Wiesenschmätzer.
Mein buntes Buch. Von
Hermann Löns. Mit 155 Naturaufnahmen von
Hermann Fischer-Braunschweig. Adolf Sponholtz Verlag,
Hannover. In Leinen geb. 4,80 RM. - "Mitten im
kahlen, verschneiten Felde steht die Dieme groß und breit
da, und so protzig, als sei sie stolz auf die weiße Haube,
die ihr der letzte Schneefall verehrt hat.
Hundert Schritt von ihr führt der Weg entlang, der von der
Vorstadt nach dem Walde führt, und auf dem tagtäglich viele
Menschen hin und her gehen. Kaum einer von ihnen sieht nach
ihr hin. Was ist denn auch weiter daran zu sehen? Es ist ja
nur ein Haufen von gedroschenem Stroh.
Das ist wohl wahr. Aber sie ist doch mehr, als nichts und
weiter nichts, als ein Haufen toten Strohes. Sie ist eine
Herberge und Schlafstätte für vielerlei Getier, das da
entweder sein heimliches Leben führt oder ohne Besinnung die
harte Zeit verträumt, bis im Frühling, wenn die Dieme
abgebaut wird, die Sonne das, was unter ihr schläft,
aufweckt.
Schon im Vorherbst, als die Dieme eben gerichtet war und die
ersten rauhen Winde und kalten Güsse über das Land gingen,
rettete sich alles, dem es auf dem Felde zu kalt und zu
zugig wurde, zu ihr hin, große und kleine Laufkäfer, Fliegen
und Wespen, Kurzflügler und Ohrwürmer, Raupen und
Eulenfalter, Asseln und Tausendfüße, Spinnen und Milben,
Springschwänze und Erdflöhe. Sie alle krochen unter die
unterste Strohschicht, krabbelten dort noch eine Weile umher
und fielen, als der Frost einsetzte, in Schlaf.
Zu gleicher Zeit kamen die Mäuse angerückt, rötlichgraue,
schlanke Waldmäuse, die schönen zimtbraunen, auf dem Rücken
mit einem schwarzen Aalstrich geschmückten Brandmäuse, die
zierlichen Zwergmäuse, die plumpen, kurzschwänzigen
Feldmäuse. Sogar Ackerspitzmäuse stellten sich ein, denn
Fraß für ihre spitzen Zähne boten die vielen schlafenden
Kerbtiere zur Genüge, auch wurde mehr als eine kranke und
schwache Maus ihre Beute."
*
Diese Naturschilderungen sind
wohl das Vollendetste, was Löns je gelungen ist; mit den
vorzüglichen Bildern zu einer wohlabgestimmten Einheit
verschmolzen, werden sie jedem Natur- und Heimatfreunde ein
köstlicher Schatz sein. Hier mit freundlicher Erlaubnis des
Verlages ein verkleinertes Bild und eine Textprobe.