Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1936


Was die Mäler der rußlanddeutschen Flüchtlinge künden.

Von ERNST BEHRENDS.
 

Auf dem Möllner Friedhof, linker Hand des Eingangs, steht ein Findling mit der Inschrift: "Hier ruhen 22 rußlanddeutsche Flüchtlinge. 1930." Zwei eiserne Ketten umfassen zwei benachbarte Gevierte, in denen die Brüder aus der Fremde namenlos schlummern. Eine in der Kirche befindliche Tafel ergänzt das Mal auf dem Friedhof, eine Tafel aus Eichenholz, die die Inschrift trägt: "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. - Gestiftet von den dankbaren rußlanddeutschen Flüchtlingen. A. D. 1930." Mäler reden. So die Ehrenmäler, so die Mäler mit der Jahreszahl "1933". Seltene Mäler reden nicht zu jedermann, reden nicht ohne weiteres, reden erst, wenn sie gefragt, erforscht und verstanden werden.

Rußlanddeutsche? Deutsche, die nach Rußland auswanderten? Die dann wieder im Reich weilten? Aber nur gastweise? - So fordern die Mäler der rußlanddeutschen Flüchtlinge drei Fragen heraus: 1) Warum zogt ihr fort aus Deutschland? 2) Warum bliebt ihr nicht in Rußland? 3) Warum verließt ihr Deutschland zum zweiten Mal? - Oder genauer geprägt: Wann und wie und warum wurdet ihr Rußlanddeutsche? Warum und inwiefern mußtet ihr die in der Fremde erarbeitete Scholle wieder aufgeben? Wolltet oder durftet ihr nur Gäste sein im Reich eurer Väter?

Die Mäler vermögen nicht ohne weiteres zu antworten. Dem nur, der aus deutschem Herzen heraus fragt und sich auf Grund dieser Fragen in die deutsche Geschichte vertieft, wird Antwort zuteil, dann aber eine Antwort, die über Eintag und Alltag hinausweist, die als das Geständnis bitterer Vergangenheit zugleich eine in die Zukunft verpflichtende Mahnung ist.

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In der Nähe der Stadt Bad Oldesloe befinden sich zwei Mäler (wiederum Stein und Tafel), die auf die erste Frage hin eine wesentliche Antwort erteilen. Es sind die beiden Menno-Mäler: der Menno-Stein auf der Feldmark Wüstenfeld und die an der Menno-Linde bei Fresenburg befindliche Tafel.

Wer war denn Menno? Menno Simons, 1492 in Witmarsum in Friesland geboren, 1359 in Wüstenfeld verstorben, war ein Reformator, ein Zeitgenosse Luthers. Er wirkte als Priester in einem friesischen Dorf. 1531 erschütterte ihn ein bitteres Erlebnis: ein gottesfürchtiger Schneider wurde enthauptet, weil er ein Wiedertäufer war. Daraufhin forschte Menno Simons in der Schrift, ob denn eine solche Tat sich rechtfertigen lasse, und er erfuhr das Gegenteil. Fortab trat Menno Simons in die Öffentlichkeit hinein, redete und predigte sowohl gegen die Irrlehren des Papsttums wie auch gegen die Irrlehren der Wiedertäufer. Er rang um die Läuterung des Taufbegriffs und setzte diesen Begriff schließlich dahin fest, daß eine Vergebung der Sünden nicht DURCH die Taufe, sondern IN der Taufe durch den wahren Glauben zu erlangen sei; darum könne die Taufe nur an wahrhaft Gläubigen vorgenommen werden, Kindertaufe sei von vornherein dem Taufbegriff zuwider. Mennos Anhänger nannten sich Taufgesinnte, später Mennoniten. Martin Luther konnte sich mit Menno Simons ebenso wenig einigen wie mit Ulrich Zwingli; trennte hier die Abendmahlslehre, so da die Tauflehre.

In Friesland und der Niederlande fand Menno Simons viele Anhänger. Was seine Lehre von anderen protestantischen Lehren unterschied, war dreierlei; einmal: die Taufe Erwachsener (denn der wahre Glaube wolle im Leben erkämpft werden); sodann die Wehrlosigkeit (denn Jesus habe das Evangelium der Liebe verkündigt); und endlich die Ablehnung des Eidschwurs (denn ein Christ habe nicht zu lügen, Ja sei Ja, und Nein sei Nein). Wer kennt nicht die Ketzerverfolgungen Karls V.? Die endlos Vielen, die verbrannt, erhängt, ertränkt wurden, waren zumeist Mennoniten. Der Staat behandelte sie als Minderberechtigte, darum wanderten sie ostwärts aus. Auch in Preußen wurden sie z. T. gesteinigt, ersäuft, verbrannt oder lebendig begraben. Menno Simons verbrachte die letzten sieben Jahre seines Lebens in Wüstenfeld bei Oldesloe, einer mennonitischen Siedlung, die hernach im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Menno Simons besaß eine eigene Druckerei; der Drucker wohnte in dem Haus vor Fresenburg, das heute noch steht, die vor dem Haus aufragende Linde soll durch Menno Simons gepflanzt worden sein.

Und dann der Schrecken der Religionskriege, die immer mehr bestes Blut forderten und die bis dahin noch nicht beseitigten Ketzer in den Osten wiesen, in die Memel- und Weichsel-Niederung. Durch einfache Lebensweise und Fleiß, auf Grund der niederdeutschen Zähigkeit und der niederländischen Erfahrung, kamen sie zu Wohlstand. Da stellten sich Neider ein, die den konfessionellen Trennungsgrund vorschoben; und die Folge war, daß die Mennoniten, "die den Soldatenstand für verboten achten", landesverwiesen wurden. Sie zogen

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in Gebiete der unteren Weichsel, die damals polnisch waren. In der ersten polnischen Teilung fiel Westpreußen an Preußen zurück, und damit waren die Mennoniten wieder preußische Untertanen. Friedrich der Große, der da erlaubte, "daß jeder nach seiner Weise selig werden dürfe", anerkannte die außerordentlichen Verdienste dieser ehrlichen, arbeitsamen, tüchtigen Kolonisatoren und ließ die Mennoniten in Frieden. Anders der Nachfolger, Friedrich Wilhelm II. Es ist eine leidige Tatsache, daß, während die polnische katholische Geistlichkeit die Mennoniten in Ruhe ließ, die preußische lutherische Geistlichkeit (unter dem alten Fritz hatte sie sich noch nicht "empört"!) den keinesfalls vorbildlichen Friedrich Wilhelm II. (schon im Jahre des Regierungsantritts, 1786!) zu staatlichen Maßnahmen gegen die Mennoniten drängte. In diese Not hinein erscholl eine rettende Botschaft osther. Kaiserin Katharina II. erließ einen Aufruf zur Einwanderung nach Rußland und sicherte u. a. Glaubensfreiheit und Befreiung vom Militärdienst zu. Hatte nicht schon Zar Peter der Große als Schiffszimmermann in Holland gerade die Mennoniten schätzen gelernt? War nicht sein Freund und Leibarzt Mennonit?

Die ersten 200 Familien wanderten 1788 in die Ukraine aus, die erste Ansiedlung war Chortitza. Weitere Transporte folgten vor allem in die Molotschna. Durch den vorbildlichen Fleiß der Mennoniten wurde die Ukraine, bisher ein unerschlossenes Steppengebiet, zur Kornkammer Rußlands. Aus den Mutterkolonien entwickelten sich Tochterkolonien an der Wolga, auf der Krim, im Kaukasus und in Sibirien. Der Landbesitz der rußlanddeutschen Mennoniten (nur der Mennoniten!) betrug vor Kriegsbeginn rund 1 400 000 Desjatinen = 15 295 QKM (Schleswig-Holstein 15 035 qkm!). Die rußlanddeutschen Mennoniten verfügten nicht nur über eigene Schulen und Bethäuser, sondern u. a. auch über zwei eigene Lehrerbildungsanstalten, eine eigene Handelsschule, 13 eigene, gehobene Zentralschulen usw.

Aber nicht nur Mennoniten, sondern auch Deutsche anderer Religionszugehörigkeit wanderten aus religiösen Gründen nach Rußland aus, so z. B. aus dem Württembergischen Angehörige der "Separierten evangelischen Brüdergemeinde". Im Württembergischen hatten viele Gemeinden sich über die Herrschsucht ihrer lutherischen Pastoren geärgert (es war zu der Zeit, als Schiller dort im Württembergischen die Folter der Karlsschule auskostete!); sie wollten darum keine Pastoren mehr haben und wählten sich ihre "Pfarrer" selbst nach urchristlichem Vorbild. In ihrem Bekenntnis schlossen sich diese Gemeinden mehr und mehr der Lehre Melanchthons an; sie huldigten dem apostolischen Kommunismus; und als Rußland rief, zogen sie dorthin, zumal sie, dem Buchstaben der Bibel hörig, aus dem Osten her den Beginn des tausendjährigen Reiches erhofften. Aber auch in Rußland harrte ihrer der Zorn der orthodoxen lutherischen Kirche. 1843 wandte sich das Petersburger lutherische Generalkonsistorium an den russischen Innenminister mit der Aufforderung, die separierten Brüder gewaltsam in die lutherischen Kirchengemeinden hineinzuzwingen. Diese Aufforderung wurde dem Zaren Nikolaus I. vorgetragen. Erfolg war damit nicht verknüpft, im Gegenteil: die lutherischen Pastoren ernteten

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in Form einer Resolution eine Strafpredigt: "Solange die Sektanten anstandslos alle ihre Bürgerpflichten erfüllen, sind sie ohne jegliche Verfolgung in Ruhe zu lassen, die lutherische Geistlichkeit soll nicht mit bürgerlichen (soll heißen: polizeilichen) Maßregeln, sondern durch sittliche Einwirkung ihrer Lehre dahin wirken, daß ihre Herde mit Liebe und Hingebung bei ihrer Konfession bleibe." Aber nach einem Menschenalter war dieser Befehl vergessen. Kurz vor 1900 wurden die nicht nach Amerika ausgewanderten separierten Brüder in die lutherische Kirche hineingezwungen, stellenweise sogar (z. B. in Hoffnungstal, wie Professor Lindeman-Simferopol berichtet) hineingepeitscht: auf Anforderung der lutherischen Geistlichkeit erschienen Kosaken, die mit ihren Nagaiken die Rückkehr in den Schoß der Kirche durchführten, damit die Einnahme der Pastorate sich mehre.

Aber nicht nur religiöse Beweggründe entschieden zur Auswanderung in das die geistige Freiheit versprechende Rußland. Im Lauf der Jahrhunderte zwang mehr und mehr die Raumnot. Und konnte nicht gerade Rußland den deutschen Volksüberschuß gebrauchen? Hatte schon die Kaiserin Katharina mit der Kolonisation durch Bulgaren schlechte Erfahrungen gemacht, so gaben die Nachfolger die weitere Kolonisation durch Bulgaren auf. Desto unbedingter begünstigte man die Einwanderung der Deutschen. Und die deutschen Kolonien entwickelten sich zu Musterwirtschaften. Bei Kriegsbeginn wirkte über eine Million Rußlanddeutscher in vorbildlicher Weise zu des russischen Staates Gunsten.

Deutsches Blut zum Wohl eines fremden Staatskörpers. Warum? Warum zogt ihr nach Rußland aus, ihr deutschen Pioniere, ihr Eiferer? Die Mäler der Rußlanddeutschen vermögen zu antworten: 1) Weil das deutsche Volk sich innerlich, vor allem auf Grund der konfessionellen Zwiste, zerhaderte und gerade die ehrlichsten Streiter nicht duldete. 2) Weil der deutsche Raum schließlich als Lebensraum nicht ausreichte und besonders denen keinen Platz mehr bot, die für ihre schöpferischen Kräfte ein Betätigungsfeld benötigten. So zogen nach Rußland vor allem Bauern aus, aber auch Vertreter geistiger und in jüngerer Zeit technischer Berufe.

2.

Der Weltkrieg zwang Rußlanddeutsche wider das Land der Väter und entfesselte einen tragischen Gewissenskonflikt. Die Lage der Rußlanddeutschen war von vornherein eine schwierige, weil die Deutschen nunmehr einem amtlichen Haß unterstanden. Englische Diplomatie und englisches Geld hatte die russische Einstellung Deutschland gegenüber umgeschmolzen. Kaiser Nikolaus bezeichnete Deutschland am 4. August 1914 als "Erbfeind". Ende 1914 erhielt Innenminister Makaroff den Auftrag, die Vernichtung des deutschen Grundbesitzes einzuleiten. Am 2. Februar 1915 und 13. Dezember 1915 folgten die beiden berüchtigten Liquidationsgesetze; die Bereicherung der echten Russen war Absicht, ein bedenklicher Griff in das Staatswohl war Folge. Pogrome blieben nicht aus. 1916 gab Generalmajor Poliwanow eine Schmähschrift heraus, in der er sagte: "Der heutige

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Deutsche, sei er östlich oder westlich unserer Grenze, ist überall eine moralische Ausgeburt, ein Degenerant, eine physische Person ohne moralischen Gehalt, ohne Ehrenhaftigkeit, ohne edle Regungen, ohne Herz." Diese Broschüre wunderte laut Befehl des Höchstkommandierenden Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch an die Front. Auf dem Titelblatt stand zu lesen: "Das gelehrte (!) Komitee des Ministeriums der Volksaufklärung erlaubt, diese Broschüre den Schülerbibliotheken der höheren Volksschulen und der Dorfschulen einzureihen und betrachtet sie als sehr nützlich für Volkslesehallen und Bibliotheken." Dies Hetzblatt erlebte acht Auflagen! Da Zar Nikolaus zugleich geistliches Oberhaupt war, erstreckte sich der Haß auch auf die Deutschen als Protestanten; sie wurden öffentlich als "Heiden" bezeichnet. Hierin war besonders rührig der Bischof Eulogios, der die Vertreibung der Deutschen aus Wolhynien veranlaßte und den Tod Tausender Rußlanddeutscher seelenruhig auf sein Gewissen nahm und wenige Jahre später (diese Ironie des Schicksals!) vor den Bolschewisten floh und in Deutschland, dem Land der Heiden, die Gastfreundschaft genoß.

Waren die rußlanddeutschen Kolonisten, die Ableger des "Erbfeinds", die "Heiden", tatsächlich charakterlos und minderwertig? 250 000 rußlanddeutsche Kolonisten standen im russischen Heer gegen Reichsdeutsche! Russen desertierten, Rußlanddeutsche nie. Ist nicht diese unbedingte Treue, sogar gegen Blutsbrüder (wer denkt nicht an die Nibelungensage!) ein nordisches Heldentum, das auch vor der Tragik nicht zurückschreckt? Man bedenke: trotzdem der Staat das Rußlanddeutschtum aus politischen Gründen drangsalierte, erfolgte doch innerhalb des Heeres der Ehrlichkeit halber Beförderung und Ehrung in einem Prozentsatz, der von den eigentlichen Russen nicht annähernd erreicht wurde. So wurden z. B. von 113 zum Heeresdienst einberufenen Deutschen des Dorfes Kronental 63 zu Unteroffizieren und Feldwebeln befördert und 56 mit Georgsmedaillen und Kreuzen ausgezeichnet.

Wir Lauenburger wissen aus unserer eigenen Geschichte, daß es Augenblicke gibt, in denen der eine oder andere deutsche Stamm versagt. Und wir, die wir vom Zweiten ins Dritte Reich uns hineinkämpften, wissen, daß es Gelegenheiten gibt, in denen die Taktik über den Gebrauch der Mittel entscheidet. Die rußlanddeutschen Mennoniten, die gewissermaßen eine Sonderstellung einnahmen (nun in der Kriegszeit auch durch den Kriegsdienst in der Etappe, vor allem als Sanitäter), versuchten sich als eingewanderte "Holländer" auszugeben, um vor der Drangsal bewahrt zu bleiben. Es ist Tatsache: bis in die Zeit des alten Fritz hinein bedienten sich die Mennoniten im Weichselgebiet der holländischen Sprache, auch in den Kirchen. Es steht aber auch fest, daß zu dem Urstamm aus der Niederlande ein außerordentlicher Zuwachs aus niedersächsischem Blut stieß, schon auf hannöverscher und holsteinischer Erde (verlebte doch Menno Simons seine letzten Jahre im Holsteinischen), mehr aber innerhalb der niedersächsisch (und niederfränkisch usw.) kolonisierten Weichsel- und Memellandschaft. Wird das nicht schon durch die Namen der rußland-

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deutschen Mennoniten verbürgt? Neben den vielen westfriesischen Namen (Janzen, Klassen, Dirksen, Kornelsen, Thießen) und flämischen Namen (Dyck, Isaak) auch viele schlechthin deutsche und vor allem niederdeutsche (Hildebrandt, Gerbrandt, Giesbrecht Albrecht, Rempel, Reimer, Harder, Wedel, Lange, Bartels, Behrens, Peters, Harms, Boldt usw.), Namen, die z. T. durch das Weichselplatt eine veränderte Schreibweise erhalten haben, im übrigen aber auch in Lauenburg zu Hause sind (Ekkert = Eggert, Fröse = Freese, Kliever = Klüver, Kröker = Kreeker, Töws = Tews). Und im übrigen: warum denn diese Selbststempelung zum Holländer? Als die holländischen Mennoniten Holland verließen, war Holland noch dem Deutschen Reich zugehörig, das bekanntlich erst 1648 infolge des unglückseligen Dreißigjährigen Krieges verloren ging. Man stelle sich's vor, es wäre nach dem Weltkrieg dem Separatismus gelungen, die Rheinlands und die Pfalz zu "verselbständigen", dürften dann die etwa in Ratzeburg wohnhaften Familien, deren Vorfahren zu Napoleons Zeiten die Pfalz verließen und im Lauenburgischen heimisch wurden, sagen, sie seien keine Deutschen? Umgekehrt: wir würden dann die in der Pfalz usw. Zurückgebliebenen als Auslandsdeutsche bezeichnen! Ebenso stellten andere Rußlanddeutsche ihre schweizerische Herkunft fest. Schön, aber waren und blieben sie nicht rassisch deutsch? Auch die Schweiz gehörte, wie Holland, bis 1648 zum Reich! Es steht unbestreitbar fest: die rußlanddeutschen Mennoniten waren vollwertige Deutsche. Nur an einer Statt und zu einer bestimmten Zeit war etwas fremdes Blut in das niederdeutsche, schwach alemannisch durchsetzte Blut hineingedrungen: im 18. Jahrhundert an der Weichsel, als vereinzelte polnische Familien zum mennonitischen Bekenntnis übertraten (z. B. Rogalsky). Auf russischer Erde, und das ist hoch anzuerkennen, erfolgte keine fremde Blutszufuhr.

Übrigens: gerade dieser rassischen Treue halber wurden die rußlanddeutschen Mennoniten von dem scheinbar ungerechten Schicksal heimgesucht. Woher der große Prozentsatz schwächlicher Nachkommen? Warum mußten die Mennoniten eine eigene Nervenheilanstalt, eine eigene Taubstummenschule, ein eigenes Waisenhaus einrichten? Weil die in der Fremde notwendig gewordene Inzucht (Inzucht auch auf Grund der besonderen Konfession!) sich rächte. Sind auch die meisten Todesfälle rußlanddeutscher Flüchtlinge Folgen der körperlichen und seelischen Drangsal, die rassische Abschwächung schuf eine wesentliche Voraussetzung. Die Zahl der Toten ist unter den Mennoniten prozentuell höher. So künden denn die Mäler der Rußlanddeutschen: Wehe dem Blut, das in der Fremde verkrustet und aus der Heimat heraus nicht aufgefrischt wird.

War schon die Kriegszeit eine Zeit der Prüfung und vielerorts der Pein, die Nachkriegszeit entwickelte sich zur wahren Folterung. Welcher Reichsdeutsche kennt nicht die Schrecknisse, in die hinein der Bolschewismus den Osten getrieben hat! Welcher Lauenburger und insbesondere Möllner kennt nicht aus dem Mund der Flüchtlinge heraus die Not der rußländischen Blutsbrüder? Der tätige Bauer wurde als Kulak, als Blutegel bezeichnet, und die Entkulakisierung

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wurde als Pflicht bezeichnet zum Wohl der Proletarier. Die Köpfe mußten rollen, damit die restverbliebenen Herdenmenschen willig würden. In der Machno-Zeit *) z. B. wurde das Dorf Eichenfeld mit Mann und Weib und Kind restlos ausgeschlachtet und zerstört. 18 000 Rußlanddeutsche zogen damals schon nach Kanada. Welches Volksgut der russische Körper ausschied, mag eine nüchterne Tatsache belegen: In den von der Hungersnot im Winter 1921/22 besonders betroffenen Gebieten starben Hungers in den Tatarendörfern 50 %, in den Russendörfern 20 %, und die deutschen Dörfer verloren niemanden Hungers halber, im Gegenteil, sie versorgten die flüchtigen und bettelnden Tataren und Russen. Weil das deutsche Bauerntum überragte und Musterwirtschaften führte, darum mußte es geknickt, zermürbt und ausgerottet werden. Denn den Druckknopf der bolschewistischen Politik beherrschte das auserwählte Volk, das außer sich kein Volk anerkennt, sondern nur eine Menschheit, eine Masse Mensch, die als Maschine widerstandslos gehorcht. 1931 noch, nachdem der verjudete Lenin gestorben und der Jude Trotzky ausgewiesen worden war, nachdem der Armenier Stalin den Fünfzack übernommen hatte, hatten die Juden die Herrschaft in Händen, sind sie doch die Berufenen, so lange der Bolschewismus die berufene Staatsform ist. 1931 waren z. B. im Rat der Volkskommissare von 22 Mitgliedern 17 Juden, im Rat der Kriegskommissare (man staune!) 33 von 43, im Justizkommissariat (natürlich!) 20 von 21, im russischen Roten Kreuz (Kreuz!) 8 von 8 usw., insgesamt 191 von 230. Von den Führern des Sowjets waren damals rassisch gesehen: 34 Letten, 30 Russen (!!), 12 Armenier, 10 Deutsche (!) und 447 Juden!!

1927 setzte unerbittlicher Radikalismus ein. Der freiheitliche deutsche Bauer sollte Freiheit sowohl im Tun wie sogar auch im Denken preisgeben. Aber er wollte kein Sklave werden, auch nicht der seelenlosen materialistischen Weltanschauung. Deutsches Blut, deutscher Glaube schrie! Aber wohin? Die Sowjetunion zählte damals noch nach den Abgängen durch die Revolutionskämpfe und die ersten Auswanderungen rund 1,2 Millionen deutsche Kolonisten, eine Ziffer, die dem zwölften Teil des deutschen Bauernvolks gleichkommt. Also in der Sowjetunion lebten mal so viele deutsche Bauern, wie in Schleswig-Holstein und Mecklenburg insgesamt. Wohin? Ins Land der Väter, das keinen Platz hat und das, wie die russische Regierung siegesbewußt versichert, demnächst vom Kommunismus unterjocht wird? Oder nach Amerika, vor allem nach Kanada? Oder aber hinein in die Kollektive und die Gesinnung preisgeben? Oder in die Konzentrationslager? Im Spätsommer 1929 entlud sich der Auswanderungsdrang elementar: hinüber nach Amerika, nach Kanada, jedenfalls hinaus aus Rußland, unbedingt und unter Verlust aller Habe. 17 000 Rußlanddeutsche sammelten sich vor den Toren Moskaus und harrten der Stunde der Erlösung. Da griff die GPU. ein, nachts wurden die Menschen auf Lastautomobilen davongeschleppt und dann mittels plombierter Güterwagen in die Heimat oder in die Verbannung überführt,

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*) Machno war Bandenführer der "Schwarzen Armee", die neben der Grünen, Weißen und Roten Armee bestand.

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andere wieder wurden in den Moskauer Kellern beseitigt. Warum denn wurden die Auswanderer, die den Paß in Händen hatten (Preis zwischen 440 und 110 RM. pro Kopf!), nun aufgegriffen und zurückgebracht? Einmal, damit die Welt nicht die Wahrheit erfahre, sodann (hatten die rußlanddeutschen Auswanderer doch ihr Eigentum aufgegeben!), um diese sklavisch billigen Arbeitskräfte bis zum Verbluten zu verwerten. Da aber erschien ein Retter, der in Moskau tätige Professor Auhagen, der die deutsche Regierung erfolgreich bearbeitete. Hindenburg sicherte Hilfe zu. Am 25. November 1929 faßte daraufhin der Deutsche Reichstag den Beschluß, den vor Moskau lagernden Rußlanddeutschen Erlaubnis zur Einreise zu geben und für weitere Versorgung aufzukommen. Die deutsche Regierung rechnete damit, daß die kanadische Regierung in Kürze den Zuzug erlauben würde. Die Rußlanddeutschen Amerikas vergessen diesen Tag nicht. Dankerfüllt wird er alljährlich gefeiert, mit demselben Gefühl des Dankes, das zwei rußlanddeutschen Kolonistendörfern in Brasilien bzw. Paraguay den Namen "Auhagen" gab.

Aber nur 6000 von 17 000 Flüchtlingen gelang es, zu entkommen, 9000 wurden "entrückt".

Arbeitsfreudige Elemente verließen den Staat, in dem die Symbole der städtischen und ländlichen Arbeit verherrlicht werden: Hammer und Sichel. Warum? Warum zogt ihr aus Rußland fort, dem Lande, das über maßlos vielen Raum und maßlos viele Schätze verfügt? Die Mäler der Rußlanddeutschen vermögen zu antworten: 1) Weil der bolschewistische Staat gerade das verurteilt, was dem Deutschen zu eigen ist: Persönlichkeit. 2) Weil der bolschewistische Staat gemäß seiner lebenswidrigen Weltanschauung die Sprache des Bluts (Rasse) und des Herzbluts (Religion) unterbindet, und den Boden, den Urgrund schöpferischer Kraft, enteignet. So landeten in den deutschen Flüchtlingslagern die Zeugen einer Macht, die das Natürliche und somit Göttliche verleugnet.

(Schluß folgt.)



 


 

 

 

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