wird dann auch 1790 zur Wahl mit vorgeschlagen und an den Landmarschall v. Bülow besonders empfohlen. Aber die bürgerlichen Gutsbesitzer adlicher Güter werden von der Beteiligung an der Wahl durch v. Bülow ausgeschlossen:

"Ew. Wohlgebohrnen haben mir mittels deroselben Schreiben vom 20. v. M. eine Wahl Stimme wegen dero Gut Niendorf zu der auf den 13. d. M. angesetzten Wahl eines dritten Landraths im hiesigen Herzogthum zugehn lassen, indessen kann ich nicht unangezeigt lassen, daß davon bei solcher Wahl kein Gebrauch gemacht und mithin nicht übergeben werden können, da nach denen bei der
 

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"Ewige Union" der Lauenburgischen Ritter- und Landschaft vom 16. Dezember 1585.

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unirten Ritterschaft des hiesigen Herzogthums feste stehenden Principiis und dem steten Herkommen nach, zur Wahl ernes Landraths nur die Vota derjenigen Besitzer adelicher Güter zugelassen werden, welche in der bekannten Union der Ritterschaft ausgenommen zu werden fähig sind, und in dieser Union würcklich aufgenommen worden, und solche unterschrieben haben; nur bei der Wahl eines Landschaftlichen Einnehmers findet die Stimme von einem jeglichen Gut um deshalb statt, weil dessen specielle Interesse in Ansehung der von dem Einnehmer wegen Aufbewahrung der landschaftlichen Gelder zu leistenden Sicherheit dabei in Betracht kommt.

Daß übrigens die Currenden, in welchen der Wahlconvent angesetzt worden, auch mit an deroselben Gut Niendorf gelanget, und darauf benannt gewesen, hat den einmal bestimmten und gewöhnlichen Umlauf der Currenden zur Ursache, immaßen deren Umlauf, wenn auch der Inhalt vorkommenden Umständen nach nicht einen jeden interessirt, nicht verändert werden mag. Ew. Wohlgebohren habe ich meiner Pflicht gemäß, hievon zu benachrichtigen keinen Umgang nehmen dürfen, der ich sonst in aller Hochachtung beharre Ew. Wohlgebohrnen ergebener Diener, gez. v. Bülow. Gudau d. 14. Decbr. 1790."

Zu einem offenen Konflikt kommt es 1803, als die Herren Dr. Lamprecht, Berckemeyer und Dr. Wehber in Vollmacht von Magd. Schuldt an den Landmarschall von Bülow das Verlangen stellen, sich zwecks Ausübung der Rechte, die sie mit ihren Gütern erworben zu haben behaupten, an der Versammlung der Landstände teilzunehmen wünschen: "Bei den jetzigen äußerst dringenden Umständen haben wir, wie gewöhnlich, die Einladung erhalten auf dem, auf den 29. d. M. angesetzten Convent der Landstände zu erscheinen. Da es hiebei nicht allein auf dasjenige ankömmt was unsere ritterschaftlichen Güter und unsere Unterthanen anlangt, sondern auch auf unsern Geldbeutel, so halten wir es für nothwendig, auf die Ausübung der Rechte, die uns als Besitzern ritterschaftlicher Güter gebührete, bestehen zu müssen, und bei der auf morgen angesetzten Versammlung, sowie in der Folge jederzeit erscheinen und unsere Gerechtsame wahrnehmen zu dürfen, und den Verhandlungen beizuwohnen. Die an uns allezeit gelangenden Einladungen zu den Conventen zeigen die unbestrittene Befugnis, dabei erscheinen zu dürfen, ganz unwidersprechlich. Wir erbitten uns hierüber eine bestimmte Antwort an unsern Mitstand den Herrn Berckemeyer auf Groß Thurow aus. Sollte uns wider Vermuten der Zutritt fernerhin verweigert werden, so sehen wir uns genötigt für uns und unsere Güter gegen alles dasjenige in bester Form Rechtens zu protestiren, was zu unseren und unserer Güter Nachtheil bewilliget, beschlossen und ausgemacht werden möchte."

Von der Versammlung selbst gibt folgende Beschwerde einen lebhaften Eindruck: "Sowie es jedem Eingesessenen eines Landes höchst wichtig sein muß von den Verhältnissen desselben unterrichtet zu sein, so ist dieses in einem noch weit höheren Grade der Fall mit denjenigen, welche durch ihre Besitzungen an dem Wohl und Wehe dieses Landes wesentlichen Antheil nehmen und zugleich dadurch das Recht besitzen, zu den Beratschlagungen über das Beste desselben zu concuriren.

Der 15. § des Lauenburg. Landes-Recesses sichert jedem, der durch seine stimmfähige Besitzung hiezu das Recht hat sessio & votum zu. Nichtsdestoweniger und da sich im ganzen Landes-Rezeß keine Silbe findet, wodurch solches begründet wird, und sich auch nur einigermaßen rechtfertigt, wodurch die bürgerlichen Besitzer stimmfähiger Güter von der Theilnahme über die Berathschlagungen über das Beste des Landes, woran sie für sich und ihre Unterthanen einen ebenso wesentlichen Antheil nehmen, gänzlich ausgeschlossen und den Beschlüssen als Nichttheilhaber unterworfen, unter dem Einwande als ob die Aufnahme in einer von dem Adel errichteten sogenannten Union durchaus erforderlich sei, um das unsern Gütern zustehende Stimmrecht auszuüben, und die Berathschlagungen über das Beste des Landes beizuwohnen, wird auch uns der Zutritt bei den Conventen der Landstände verweigert. Eine von dem Adel zum offenbaren Präjudiz der bürgerlichen Güterbesitzer errichtete Vereinbarung, wodurch dieselben der Willkür des Adels unterworfen werden, die ihren Gütern zustehenden Rechte auszuüben, und die, soviel uns bekannt ist, durch keine landesherrliche Ratification vim legis erhalten hat, kann uns die Ausübung der unsern Gütern anklebenden Rechte in keine Wege rauben.

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Bei der für uns und unsern Unterthanen äußerst wichtig und bedenklichen Lage der Umstände glauben wir mit Recht, uns nicht länger von der Ausübung der unsern Gütern zustehenden Rechte ausschlißen lassen zu dürfen und wollen bei der auf den 29. d. M. angesetzten Zusammenkunft der Landstände uns mit einfinden.

Wir erklärten dieses am 28. d. M. schriftlich unserm hochverehrten Herrn Landmarschall mit der Bitte, uns hierauf mit einer Antwort zu versehen. Wir thaten dieses, um nicht durch eine unerwartete Erscheinung Unannehmlichkeiten zu veranlassen. Da wir keine Antwort erhalten hatten, so nahmen wir dieses für eine stillschweigende Einwilligung und begaben uns zur Versammlung, wozu auch wir, wie jederzeit durch die gewöhnliche Currenden uns als eingeladen ansahen. Mit nicht geringem Erstaunen mußten wir aber bemerken, daß unser Landsyndicus äußerst entrüstet und erklärte, wir könnten und würden nicht zu der Versammlung zugelassen werden, er würde kein Protokoll eröffnen, solange wir gegenwärtig wären, wir sollten uns categorisch erklären, ob wir weichen wollten oder nicht! Er würde die Versammlung nach seinem Hause
führen, wo wir solche nicht verließen: unser Begehren sei revollutionär, die Currenden mit der Einladung zu den Versammlungen der Landstände gelangten blos an uns, um solche durch unsere Unterthanen weiter zu befördern.

Es ist überflüssig das Herabwürdigende dieser Äußerung aus dem Munde des Landjyndici ohne scheinbare Theilnahme der versammelten Landstände auseinanderzusetzen, der Commentar dazu ist leicht gemacht. Ew. Exellenzen und Hochwohlgebornen überlassen wir das Urtheil hierüber gäntzlich. Da wir aber als Besitzer sitz- und stimmfähiger Güter nicht glauben, uns mit jenen Äußerungen des Landsyndicus abfertigen lassen zu dürfen, so verlangten wir jene Abweisung schriftlich, und da uns diese verweigert wurde, die ausdrückliche Erklärung, daß er, der Landsyndicus, solches blos auf Order der versammelten Landstände zu geben habe; worauf wir zur Antwort erhielten: Er würde sein Wort nicht unmündig machen - und die Gründe dazu der Versammlung vorzutragen wissen. - Hierauf ersuchten wir unsern würdigen Herrn Landmarschall, indem wir doch lieber durch ein Mitglied der hochansehnlichen Versammlung, als blos durch deren Officianten unterrichtet zu sein wünschten, uns zu erkennen zu geben, ob jene Erklärung als ihre Gesinnung von uns anzunehmen wäre. Derselbe erwiederte: Die Zeit habe ihm nicht erlaubt, unsere Anfrage unterm 28. früh genug zu beantworten, er habe indessen unser Verlangen zu Protokoll nehmen lassen. Ohne aber in die Union ausgenommen zu sein, könnten wir den Versammlungen nicht beiwohnen. Die Aufnahme hierin hätten wir nachzusuchen, worauf sodann darüber unter ihnen würde votirt werden. Für seine Person habe er zwar nichts dawieder, allein er habe nur eine Stimme.

Wir erklärten hierauf, es sei keineswegs unsere Absicht, der Beratschlagung zu turbiren, allein wir hielten dafür, daß uns als Besitzern sitz- und stimmfähiger Güter es zukomme, die Rechte unserer Güter auszuüben, wobei der Adel den Bürgerstand in keine Betrachtung kommen könnte. Die von unsern Landesherrn zugestandene Fähigkeit des Bürgerstandes, ritterschaftliche Güter besitzen zu können, hätte die Befugnis, die Rechte dieser Güter auszuüben, zur natürlichen Folge. Diese Befugnis auszuüben könne keiner willkürlichen Stimmung des Adels unterworfen sein, und keine Union desselben die Ausübung der unsern Gütern anklebenden Rechte von ihnen abhängig machen. Da wir aber zu den Beratschlagungen nicht zugelassen werden sollen, noch es erhalten können, daß ein Protokoll eröffnet wurde, so wollten wir eventualiter gänzlich alles, was etwa zu unserem, unserer Güter und unserer Unterthanen Nachtheil oder auf deren Kosten beschlossen werden möchte, in bester Form Rechtens protestiren. Hierauf nahm der Landsyndicus sogleich wieder das Wort und sagte: daß er uns schon durch Zwangmittel zur Erfüllung dessen anzuhalten wissen würde, was ausgemacht und beliebt werden möchte. Worauf wir erwiederten, daß wir solches erwarten müßten. - Aus diesen Umständen, und da wir nichts so sehr wünschten, als
auch dadurch die Rechte unserer Güter uns zustehender Theilnahme an den Berathschlagungen der Landstände zum Besten des Landes mit unsern geringen Einsichten und Kräften thätigst mitzuwirken, sehen wir uns gedrungen, an Ew. Exellenz und Hochwohlgeboren uns zu wenden. Die Natur der Sache begründet unser Verlangen. Der Landesreceß wiederspricht demselben in keinem Stücke, die Stimme des Landstandes ruht auf das Gut und klebt nicht an der Person.
 

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Da der Bürgerliche zu dem Besitze solcher Güter zugelassen, da er zu Lehnsmann angenommen wird, wie kann er von der Ausübung der damit verbundenen Rechte durch den Adel ausgeschlossen werden. Keine unter sich errichtete Union kann ihm dieses Recht geben. Die Befugnis des Bürgerlichen seine Gerechtsame auszuüben, kann nicht einem Stimmrecht des Adels unterworfen werden, wovon sich das Resultat sehr leicht im Voraus würde berechnen lassen.

Die an uns gelangte Citation zu den Conventen als Besitzer sitz- und stimmfähiger Güter kann nicht blos geschehen um als Briefbesteller des Adels, wozu unser Landsyndicus es herabzusetzen gemeint ist, angesehen zu werden. Nein, sie liegt in dem Rechte unserer Güter. Der bürgerliche Gutsbesitzer kann nicht seinen Bauern gleichgesetzt werden, um nicht dasjenige zu leisten, was der Edelmann über ihn beschließt.

Das Interesse des bürgerlichen Landstandes ist für sich und seine Unterthanen nicht geringer mit dem Besten des Landes verwebt, als das des Adelichen. Hingegen sind die Verhältnisse des erstern oft weit weniger gebunden für das Beste des Landes frei zu streben als die des letzteren. Sollte der Bürgerliche dieses seines Standes wegen von den Beratschlagungen über das Beste des Landes auszuschließen sein, so wäre der Fall denkbar, daß durch die vermehrte Anzahl der bürgerlichen Gutsbesitzer das Wohl des Landes und aller dieser Landstände von einer sehr geringen Anzahl abhängig würde, ein Druck, der doch nicht zu dulden sein würde. Ja es wäre wohl möglich, daß die ritterschaftlichen Landstände gänzlich aufhörten. Warum sollte auch der bürgerliche Landstand, dessen Güter sich oft in einem weit mehr verbesserten Zustande
befinden als die der Adelichen, und der mithin zur Landesverbesserung weit mehr beiträgt, weniger Rechte haben und unfähiger sein, für das Beste des Landes zu
denken, zu urtheilen und zu handeln als der adeliche Landstand? Warum soll der bürgerliche Landstand als Unterthan der Adelichen behandelt werden? Der Landesreceß giebt hiezu kein Recht. Eine angemaßte Vereinbarung des Adels aber kann denselben dies Recht nicht verschaffen. An Ew. Exellenz und Hochwohlgeboren ergehet demnach unsere ebenso gerechte als gehorsamste Bitte durch einen Erlaß an die hochansehnliche Ritterschaft und Stände, uns als bürgerlichen Landständen die ungehinderte Ausübung des unsern Gütern zustehenden Sitz- und Stimmrechtes bei allen künftigen ordinairen sowohl als extraordinairen Landtagen hochgewogenst zuzusichern."

Zu den besonderen Rechten dieser Güter gehört u. a. auch die Ausübung der hohen und niederen Gerichtsbarkeit. Sie dient zur Aburteilung der "Unterthanen" bei Anlässen von Schlägereien. Diebstahl, ungebührlichen Verhaltens gegen den Verwalter oder die Gutsherrschaft usw. Ferner werden Räumungs- und Alimentationsklagen, solche in Erbschaftsangelegenheiten oder Zahlungsschwierigkeiten irgendwelcher Art vorgebracht usw. Als anschauliches Bild solcher Gerichtstage folgen hier zwei Protokolle aus den Jahren 1731 und 1732:

"Actum Niendorf, den 9. November 1731.

Es erscheint der alte Jochim Baas aus Goldensee auf geschehener Citation und ist aus nachfolgende Punkte befraget worden:

1
. Ob nicht ein Bernbaum außerhalb seines Hofes in der Freiheit stünde? - Antwort: Ja, es stünde ein Bernbaum nahe an seinem Hause im harten Wege.
2. Ob ihm nicht im Nahmen seiner Obrigkeit verboten worden, diesen Baum zu schütteln bei 2 rthlr. Strafe? - Antwort: Ja, er hatte aber nicht gemeint, daß es rechter Ernst; wäre auch zu zweien Mahlen nach Niendorf gegangen in der Meinung, seine Obrigkeit bittlich zu ersuchen, ihm zu erlauben, diesen Bernbaum zu schütteln, weilen er denselben von anher zu seinem Gebrauch gehabt. Weilen aber seine Herrschaft verreist gewesen, hätte er solches nicht ausrichten können.
3. Ob er ihn denn nicht schütteln lassen? - Antwort: Ja, es wäre sein jüngster Sohn in seinem Abwesen darauf gestiegen und hätte, nachdem die meisten bereits herunter gewesen, den Rest abgeschüttelt.
4. Ob er denn künftighin des Schüttelns sich enthalten oder im Fall es geschähe, doppelt Strafe erlegen wolle? - Antwort: Ja, er wolle sich künftig hin des Schüttelns enthalten."

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"Actum Niendorf am Schallsee, den 13. Nov. 1732.

Als dem Beklagten Hans Groten ans Goldensee vi decreti v. 26. IX. a. c. auferleget worden, den klagenden Verwalter Johann Bolten eine gerichtliche Abbitte zuthun, worbei die verwirckte Leibesstrafe reservieret worden. So ist auf vorgängiger Ladung erschienen Herr Johann Bolten und dann auch Hans Grote. - Es ward ihm eröffnet, wie daß er sich laut des gehaltenen allegirtem protocolli gegen den Verwalter sehr vergangen, und er daher schuldig, demselben eine gerichtliche Ehrenerklärung zu thun, zu welchem Ende Sr. Hochwohlgebohren Herr Etats Rath Gotthard von Hövell heutigen Gerichtstag angesetzet, als wolle man den dahmals ergangenen Bescheid wiederholt und ihm auch nochmahls anzeigen, wie er sich auf Ostern nach einer andern Wohnung umzusehen, übrigens aber die gerichtliche Abbitte gewärtigen. Hans Grot machte allerhand Einwendungen, endlich aber reicht er dem Verwalter die Hand und bat ihm um Vergebung. Ferner Resolutio: Es ist Hans Grot wegen seines verübten Excesses mit dem gewöhnlichen Instrument der Jungfer [Halseisen] mit 2stündiger Schließung zu belegen. Als ihm nun dieses eröffnet worden, so ist der Schließer Hinrich Scharnweber vorgefordert und darzu befehliget worden. Die Uhr war 10 1/4. Hora 12 1/4 ist er wiederum losgeschlossen und sich künftig besser aufzuführen, auch gegen den Verwalter kerne Rache zu üben bei nachdrücklichster Strafe verwarnt worden."

Interessant ist es, daß die Verurteilung zum Halseisen noch 1806 aus Anlaß einer Schlägerei zwischen zwei Knechten ausgesprochen wurde. Die Höhe der Geldstrafe im Falle des Birnbaumschüttelns ist auffallend und weist darauf hin, daß das Privileg der Gerichtsbarkeit auch aus finanziellen Gründen beachtlich war.

 


 


 

 

 

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