Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1936



Franziska Sibylla Augusta, Markgräfin von Baden,
geborene Prinzessin von Sachsen-Lauenburg, 1675-1733.

Von PETER HIRSCHFELD.
 

Während die bekannteren Porträts die badische Markgräfin aus dem Hause Sachsen-Lauenburg in der strengen Witwentracht ihres Alters zeigen, entstand der Kupferstich (s. Abb.) im Jahre 1696, sechs Jahre nach der Vermählung der fünfzehnjährigen Prinzessin mit Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, dem Sieger in vielen Türkenschlachten 1). Sibylla Augusta steht im reichen Brokatkleid auf einer Terrasse des Schlosses Schlackenwerth in Böhmen vor dem von ihrem Großvater, Herzog Julius Heinrich von Lauenburg, seit etwa 1630 angelegten berühmten Garten. Ihre rechte Hand spielt mit dem Fächer, während sie den Kopf unter der bizarren Haube mit einer reizenden Mischung von Nachdenklichkeit und Aufgewecktheit zur Seite wendet. Die Kette aus 33 besonders großen Perlen am Halse der

_______________

1) Wichtige Hinweise für den vorliegenden Aufsatz verdanke ich der Freundlichkeit von Herrn Landesarchivar Siegfried Schellbach in Mustin. - Neuere Lit. über Sibylla Augusta: Rud. Sillib, Schloß Favorite u. d. Eremitagen d. Markgräfin Sib. Augusta, 2. Aufl. Heidelberg 1929. - Anna Maria Renner, Die Schloßkirche zu Rastatt (ungedr. Heidelberger Diss. 1933); die Verf. bereitet ausführliche Arbeiten über Sib. Augusta und über den Garten zu Schlackenwerth vor. - W. Dührsen, in Archiv f. d. Gesch. d. Herzogthums Lauenburg, 3. Bd., Heft 3 (1892) 65 ff.


1936/2 - (41)

1936/2 - unp. recte



Phot: Bad. Landesamt f. Denkmalpflege.

Franziska Sibylla Augusta, Markgräfin von Baden,
geborene Prinzessin von Sachsen-Lauenburg.


1936/2 - unp. recte


1936/2 - unpag. verso
 

[UNBEDRUCKT]
 

1936/2 - unpag. verso


1936/2 - 31

jungen Markgräfin ist aus den Inventaren der "Schlackenwerther Pretiosen" bekannt; sie gehörte zu der 1690 unter die beiden Töchter verteilten Hinterlassenschaft des letzten Herzogs von Lauenburg, Julius Franz.

Schon früh wirkten die verschiedensten Kulturkreise auf Sibylla Augusta: der Sachsen-Lauenburgischen Herzogsfamilie, einem Zweige der alten Askanier, entstammend war die Prinzessin auf den großen böhmischen Besitzungen der wieder katholisch gewordenen Lauenburger aufgewachsen. Durch ihre Heirat 1690 mit dem badischen Markgrafen, den der Volksmund den "Türkenlouis" nannte, trat sie in Verbindung mit den westlichen Grenzlandschaften Deutschlands und ihren wechselnden Schicksalen - eigentlich erst einige Jahre später, denn 1689 waren die baden-badischen Residenzen Baden-Baden und Ettlingen von den Franzosen zerstört worden, und das junge Paar wohnte in Schlackenwerth oder in Augsburg, Nürnberg, Günzburg, bevor von 1698 an in der Rheinebene Rastatt als neue Residenz ausgebaut wurde.

Vielleicht geben die starken Gegensätze der Milieus, in denen die Markgräfin lebte, auch eine Erklärung für ihre wechselnden Stimmungen, deren Deutung den Chronisten schwer gefallen ist. Aber den Schlüssel zu der scheinbar rätselhaften Tatsache, daß Sibylla Augusta gleichsam mehrere Leben in unmittelbarer Folge zu führen vermochte, liegt wohl in der im Gegensatz zu späteren Jahrhunderten damals viel größeren Farbigkeit und Intensität des Daseins. Die Markgräfin besaß eben im stärksten Maße diese beiden Kennzeichen des barocken Zeitalters, mit dessen architektonischen Zentren um 1700: Frankreich und Böhmen-Oesterreich, sie in Verbindung stand. Was sie tat, das führte sie mit Temperament und Ausschließlichkeit durch, und wenn am Hofe der schon 1707 Verwitweten Wochen zauberhafter Feste mit Wochen strengster Bußübungen sich seltsam ablösten, so darf man das nicht als Zeichen von Wankelmütigkeit nehmen, sondern im Gegenteil als Beweis für eine Originalität, deren innere Lebendigkeit sich gerade in dem möglichen Wechsel der Daseinsformen zeigte.

Das Temperament der Markgräfin bestimmte auch die Art ihrer Religiosität. Hier unterschied sie sich von der zweiten Prinzessin aus norddeutschem Hause, die zu jener Zeit in der Nähe des 1715 gegründeten Karlsruhe residierte: der Augusta Maria von Baden-Durlach aus dem Hause Holstein-Gottorf. Die protestantische Religiosität der Gottorferin war eher auf das praktische Wirken gerichtet; sie stellte nur christliche Bücher in ihrer Bibliothek auf und sorgte für den Druck von Luther-Bibeln und Gesangbüchern. Mit ihrer katholischen Verwandten stand sie in so freundschaftlichen Beziehungen, daß sie ihr in Rastatt ihr Testament zur Aufbewahrung übergab 2).
 

Schloß Favorite bei Rastatt.    Phot: W. Kratt, Karlsruhe.
 

Noch heute verraten Sibylla Augustas wohlerhaltene Bauten auf ihrem 1711 angelegten Lieblingssitz Favorite bei Rastatt die beiden Pole, zwischen denen sich ihr Leben bewegte. Neben dem dreiflügelig um einen dreigeschossigen Mittelsaal angeordneten Schloß, dem der
_______________

2) Karlsruhe, Generallandesarchiv, Haus- u. Staatsarchiv I Personalien, Augusta Maria 9 A. Den Beamten danke ich für frdl. Hilfe .- Vgl. H. Rott, Kunst u. Künstler am Baden-Durlacher Hof, Karlsruhe 1917, 141, Anm. 1, 4.
 

1936/2 - 31


1936/2 - 32


Wandbewurf aus farbigen Kieseln ein südlich-heiteres Gepräge gibt, ließ sie sich eine düstere Eremitage errichten, um hier auch in klösterlicher Einsamkeit leben zu können. Das Schloß schmückten außer erlesenen Chinoiserien und all den graziösen Dekorationen der Watteau-Zeit 40 Porträts der Markgräfin in den Kostümen ihrer Maskenfeste - in dem mit Baumrinde verkleideten Innenraum der Eremitage standen nur "etliche ohne Kunst gearbeitete Statuen des Herrn Christi, Josephs und Mariä, ein schlechtes Bette ohne Vorhänge, ein Altar ohne Zierrathe"; es war eine "zur geistlichen Betrachtung bequeme Einöde", wo Sibylla Augusta nur von den Statuen umgeben lebte.

Diese Beschreibung der Eremitage gibt Johann Georg Keyßler, der gelehrte Erzieher und Reisebegleiter des Grafen Johann Hartwig Ernst Bernstorff, späteren Besitzers der Lauenburgischen Güter Wotersen und Stintenburg, wo Keyßler am 22. 6. 1743 starb und in der Bernstorff'schen Gruft in Lassahn beigesetzt wurde. Im September 1729 hatte er mit den Brüdern J. H. Ernst und Andreas Gottlieb Bernstorff die Markgräfin in Favorite besucht 3), wo die Schloßherrin den Gästen die "unterirdischen Einrichtungen" von Küche und Keller ebenso bereitwillig zeigte wie ihre virtuosen Achatmalereien. Alle diese Züge vervollständigen das Bild dieser ungewöhnlichen Frau, die in zwanzigjähriger Regentschaft für ihren Sohn ihr in endlosen Kriegen schwer mitgenommenes Land zu neuem Wohlstand zu führen wußte. Sie war eine Herrscherin im wahren Sinne des Wortes, ebenso wie der Freund ihres Alters, der Fürstbischof von Speyer, Damian Hugo von Schönborn, Erbauer des nahen Schlosses zu Bruchsal, der als seine "Recreation" zwischen den religiösen Aufgaben und den Amtsgeschäften "die Setzung eines Risses oder neuen Zimmers" bezeichnete 4). Für diese kräftigen Menschen des späten Barock waren die Äußerungen des religiösen und des künstlerischen Gefühls mit dem Ablauf des täglichen Lebens noch ganz natürlich vereinbar. Wie anders war es schon geworden, als am Ende des 18. Jahrhunderts etwa die seltsame, auch in Eutin und Emkendorf bekannte Fürstin Adelheid Amalia Gallitzin im Kreise der Münsteraner "Erwecker-Bewegung" gegen die Aufklärung kämpfte! Vielleicht ist es die inzwischen entstandene, abschwächende Gefühlsart der Sentimentalität, die diese beiden in manchen Zielen verwandten Fürstinnen doch wie durch eine Welt getrennt scheinen läßt. -

Nur ein Ausschnitt aus dem Wirken der letzten Lauenburgischen Prinzessin kann noch etwas eingehender geschildert werden: Sibylla Augustas Verhältnis zu den verschiedenen Künsten. Am bekanntesten sind die BAUTEN, die sie durch ihren aus Böhmen stammenden Architekten Johann Ludwig Michael Rohrer (1683-1732) aufführen ließ. Die Schwere des böhmischen barocken Palais-Stils verbindet sich in seinen Werken mit französischer und italienischer Grazie zu einem eigenartigen Ganzen. Außer einer Reihe von Kirchenbauten beendete Rohrer die von dem Italiener Domenico Egidio Rossi be-

_______________

3) J. G. Keyßler, Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn ... 3. Aufl. 1776. Bd. I, 107 ff., XXXV.
4) Freiburger Diöcesan-Archiv, neue Folge 16 (1915) 151 ff.
 

1936/2 - 32


1936/2 - 33


gonnenen Schlösser Rastatt und Scheibenhardt und errichtete nach eigenen Entwürfen vor allem im Jahr 1711 das Schloß Favorite, dem 1717 die Eremitage folgte. Die ländliche Favorite, in einem großen Garten zwischen Rastatt und Baden-Baden gelegen, enthält zur ebenen Erde eine mehrbogige Einfahrt; unmittelbar in das darüber befindliche Wohngeschoß führt vom Garten aus die mächtige Freitreppe (s. Abb.). Bis in ihre letzten Lebenslage kümmerte sich die Markgräfin um alle Baufragen. Einer der hervorragendsten Architekten der Zeit, der berühmte Balthasar Neumann, dessen Mitwirkung den meisten großen Bauten Südwestdeutschlands zugute kam, besichtigte beratend 1728 ihr "vorhabendes Bauwesen zu Ettlingen" 5). Im Winter 1731 meldete Neumann seinem Herrn, dem Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn, nach Würzburg, daß Sibylla Augusta in Bruchsal au einer Besprechung der Pläne für die Würzburger Residenz teilqenommen habe 6). Ihr Architekturverständnis wurde auch von bauerfahrenen Männern nicht verachtet.

Auch für die Aufgaben der MALEREI zog die Markgräfin böhmische Künstler nach dem Westen, so die vielseitige Familie Lill oder Lihl. Der Hofmaler Heinrich Lihl (1690-1756), der u. a. Jagdbilder für das Schloß Scheibenhardt malte, war der Sohn des aus Schlackenwerth nach Rastatt gekommenen Hofgärtners Georg Lill. Zweifellos hängt die im 18. Jahrhundert in Lauenburg und Kopenhagen ansässige, katholische Familie Lill oder später Lillie, aus der Joseph Christian Lillie (1760 -1827) - Erbauer des Herrenhauses Gudow in Lauenburg - stammte 7), mit dieser böhmisch-badischen Familie zusammen. Lillies Großvater, Matthias Lill, gestorben 1750 als Gärtner in Lauenburg, war vielleicht ein älterer Bruder des Rastatter Hofmalers und durch Sibylla Augusta, deren mannigfaltige Verbindungen für den Austausch von Künstlern und Handwerkern zwischen den einzelnen Landschaften wichtig waren, nach dem Norden gekommen. - Den Maler der Deckengemälde in der von ihr erbauten Rastatter Schloßkapelle. Johann Hiebel, rief die Markgräfin ebenfalls aus Böhmen; mit der Ausmalung der Ettlinger Schloßkapelle beauftragte sie 1732 den bekannten Münchener Freskenmaler Cosmas Damian Asam. Der größere Teil dieser Werke ist noch heute erhalten.

Sibylla Augusta wucbs zwischen den reichen KUNSTSAMMLUNGEN auf, die ihre kunstliebenden Vorfahren, besonders ihr Großvater Herzog Julius Heinrich von Lauenburg, seit 1630 auf den böhmischen Schlössern vereinigt hatten. Als Fünfzehnjährige erbte sie einen Teil der Gemälde und die "Schlackenwerther Pretiosen" 8). Das erhaltene Inventar aus dem Jahre 1690 "über dasjenige Gold,
_______________

5) H. Rott, Bruchsal, Quellen, Zeitschrift f. Gesch. d. Archit., Beiheft 11 (1914) 65.
6) K. Lohmeyer, Die Briefe Balthasar Neumanns an Fr. C. v. Schönborn, 1921, 25.
7) J. v. Welck. Joseph Christian Lillie, in Ztschrft. d. Vereins f. Lübeckische Gesch. u. Altertumskunde XXVIII (1935) 103 ff.
8) Anton Gnirs, Das ehem. herzogl. Sächsisch-Lauenburgische .. Amtsarchiv aus dem Schlosse zu Theusing in Böhmen. Brünn 1933, 159. - Inventare im Karlsr. G. Landesarchiv a. a. O., Sibylla Augusta 11 A, 12, 12 A.

1936/2 - 33


1936/2 - 34

Kleinodien und Silber Geschmeid, auch Schildereyen, Kunstwerks und anderer Mobilia, welche in denen Schlössern Schlackenwerth und Reichstadt .. auf Ihre Durchlaucht Frau Markgräfin Francisca Sibylla Augusta Antheil kommen" zählt z. B. 67 Gemälde auf, unter denen "ein Mutter Gottes Bild sambt dem Kind in einem Altärlein von Albrecht Dürer" mit der ungewöhnlich hohen Summe von 4000 Talern eingesetzt war. - Über die als Fideikommiß zusammengehaltenen "Pretiosen" geben am besten die späteren Inventars von 1771/75 Auskunft, die Kaiser Joseph II. - von Sibylla Augustas ohne männliche Erben gestorbenem Sohn als Testamentsvollstrecker eingesetzt - aufstellen ließ. Neben der schon genannten Perlenkette erscheint eine unübersehbare Fülle kostbarer Diamanten, Brillanten, Schmucksachen; Gefäßen aus Gold, Silber, Onyx, Bergkristall, Jaspis. Hervorzuheben ist ein Satz von acht Silberbechern, genannt "der Favoriter Willkumm", auf denen Ansichten der acht böhmischen Besitzungen der Markgräfin eingraviert waren, während der mittlere Aufsatz ihr Porträt trug. Vom 8. bis 16. Mai 1775 wurden diese Schätze im Amtshaus zu Offenburg i. B. versteigert und nach dem Protokoll durch Handelsleute und Juweliere aus Paris, Straßburg, Metz, Karlsruhe, Mainz in alle Winde zerstreut. Unter den wenigen privaten Sammlern trat auch der Herzog von Orleans, der spätere "Philippe Egalité", als Käufer auf. Unverkauft blieb wie eine Darstellung der Melancholie von Lucas Cranach auch Dürers schon erwähntes, prächtiges Bild der heiligen Jungfrau mit dem Jesuskinde, auf Holz gemalt, 22 Zoll hoch und 17 1/4 Zoll breit ... mit seinem Namen und der Jahreszahl 1523". Nur vereinzelte Stücke der Sammlung sind noch nachweisbar, die beiden Gemälde sind verschollen 9).

Besondere Beachtung verdient die bedeutsame Rolle, die der MUSIK, wie stets am Hofe der Markgrafen von Baden-Baden, so auch zur Zeit Sibylla Augustas zufiel. Hofkapellmeister war vom Ende des 17. Jahrhunderts an der ungewöhnlich originelle Johann Caspar Ferdinand Fischer 10), von dem wir leider weder das Geburtsjahr noch den Geburtsort wissen. Hochbetagt starb er 1746 in Rastatt. Seine ersten gedruckten Kompositionen, geschrieben für Trompeten, widmete er 1695 in Augsburg dem siegreichen Türkenlouis. Als opus II erschienen 1696, also im gleichen Jahr, in dem der Porträtstich der Markgräfin enstand, in Schlackenwerth "les pièces de

_______________

9) Das nach der 1775 genau gelesenen Bezeichnung doch wohl echte Dürer­Bild ist besonders interessant, da sonst zwischen 1521 und 1525 keine Gemälde von ihm bekannt sind. (Ed. Flechsig, Albrecht Dürer, Bd. I, 1928, 428). - Vgl. den wichtigen Aufsatz von M. Schmidt, Kostbarkeiten aus d. Besitz der Herzogin Sib. Augusta, in Archiv d. Vereins f. d. Gesch. d. Herzogthums Lauenburg, 7. Bd., Heft 2 (1903) 42 ff. Die dort angeführte Quelle "Almanac génélogique" von 1779 geht sicherlich auf das nicht mehr aufzutreibende "Verzeichnis derjenigen seltenen Edelsteine ... und Malereyen, welche zu Offenburg am 8. 5. 1775 ausgeboten wurden," zurück, das J. Lorenz 1775 in Straßburg druckte. - Einen Aufsatz über den Verbleib einzelner Stücke bereitet Herr Geh.Rat DR. Obser vor, dem ich für seine Mitteilungen danke.

10) Am besten unterrichtet E. v. Werra, Johann Caspar Ferdinand Fischer, Sämtliche Werke für Klavier und Orgel, Leipzig 1901, Vorwort. Dort Wiedergabe der Titelblätter und Widmungen. Den Hinweis verdanke ich Frau Rita Hirschfeld.
 

1936/2 - 34


1936/2 - 35

Clavessin", die Fischer zum Neujahr 1798 neu herausgab und als "musicalisches Blumenbüschlein" der Markgräfin Sibylla Augusta zueignete. "Ich getraue mir aber nicht", sagt Fischer in der reizenden Widmung, "Dero Hochfürstliches Cabinet mit Trompeten und Geigenschall zu beunruhigen' sondern ich praesentire hiemit eine etwas stillere Music, und gegenwärtige allein auf das Clavicordium eingerichtete Parthyen als Blumenbüschlein in dero Cabinet aufzustellen ich umb so mehr die Erlaubnis nehme, weillen Euer Durchlaucht als eine kunstreiche Minerva selbsten daraus die Prob machen und aus vielen das Beste erwählen können". - Der Zauber dieser Kompositionen zeigt sich in der Tat nur, wenn sie auf dem Klavicord als dem vorgeschriebenen Instrument gespielt werden.

Auch für die musikalische Ausbildung von Sibylla Augustas Enkelin Elisabeth Augusta wurde gesorgt, als sie achtjährig 1734 zur weiteren Erziehung in das Stift Essen kam. Wie aus einem Schreiben der Pfalzgräfin bei Rhein, Francisca Christina, Aebtissin der Kaiserlichen Freiweltlichen Stifter Essen und Thorn, hervorgeht, lernte die Prinzessin dort "dantzen, singen und das claveßin schlagen mittels Bezahlung monathlich von 2 1/2 Gulden" 11). So konnte der alte Fischer der Zwölfjährigen schon 1738 "als einer selbst wohlerfahrenen und geneigten Music Patronin" seinen "musicalischen Parnassus" widmen, eine nach den neun Musen gruppierte und ihren Charakteren angepaßte Folge von 9 Suiten.

Unter den von Sibylla Augusta veranstalteten Festen zeichnete sich die Einweihung des wiederhergestellten Ettlinger Schlosses im Jahre 1729 aus. bei der 21 Hofmusiker mit Geigen, Gamben, Baß, Harfe, Dudelsack, Flöten, Triangel, Hackebrett, Bettlerleier in chinesischen Kostümen konzertierten. Sicherlich war die Musik zu dieser originellen Chinoiseric von Fischer; wie alle seine Opern und Gelegenheitswerke, ist sie leider verloren. Der Verleger seiner Kompositionen, Johann Christian Leopold in Augsburg, hat aber wenigstens das spielende Orchester in einem lustig und elegant gestochenen Blatt festgehalten 12).

Sibylla Augusta hat als letzte Prinzessin von Sachsen-Lauenburg noch einmal alle Fähigkeiten und Begabungen ihres alten Hauses in ihrer Persönlichkeit vereint. Sie verdient, wie in Baden, so auch in Lauenburg heute noch unsere Bewunderung.

_______________

11) Karlsr. G. Landesarchiv a. a. O. Elisabeth Augusta, Nr. 4324.
12) "Acurate Representation des Festins, welches ... Fr. Sibylle Augusta im .. Schloß Ettlingen Anno 1729 gegeben." Abgebildet bei R. Sillib, Schloß Favorite, 1929, Tafel XVI.

 


 


 

 

 

*