Auf dem Möllner Friedhof, linker Hand des
Eingangs, steht ein Findling mit der Inschrift: "Hier ruhen
22 rußlanddeutsche Flüchtlinge. 1930."
Zwei eiserne Ketten umfassen zwei benachbarte Gevierte, in denen
die Brüder aus der Fremde namenlos schlummern. Eine in der
Kirche befindliche Tafel ergänzt das Mal auf dem Friedhof, eine
Tafel aus Eichenholz, die die Inschrift trägt: "Kommet her zu
mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch
erquicken, nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn
mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. - Gestiftet von
den dankbaren rußlanddeutschen Flüchtlingen. A. D. 1930."
Mäler reden. So die Ehrenmäler, so die Mäler mit der Jahreszahl
"1933". Seltene Mäler reden nicht zu jedermann,
reden nicht ohne weiteres, reden erst, wenn sie gefragt,
erforscht und verstanden werden.
Rußlanddeutsche? Deutsche, die nach Rußland auswanderten? Die
dann wieder im Reich weilten? Aber nur gastweise? - So fordern
die Mäler der rußlanddeutschen Flüchtlinge drei Fragen heraus:
1) Warum zogt ihr fort aus Deutschland? 2)
Warum bliebt ihr nicht in Rußland? 3) Warum
verließt ihr Deutschland zum zweiten Mal? - Oder genauer
geprägt: Wann und wie und warum wurdet ihr Rußlanddeutsche?
Warum und inwiefern mußtet ihr die in der Fremde erarbeitete
Scholle wieder aufgeben? Wolltet oder durftet ihr nur Gäste sein
im Reich eurer Väter?
Die Mäler vermögen nicht ohne weiteres zu antworten. Dem nur,
der aus deutschem Herzen heraus fragt und sich auf Grund dieser
Fragen in die deutsche Geschichte vertieft, wird Antwort zuteil,
dann aber eine Antwort, die über Eintag und Alltag hinausweist,
die als das Geständnis bitterer Vergangenheit zugleich eine in
die Zukunft verpflichtende Mahnung ist.
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In der Nähe der Stadt Bad Oldesloe befinden
sich zwei Mäler (wiederum Stein und Tafel), die auf die erste Frage hin eine
wesentliche Antwort erteilen. Es sind die beiden Menno-Mäler: der Menno-Stein
auf der Feldmark Wüstenfeld und die an der Menno-Linde bei Fresenburg
befindliche Tafel.
Wer war denn Menno? Menno Simons, 1492 in Witmarsum in Friesland
geboren, 1359 in Wüstenfeld verstorben, war ein Reformator, ein
Zeitgenosse Luthers. Er wirkte als Priester in einem friesischen Dorf.
1531 erschütterte ihn ein bitteres Erlebnis: ein gottesfürchtiger
Schneider wurde enthauptet, weil er ein Wiedertäufer war. Daraufhin forschte
Menno Simons in der Schrift, ob denn eine solche Tat sich rechtfertigen lasse,
und er erfuhr das Gegenteil. Fortab trat Menno Simons in die Öffentlichkeit
hinein, redete und predigte sowohl gegen die Irrlehren des Papsttums wie auch
gegen die Irrlehren der Wiedertäufer. Er rang um die Läuterung des Taufbegriffs
und setzte diesen Begriff schließlich dahin fest, daß eine Vergebung der Sünden
nicht DURCH die Taufe, sondern IN der Taufe durch den wahren Glauben zu erlangen
sei; darum könne die Taufe nur an wahrhaft Gläubigen vorgenommen werden,
Kindertaufe sei von vornherein dem Taufbegriff zuwider. Mennos Anhänger nannten
sich Taufgesinnte, später Mennoniten. Martin Luther konnte sich mit Menno Simons
ebenso wenig einigen wie mit Ulrich Zwingli; trennte hier die Abendmahlslehre,
so da die Tauflehre.
In Friesland und der Niederlande fand Menno Simons viele Anhänger. Was seine
Lehre von anderen protestantischen Lehren unterschied, war dreierlei; einmal:
die Taufe Erwachsener (denn der wahre Glaube wolle im Leben erkämpft werden);
sodann die Wehrlosigkeit (denn Jesus habe das Evangelium der Liebe verkündigt);
und endlich die Ablehnung des Eidschwurs (denn ein Christ habe nicht zu lügen,
Ja sei Ja, und Nein sei Nein). Wer kennt nicht die Ketzerverfolgungen Karls V.?
Die endlos Vielen, die verbrannt, erhängt, ertränkt wurden, waren zumeist
Mennoniten. Der Staat behandelte sie als Minderberechtigte, darum wanderten sie
ostwärts aus. Auch in Preußen wurden sie z. T. gesteinigt, ersäuft, verbrannt
oder lebendig begraben. Menno Simons verbrachte die letzten sieben Jahre seines
Lebens in Wüstenfeld bei Oldesloe, einer mennonitischen Siedlung, die hernach im
Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Menno Simons besaß eine eigene Druckerei;
der Drucker wohnte in dem Haus vor Fresenburg, das heute noch steht, die vor dem
Haus aufragende Linde soll durch Menno Simons gepflanzt worden sein.
Und dann der Schrecken der Religionskriege, die immer mehr bestes Blut forderten
und die bis dahin noch nicht beseitigten Ketzer in den Osten wiesen, in die
Memel- und Weichsel-Niederung. Durch einfache Lebensweise und Fleiß, auf Grund
der niederdeutschen Zähigkeit und der niederländischen Erfahrung, kamen sie zu
Wohlstand. Da stellten sich Neider ein, die den konfessionellen Trennungsgrund
vorschoben; und die Folge war, daß die Mennoniten, "die den Soldatenstand für
verboten achten", landesverwiesen wurden. Sie zogen
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in Gebiete der unteren Weichsel, die damals
polnisch waren. In der ersten polnischen Teilung fiel Westpreußen an Preußen
zurück, und damit waren die Mennoniten wieder preußische Untertanen. Friedrich
der Große, der da erlaubte, "daß jeder nach seiner Weise selig werden dürfe",
anerkannte die außerordentlichen Verdienste dieser ehrlichen, arbeitsamen,
tüchtigen Kolonisatoren und ließ die Mennoniten in Frieden. Anders der
Nachfolger, Friedrich Wilhelm II. Es ist eine leidige Tatsache,
daß, während die polnische katholische Geistlichkeit die Mennoniten in Ruhe
ließ, die preußische lutherische Geistlichkeit (unter dem alten Fritz hatte sie
sich noch nicht "empört"!) den keinesfalls vorbildlichen Friedrich Wilhelm
II. (schon im Jahre des Regierungsantritts, 1786!) zu
staatlichen Maßnahmen gegen die Mennoniten drängte. In diese Not hinein erscholl
eine rettende Botschaft osther. Kaiserin Katharina II. erließ
einen Aufruf zur Einwanderung nach Rußland und sicherte u. a. Glaubensfreiheit
und Befreiung vom Militärdienst zu. Hatte nicht schon Zar Peter der Große als
Schiffszimmermann in Holland gerade die Mennoniten schätzen gelernt? War nicht
sein Freund und Leibarzt Mennonit?
Die ersten 200 Familien wanderten 1788 in die
Ukraine aus, die erste Ansiedlung war Chortitza. Weitere Transporte folgten vor
allem in die Molotschna. Durch den vorbildlichen Fleiß der Mennoniten wurde die
Ukraine, bisher ein unerschlossenes Steppengebiet, zur Kornkammer Rußlands. Aus
den Mutterkolonien entwickelten sich Tochterkolonien an der Wolga, auf der Krim,
im Kaukasus und in Sibirien. Der Landbesitz der rußlanddeutschen Mennoniten (nur
der Mennoniten!) betrug vor Kriegsbeginn rund 1 400
000 Desjatinen = 15 295 QKM
(Schleswig-Holstein 15 035 qkm!). Die
rußlanddeutschen Mennoniten verfügten nicht nur über eigene Schulen und
Bethäuser, sondern u. a. auch über zwei eigene Lehrerbildungsanstalten, eine
eigene Handelsschule, 13 eigene, gehobene Zentralschulen usw.
Aber nicht nur Mennoniten, sondern auch Deutsche anderer Religionszugehörigkeit
wanderten aus religiösen Gründen nach Rußland aus, so z. B. aus dem
Württembergischen Angehörige der "Separierten evangelischen Brüdergemeinde". Im
Württembergischen hatten viele Gemeinden sich über die Herrschsucht ihrer
lutherischen Pastoren geärgert (es war zu der Zeit, als Schiller dort im
Württembergischen die Folter der Karlsschule auskostete!); sie wollten darum
keine Pastoren mehr haben und wählten sich ihre "Pfarrer" selbst nach
urchristlichem Vorbild. In ihrem Bekenntnis schlossen sich diese Gemeinden mehr
und mehr der Lehre Melanchthons an; sie huldigten dem apostolischen Kommunismus;
und als Rußland rief, zogen sie dorthin, zumal sie, dem Buchstaben der Bibel
hörig, aus dem Osten her den Beginn des tausendjährigen Reiches erhofften. Aber
auch in Rußland harrte ihrer der Zorn der orthodoxen lutherischen Kirche.
1843 wandte sich das Petersburger lutherische Generalkonsistorium an den
russischen Innenminister mit der Aufforderung, die separierten Brüder gewaltsam
in die lutherischen Kirchengemeinden hineinzuzwingen. Diese Aufforderung wurde
dem Zaren Nikolaus I. vorgetragen. Erfolg war damit nicht
verknüpft, im Gegenteil: die lutherischen Pastoren ernteten
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in Form einer Resolution eine Strafpredigt:
"Solange die Sektanten anstandslos alle ihre Bürgerpflichten erfüllen, sind sie
ohne jegliche Verfolgung in Ruhe zu lassen, die lutherische Geistlichkeit soll
nicht mit bürgerlichen (soll heißen: polizeilichen) Maßregeln, sondern durch
sittliche Einwirkung ihrer Lehre dahin wirken, daß ihre Herde mit Liebe und
Hingebung bei ihrer Konfession bleibe." Aber nach einem Menschenalter war dieser
Befehl vergessen. Kurz vor 1900 wurden die nicht nach Amerika
ausgewanderten separierten Brüder in die lutherische Kirche hineingezwungen,
stellenweise sogar (z. B. in Hoffnungstal, wie Professor Lindeman-Simferopol
berichtet) hineingepeitscht: auf Anforderung der lutherischen Geistlichkeit
erschienen Kosaken, die mit ihren Nagaiken die Rückkehr in den Schoß der Kirche
durchführten, damit die Einnahme der Pastorate sich mehre.
Aber nicht nur religiöse Beweggründe entschieden zur Auswanderung in das die
geistige Freiheit versprechende Rußland. Im Lauf der Jahrhunderte zwang mehr und
mehr die Raumnot. Und konnte nicht gerade Rußland den deutschen Volksüberschuß
gebrauchen? Hatte schon die Kaiserin Katharina mit der Kolonisation durch
Bulgaren schlechte Erfahrungen gemacht, so gaben die Nachfolger die weitere
Kolonisation durch Bulgaren auf. Desto unbedingter begünstigte man die
Einwanderung der Deutschen. Und die deutschen Kolonien entwickelten sich zu
Musterwirtschaften. Bei Kriegsbeginn wirkte über eine Million Rußlanddeutscher
in vorbildlicher Weise zu des russischen Staates Gunsten.
Deutsches Blut zum Wohl eines fremden Staatskörpers. Warum? Warum zogt ihr nach
Rußland aus, ihr deutschen Pioniere, ihr Eiferer? Die Mäler der Rußlanddeutschen
vermögen zu antworten: 1) Weil das deutsche Volk sich innerlich,
vor allem auf Grund der konfessionellen Zwiste, zerhaderte und gerade die
ehrlichsten Streiter nicht duldete. 2) Weil der deutsche Raum
schließlich als Lebensraum nicht ausreichte und besonders denen keinen Platz
mehr bot, die für ihre schöpferischen Kräfte ein Betätigungsfeld benötigten. So
zogen nach Rußland vor allem Bauern aus, aber auch Vertreter geistiger und in
jüngerer Zeit technischer Berufe.
2.
Der Weltkrieg zwang Rußlanddeutsche wider das Land der Väter und
entfesselte einen tragischen Gewissenskonflikt. Die Lage der Rußlanddeutschen
war von vornherein eine schwierige, weil die Deutschen nunmehr einem amtlichen
Haß unterstanden. Englische Diplomatie und englisches Geld hatte die russische
Einstellung Deutschland gegenüber umgeschmolzen. Kaiser Nikolaus bezeichnete
Deutschland am 4. August 1914 als "Erbfeind". Ende
1914 erhielt Innenminister Makaroff den Auftrag, die Vernichtung
des deutschen Grundbesitzes einzuleiten. Am 2. Februar 1915
und 13. Dezember 1915 folgten die beiden
berüchtigten Liquidationsgesetze; die Bereicherung der echten Russen war
Absicht, ein bedenklicher Griff in das Staatswohl war Folge. Pogrome blieben
nicht aus. 1916 gab Generalmajor Poliwanow eine Schmähschrift
heraus, in der er sagte: "Der heutige
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Deutsche, sei er östlich oder westlich
unserer Grenze, ist überall eine moralische Ausgeburt, ein Degenerant, eine
physische Person ohne moralischen Gehalt, ohne Ehrenhaftigkeit, ohne edle
Regungen, ohne Herz." Diese Broschüre wunderte laut Befehl des
Höchstkommandierenden Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch an die Front. Auf dem
Titelblatt stand zu lesen: "Das gelehrte (!) Komitee des Ministeriums der
Volksaufklärung erlaubt, diese Broschüre den Schülerbibliotheken der höheren
Volksschulen und der Dorfschulen einzureihen und betrachtet sie als sehr
nützlich für Volkslesehallen und Bibliotheken." Dies Hetzblatt erlebte acht
Auflagen! Da Zar Nikolaus zugleich geistliches Oberhaupt war, erstreckte sich
der Haß auch auf die Deutschen als Protestanten; sie wurden öffentlich als
"Heiden" bezeichnet. Hierin war besonders rührig der Bischof Eulogios, der die
Vertreibung der Deutschen aus Wolhynien veranlaßte und den Tod Tausender
Rußlanddeutscher seelenruhig auf sein Gewissen nahm und wenige Jahre später
(diese Ironie des Schicksals!) vor den Bolschewisten floh und in Deutschland,
dem Land der Heiden, die Gastfreundschaft genoß.
Waren die rußlanddeutschen Kolonisten, die Ableger des "Erbfeinds", die
"Heiden", tatsächlich charakterlos und minderwertig? 250 000
rußlanddeutsche Kolonisten standen im russischen Heer gegen Reichsdeutsche!
Russen desertierten, Rußlanddeutsche nie. Ist nicht diese unbedingte Treue,
sogar gegen Blutsbrüder (wer denkt nicht an die Nibelungensage!) ein nordisches
Heldentum, das auch vor der Tragik nicht zurückschreckt? Man bedenke: trotzdem
der Staat das Rußlanddeutschtum aus politischen Gründen drangsalierte, erfolgte
doch innerhalb des Heeres der Ehrlichkeit halber Beförderung und Ehrung in einem
Prozentsatz, der von den eigentlichen Russen nicht annähernd erreicht wurde. So
wurden z. B. von 113 zum Heeresdienst einberufenen Deutschen des
Dorfes Kronental 63 zu Unteroffizieren und Feldwebeln befördert
und 56 mit Georgsmedaillen und Kreuzen ausgezeichnet.
Wir Lauenburger wissen aus unserer eigenen Geschichte, daß es Augenblicke gibt,
in denen der eine oder andere deutsche Stamm versagt. Und wir, die wir vom
Zweiten ins Dritte Reich uns hineinkämpften, wissen, daß es Gelegenheiten gibt,
in denen die Taktik über den Gebrauch der Mittel entscheidet. Die
rußlanddeutschen Mennoniten, die gewissermaßen eine Sonderstellung einnahmen
(nun in der Kriegszeit auch durch den Kriegsdienst in der Etappe, vor allem als
Sanitäter), versuchten sich als eingewanderte "Holländer" auszugeben, um vor der
Drangsal bewahrt zu bleiben. Es ist Tatsache: bis in die Zeit des alten Fritz
hinein bedienten sich die Mennoniten im Weichselgebiet der holländischen
Sprache, auch in den Kirchen. Es steht aber auch fest, daß zu dem Urstamm aus
der Niederlande ein außerordentlicher Zuwachs aus niedersächsischem Blut stieß,
schon auf hannöverscher und holsteinischer Erde (verlebte doch Menno Simons
seine letzten Jahre im Holsteinischen), mehr aber innerhalb der niedersächsisch
(und niederfränkisch usw.) kolonisierten Weichsel- und Memellandschaft. Wird das
nicht schon durch die Namen der rußland-
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deutschen Mennoniten verbürgt? Neben den
vielen westfriesischen Namen (Janzen, Klassen, Dirksen, Kornelsen, Thießen) und
flämischen Namen (Dyck, Isaak) auch viele schlechthin deutsche und vor allem
niederdeutsche (Hildebrandt, Gerbrandt, Giesbrecht Albrecht, Rempel, Reimer,
Harder, Wedel, Lange, Bartels, Behrens, Peters, Harms, Boldt usw.), Namen, die
z. T. durch das Weichselplatt eine veränderte Schreibweise erhalten haben, im
übrigen aber auch in Lauenburg zu Hause sind (Ekkert = Eggert, Fröse = Freese,
Kliever = Klüver, Kröker = Kreeker, Töws = Tews). Und im übrigen: warum denn
diese Selbststempelung zum Holländer? Als die holländischen Mennoniten Holland
verließen, war Holland noch dem Deutschen Reich zugehörig, das bekanntlich erst
1648 infolge des unglückseligen Dreißigjährigen Krieges verloren
ging. Man stelle sich's vor, es wäre nach dem Weltkrieg dem Separatismus
gelungen, die Rheinlands und die Pfalz zu "verselbständigen", dürften dann die
etwa in Ratzeburg wohnhaften Familien, deren Vorfahren zu Napoleons Zeiten die
Pfalz verließen und im Lauenburgischen heimisch wurden, sagen, sie seien keine
Deutschen? Umgekehrt: wir würden dann die in der Pfalz usw. Zurückgebliebenen
als Auslandsdeutsche bezeichnen! Ebenso stellten andere Rußlanddeutsche ihre
schweizerische Herkunft fest. Schön, aber waren und blieben sie nicht rassisch
deutsch? Auch die Schweiz gehörte, wie Holland, bis 1648 zum
Reich! Es steht unbestreitbar fest: die rußlanddeutschen Mennoniten waren
vollwertige Deutsche. Nur an einer Statt und zu einer bestimmten Zeit war etwas
fremdes Blut in das niederdeutsche, schwach alemannisch durchsetzte Blut
hineingedrungen: im 18. Jahrhundert an der Weichsel, als
vereinzelte polnische Familien zum mennonitischen Bekenntnis übertraten (z. B.
Rogalsky). Auf russischer Erde, und das ist hoch anzuerkennen, erfolgte keine
fremde Blutszufuhr.
Übrigens: gerade dieser rassischen Treue halber wurden die rußlanddeutschen
Mennoniten von dem scheinbar ungerechten Schicksal heimgesucht. Woher der große
Prozentsatz schwächlicher Nachkommen? Warum mußten die Mennoniten eine eigene
Nervenheilanstalt, eine eigene Taubstummenschule, ein eigenes Waisenhaus
einrichten? Weil die in der Fremde notwendig gewordene Inzucht (Inzucht auch auf
Grund der besonderen Konfession!) sich rächte. Sind auch die meisten Todesfälle
rußlanddeutscher Flüchtlinge Folgen der körperlichen und seelischen Drangsal,
die rassische Abschwächung schuf eine wesentliche Voraussetzung. Die Zahl der
Toten ist unter den Mennoniten prozentuell höher. So künden denn die Mäler der
Rußlanddeutschen: Wehe dem Blut, das in der Fremde verkrustet und aus der Heimat
heraus nicht aufgefrischt wird.
War schon die Kriegszeit eine Zeit der Prüfung und vielerorts der Pein, die
Nachkriegszeit entwickelte sich zur wahren Folterung. Welcher Reichsdeutsche
kennt nicht die Schrecknisse, in die hinein der Bolschewismus den Osten
getrieben hat! Welcher Lauenburger und insbesondere Möllner kennt nicht aus dem
Mund der Flüchtlinge heraus die Not der rußländischen Blutsbrüder? Der tätige
Bauer wurde als Kulak, als Blutegel bezeichnet, und die Entkulakisierung
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wurde als Pflicht bezeichnet zum Wohl der
Proletarier. Die Köpfe mußten rollen, damit die restverbliebenen Herdenmenschen
willig würden. In der Machno-Zeit *) z. B. wurde das Dorf
Eichenfeld mit Mann und Weib und Kind restlos ausgeschlachtet und zerstört.
18 000 Rußlanddeutsche zogen damals schon nach Kanada.
Welches Volksgut der russische Körper ausschied, mag eine nüchterne Tatsache
belegen: In den von der Hungersnot im Winter 1921/22
besonders betroffenen Gebieten starben Hungers in den Tatarendörfern 50
%, in den Russendörfern 20 %, und die deutschen Dörfer verloren
niemanden Hungers halber, im Gegenteil, sie versorgten die flüchtigen und
bettelnden Tataren und Russen. Weil das deutsche Bauerntum überragte und
Musterwirtschaften führte, darum mußte es geknickt, zermürbt und ausgerottet
werden. Denn den Druckknopf der bolschewistischen Politik beherrschte das
auserwählte Volk, das außer sich kein Volk anerkennt, sondern nur eine
Menschheit, eine Masse Mensch, die als Maschine widerstandslos gehorcht.
1931 noch, nachdem der verjudete Lenin gestorben und der Jude Trotzky
ausgewiesen worden war, nachdem der Armenier Stalin den Fünfzack übernommen
hatte, hatten die Juden die Herrschaft in Händen, sind sie doch die Berufenen,
so lange der Bolschewismus die berufene Staatsform ist. 1931 waren
z. B. im Rat der Volkskommissare von 22 Mitgliedern 17
Juden, im Rat der Kriegskommissare (man staune!) 33 von 43,
im Justizkommissariat (natürlich!) 20 von 21, im
russischen Roten Kreuz (Kreuz!) 8 von 8 usw.,
insgesamt 191 von 230. Von den Führern des Sowjets
waren damals rassisch gesehen: 34 Letten, 30 Russen (!!), 12
Armenier, 10 Deutsche (!) und 447 Juden!!
1927 setzte unerbittlicher Radikalismus ein. Der freiheitliche
deutsche Bauer sollte Freiheit sowohl im Tun wie sogar auch im Denken
preisgeben. Aber er wollte kein Sklave werden, auch nicht der seelenlosen
materialistischen Weltanschauung. Deutsches Blut, deutscher Glaube schrie! Aber
wohin? Die Sowjetunion zählte damals noch nach den Abgängen durch die
Revolutionskämpfe und die ersten Auswanderungen rund 1,2 Millionen
deutsche Kolonisten, eine Ziffer, die dem zwölften Teil des deutschen
Bauernvolks gleichkommt. Also in der Sowjetunion lebten mal so viele deutsche
Bauern, wie in Schleswig-Holstein und Mecklenburg insgesamt. Wohin? Ins Land der
Väter, das keinen Platz hat und das, wie die russische Regierung siegesbewußt
versichert, demnächst vom Kommunismus unterjocht wird? Oder nach Amerika, vor
allem nach Kanada? Oder aber hinein in die Kollektive und die Gesinnung
preisgeben? Oder in die Konzentrationslager? Im Spätsommer 1929
entlud sich der Auswanderungsdrang elementar: hinüber nach Amerika, nach Kanada,
jedenfalls hinaus aus Rußland, unbedingt und unter Verlust aller Habe. 17
000 Rußlanddeutsche sammelten sich vor den Toren Moskaus und
harrten der Stunde der Erlösung. Da griff die GPU. ein, nachts wurden die
Menschen auf Lastautomobilen davongeschleppt und dann mittels plombierter
Güterwagen in die Heimat oder in die Verbannung überführt,
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*) Machno war Bandenführer der "Schwarzen Armee", die neben der
Grünen, Weißen und Roten Armee bestand.
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andere wieder wurden in den Moskauer Kellern
beseitigt. Warum denn wurden die Auswanderer, die den Paß in Händen hatten
(Preis zwischen 440 und 110 RM. pro Kopf!), nun
aufgegriffen und zurückgebracht? Einmal, damit die Welt nicht die Wahrheit
erfahre, sodann (hatten die rußlanddeutschen Auswanderer doch ihr Eigentum
aufgegeben!), um diese sklavisch billigen Arbeitskräfte bis zum Verbluten zu
verwerten. Da aber erschien ein Retter, der in Moskau tätige Professor Auhagen,
der die deutsche Regierung erfolgreich bearbeitete. Hindenburg sicherte Hilfe
zu. Am 25. November 1929 faßte daraufhin der
Deutsche Reichstag den Beschluß, den vor Moskau lagernden Rußlanddeutschen
Erlaubnis zur Einreise zu geben und für weitere Versorgung aufzukommen. Die
deutsche Regierung rechnete damit, daß die kanadische Regierung in Kürze den
Zuzug erlauben würde. Die Rußlanddeutschen Amerikas vergessen diesen Tag nicht.
Dankerfüllt wird er alljährlich gefeiert, mit demselben Gefühl des Dankes, das
zwei rußlanddeutschen Kolonistendörfern in Brasilien bzw. Paraguay den Namen
"Auhagen" gab.
Aber nur 6000 von 17 000 Flüchtlingen
gelang es, zu entkommen, 9000 wurden "entrückt".
Arbeitsfreudige Elemente verließen den Staat, in dem die Symbole der städtischen
und ländlichen Arbeit verherrlicht werden: Hammer und Sichel. Warum? Warum zogt
ihr aus Rußland fort, dem Lande, das über maßlos vielen Raum und maßlos viele
Schätze verfügt? Die Mäler der Rußlanddeutschen vermögen zu antworten: 1)
Weil der bolschewistische Staat gerade das verurteilt, was dem Deutschen zu
eigen ist: Persönlichkeit. 2) Weil der bolschewistische Staat
gemäß seiner lebenswidrigen Weltanschauung die Sprache des Bluts (Rasse) und des
Herzbluts (Religion) unterbindet, und den Boden, den Urgrund schöpferischer
Kraft, enteignet. So landeten in den deutschen Flüchtlingslagern die Zeugen
einer Macht, die das Natürliche und somit Göttliche verleugnet.
(Schluß folgt.)
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