Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


[Miszelle]

Bücher- und Zeitschriftenschau

 

Hermann Wirth und die deutsche Wissenschaft. Unter Mitwirkung von F. Bork, H. Plischke, B. K. Schultz und L. Wolff herausgegeben von F. Wiegers, München (J. F. Lehmanns Verlag) 1932. - 69 Seiten. Geheftet 2,50 RM. - Mit ungeheurem Fleiß, stärkstem Einsatz seiner Persönlichkeit und gefördert vom opfermutigen Verleger sammelte Hermann Wirth jahrelang Stoff für das Werk: "Aufgang der Menschheit", Untersuchungen zur Geschichte der Religion, Symbolik und Schrift der atlantisch-nordischen Rasse; Textband I (die Grundzüge), 632 Seiten, 68 Textabbildungen, 20 Bildbeilagen, 10 Texttafeln m besonderem Heft; Jena (Eugen Diederichs) 1928. Der Verfasser nennt das Ergebnis seines Schaffens "eine Verbindung von Wissenschaft und Gotteserkenntnis auf entwicklungsgeschichtlicher Grundlage". Der Verleger rühmt am Buche (das künftige Bände vorbereitet), es erweitere unser geschichtliches Wissen um 10 000 Jahre rückwärts. Nach der Haltung seines Werkes mußte Wirth quellenmäßig kennen und kritisch beherrschen, was sämtliche geistes-, sprach-, natur- und kulturwissenschaftlichen Forschungszweige über jeden Volksstamm der Erde beigetragen haben. Kein Laie (und kein lebender Fachmann) kann Wert oder Unwert der Belege und Schlußfolgerungen Wirths restlos beurteilen. Da aber die Tendenz des Buches dem Sehnen weitester Volkskreise ent-

1932/3-4 - 94


1932/3-4 - 95

spricht, fand der Verfasser dennoch überzeugte Anhänger in Menge (wer das Hauptwerk nicht bewältigt, besorgt sich S. Kadners "Einführungsschrift" über "Urheimat und Weg des Kulturmenschen" - wiederum bei Diederichs 1931 erschienen). Zwar ist längst auf die inneren Widersprüche und methodischen Haltlosigkeiten (mangelnde Quellenkritik, gewaltsame Verknüpfung entlegenster Erscheinungen ohne Rücksicht auf Zeit, Raum und Gegengründe), sowie auf die Unzahl sachlicher Fehler und Mißverständnisse hingewiesen worden, Mängel übrigens, die sich jedem Leser aufdrängen, der logisch denkt und wenigstens mit einem Teilgebiet der von Wirth betretenen Forschungskreise vertraut ist: Dennoch ist man erst richtig erschüttert über die nutzlose Verschwendung an Arbeit, gutem Willen und materiellem Aufwand, womit Verfasser und Verleger ihrem "Aufgang der Menschheit" das Dasein erkauft haben, wenn man sich in der durch F. Wiegers herausgegebenen Schrift nacheinander vom Geologen, Vorgeschichtler, Anthropologen, Ethnologen, Germanisten und Orientalisten jeweils die wesentlichsten wissenschaftlichen Unmöglichkeiten der Wirthschen Spekulationen hat aufzeigen lassen. Daß Wirth von reinster Absicht und wahrer Begeisterung beseelt ist, muß ihm ebenso zugestanden werden wie etwa Wilhelm Teudt bei seiner gleichfalls von Diederichs auf den Markt gebrachten "Altgermanischen Astronomie", die zuletzt E. Altfeld in den Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte (V 1931 Seite 30 bis 58) einer vernichtenden Kritik unterzogen hat. Es wäre daher ungerecht, Wirth und Teudt in einem Atem mit Leuten wie den Hochstapler Wendrin zu nennen. Aber sie stiften in vielen Köpfen, die unserer deutschen und germanischen Volkstumsforschung ehrliche Teilnahme entgegenbringen, heillose Verwirrung. Daß hiervon nicht zuletzt auch in Lauenburg offen gesprochen werden muß, bedarf keines Nachweises. Die Gemeinde der Gläubigen um Wirth und Teudt freilich wird sich nur langsam und widerwillig belehren lassen. Immerhin erschien es als Pflicht, hier auf die Wiegerssche Schrift hinzuweisen, die um so "unverdächtiger" ist, als sie im "völkischen" Verlag J. F. Lehmann erschien: "Auch in der Wissenschaft von unseren Ahnen kann nicht gelten, was wir glauben wollen, auch hier kann nur die Wahrheit weiterhelfen."

Kunkel.

 

 

 

 

 

*