Die sommerlichen Tage
stehen unter der Herrschaft der Sonne. Alle Lebenskräfte
schaffen sieghaft. Schwellendes Fruchten, glühendes Reifen,
sattes Ernten folgen einander. Doch diesem steigenden Leben ist
zugleich der Tod verhaftet. Allmählich ermattet das
Himmelsgestirn, der Sonnenbogen sinkt abwärts, dämmernde
Herbstnebel steigen, dunkler und dunkler wird die Welt. Die
Natur beginnt zu ersterben, und im Julmond droht der Tag zu
erliegen und die Nacht zu siegen. Da endlich - das ewig neue
Wunder: das Sonnenrad steht still. Kein Abnehmen, kein Zunehmen,
die Sonne will sich wenden. Wir sind in den Zwölften. Zwölf
heilige Nächte! Feier der Natur!
In dieser
Mittwinterzeit ringt das neue Licht mit dem Dunkel; alle
Unheilsmächte liegen im Kampf gegen die Segenskräfte. Die Holden
und Unholden ziehen durch die Lüfte. Was die kommenden Tage
bringen, ist jetzt im Werden. Darum ist in diesen Stunden jeder
Augenblick bedeutsam, jede Handlung schicksalsträchtig, alles
Geschehen entscheidungsvoll. Und dem Menschen liegt es ob, dem
jungen, erwachenden Leben und dem segenbringenden Licht zu
helfen, allem Bösen zu wehren, ihm nicht einmal einen Namen zu
geben.
Die Grundstimmung dieser Tage ist tiefe Bangnis,
ein Bangen um die Wiederkehr der Sonne. Das trieb unsere alten
Vorfahren im hohen Norden, wo in der Mittwinterzeit die Sonne
tagelang gänzlich unter dem Himmelsrand verschwindet, zu einem
besondern Brauch. Sie schickten Boten auf die Höhen der Berge,
um nach der Sonne auszuschauen. Tauchte sie wieder auf, so wurde
dies den Harrenden schnellstens gemeldet.
"Diese aber
versammeln sich und feiern, allerdings im Dunkeln, das Fest der
frohen Kunde. Es ist bei den Leuten von Thule das größte. Ich
glaube, daß diese Inselbewohner, obwohl das Ereignis alljährlich
bei ihnen eintritt, dennoch immer in Furcht schweben, daß die
Sonne einmal wegbleiben werde 1)."
Solange nicht das
Wunder der Sonnenwende ganz offenbar ist, ist es eine
gefährliche Zeit, und ernste Gedanken füllen die Herzen im
Dunkel und Grauen der Winternächte, Gedanken des Todes auch,
Gedanken an die Toten, deren Seelen durch die Stürme der
Winternacht dahinziehen. So müssen wir den alten Angelsachsen
verstehen, der vom Schicksal der Seele spricht und seinem König
sagt: "Der Wintertag tobt draußen mit Regen, Schnee und
Stürmen. Du sitzest vor dem lodernden Herd in warmer Halle. Da
flattert ein Sperling bei der einen Tür herein. Einen Augenblick
ruht er im Licht der Flamme, einen Augenblick bleibt er
ungezaust in der Wärme. Dann fliegt er wieder zur andern Tür
hinaus. Vom Winter zum Winter _______________
1)
So berichtet es Prokop um 500 n. d. Z. im besondern von den
Bewohnern der Insel Thule.
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entschwindet er, man weiß nicht woher, nicht
wohin 2)." Wir begreifen: die Türen sind Geburt und Tod. Die
Halle mit dem trauten Feuer, das ist der Friede unseres Hauses,
das ist Midgard, das ist unsere Welt, in der wir SO kurz zu
Gaste sind, in der unsere Seele wie ein Vogel ein- und
ausflattert. Dahinter ist Utgard, schreckhaft wie der Winter und
unergründlich für uns.
Aber selten wird es gewesen sein, daß unsere
Vorväter solche Gedanken aussprachen. Was ihr Leben bewegte, das
spiegelt sich vielmehr in ihren BRÄUCHEN wieder, und wie sie
ihre Festzeit BEGINGEN, das zeigt uns, was ihre Schritte
leitete.
Uralte Formen unseres Daseins sind im Brauchtum
unserer Heimat aufbewahrt, und seine Reste - zwar nur Trümmer -
vermitteln uns ein Bild fernster Tage.
Zwölftenbrauchtum.
Im folgenden werden die einzelnen Züge des Brauchtums
aufgeführt. Dabei mag man sich vorstellen, welche der
verschiedenen Handlungen der Abwehr der dämonischen Gewalten,
der Erweckung des neuen, fruchtbringenden Lebens, der Feier des
lebenspendenden Lichtes dienen und wie sie insgesamt den Tod zu
bannen suchen.
Vom 21. Dezember ab wurden die Betglocken
um 8 Uhr morgens und um 4 Uhr nachmittags geläutet. Dieser
Zeitpunkt galt als Beginn der Julzeit. Die Zwölften begannen mit
dem Vorabend des Weihnachtsfestes, dem Hilligen Abend, und
endeten mit dem Dreikönigstag, dem 6. Januar. Es werden also
eigentlich dreizehn Nächte gezählt.
Während der Zwölften
wurde kein Fenster, keine Luke, keine Klappe geöffnet; die Türen
wurden nur halb aufgemacht und gleich wieder geschlossen. Es war
eben nicht geheuer, der Wau schwebte in der Luft. Besonders bei
Eintritt der Dämmerung wurde alles sorgfältig geschlossen, und
die Türen wurden gesichert. So erzählt es ein Alter: "Dei
Twölften, dat sünd dei Daag vun Wihnachden bet tau'n Hilgen
Dreikönigsdag up dan 6. Januwor. Denn treckt dei Wau.
'Maak dei Düa tau! Maak dei Düa tau!' güng dat denn jümmer.
Dor wör bannig scharp ub Hollen." Vor allem die Nachtzeit war zu
fürchten. "Dei Nacht is vör sik", sagte man, und niemand war in
der Nacht unterwegs, wenn nicht Not war. "In den Zwölften ist
ein Mann um 12 1/2 Uhr nachts den Friedrichsruher Weg
hinaufgegangen. Da sah er in den Bäumen des Sachsenwaldes ein
weißes Gespenst. Er ist dann in den Zwölften noch gestorben
3)."
In den Zwölften mußte alles Gerät hereingeholt und unter
Dach und Fach sein. Pflüge, Eggen, Gaffeln, Forken, Äxte,
Harken, Eimer, _______________
2) Um
626 n. d. Z.,
bevor die Northumbrier sich bekehrten. 3) 'Dei Nacht is vör
sik'. Dieser Glaube ist eine alte Anschauung. Die Nacht ist
nicht etwas, was bloß kein Licht hat, wo nur dieses Licht fehlt,
wo sonst alles ist, wie am Tage. Die Nacht ist etwas für sich,
was nach eigenen Geschehen lebt und webt. Die Nacht hat ihre
eigenen Geister und Gewalten. Wenn die Nacht hereinbricht, so
ist man diesen Mächten unterworfen. Besonders in den Zwölften
ist man ganz in ihrem Bann.
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Tröge, Brotschieber und Gaffelgeschirr:
nichts blieb im Feld oder auf der Hofstätte, es mußte mindestens
unter dem Ösel, dem Dackleck, geschützt sein. "Süß kümmt dei Wau
mit sien Hunn uu haalt dat weg!" Keine Milchkanne durfte
hinausgestellt werden.
Alles muß zur Stelle sein, nichts
darf ausgeliehen werden. Das Ausgeliehene muß vor den Zwölften
zurückgegeben werden. Es war erst kürzlich, daß eine Frau in L.
zu ihrer Nachbarin kam, um ein wenig Honig zu borgen. Die
Nachbarin nahm das übel und gab nichts. Sie wollte nicht ihr
Glück verscherzen. Lieber verlor sie die Freundschaft, als daß
sie gegen das herkömmliche Verbot verstoßen hätte.
In den
Zwölften muß alle 'Butenarbeet' ruhen. Der Acker darf nicht
gedüngt oder gepflügt werden. 'Dat hett kein Däg nicht!' Es
würde einen Toten geben. Holz darf nicht gefahren werden. Man
darf nicht mahlen, nicht dreschen. Kein Rad darf sich drehen:
das Sonnenrad steht still, und diese heilige Ruhe und Stille
darf der Mensch nicht stören, will er nicht Unheil über sich
bringen. Die Frauen dürfen daher nicht spinnen, und der Wucken
muß leer sein, wenn die Ruhezeit beginnt. Auch gebacken darf
nicht werden, sonst wird eine Wilde Jagd daraus, oder die
Hunde des Wau fressen alles aus.
Die große Sorge aber
gilt allem Lebenden; kein Korn darf verkauft werden. Sorgfältig
achtet man auf das Vieh. Ein Besen muß vor die Tür des Stalles
gelegt werden mit der Rute nach außen zur Behinderung der Hexen.
Man soll auch das Vieh, die Katze und den Hund nur bei Licht
fressen und saufen lassen. Den Dung darf man nicht aus dem Stall
bringen, sonst kommen böse Geister und machen das Vieh krank. Es
darf auch nichts über die Schwelle gefegt werden, selbst der in
den Stuben zusammengefegte Mull muß in einer Ecke liegen
bleiben, sonst fegt man das Glück mit hinaus. Auch die Asche
darf nicht hinausgetragen werden.
Sehr viel hat es sich
mit dem Wasser. Manche holen die Sodstange unter den Ösel,
besonders in der Weihnacht, "süß künn dor ein Wat an dat Warer
maaken". Holte man die Stange nicht herein, so warf man
wenigstens einen Feuerstrahl in den Sod, oder man warf Salz in
das Wasser. Andere warfen glühende Kohlen in den Brunnen, damit
an dem Wasser nichts 'getan' werde. An diesen Brauch mit der
glühenden Kohle erinnert das allen Kindern geläufige Rätsel:
"Ik smiet Wat rood in'n Sod, kümmt swart werrer
tauhöch."
Wo kein Sod war, wollte am Weihnachtsmorgen
niemand der erste sein am Börmteich, dann hat das Vieh dürsten
müssen bis zur Kirchzeit. Wer das Vieh nicht dürsten lassen
wollte, zog einen Hund durch das Wasser oder eine Katze.
Ging dem Tier das Fell ab, dann konnte das Vieh ohne Schaden
getränkt werden. Alte Leute hielten mit Strenge darauf, daß der
Brauch innegehalten wurde. "Der Bauer B. in D. hatte statt des
Hundes eine Katze genommen. Die Katze war seit dem Tage krank.
Man hatte also klüglich die Krankheit vom Vieh abgewendet.
Manche legten auch Geld in den Börmtrog oder in den Sod. Ein
Junge hatte das Geld selbst genommen. Große Trauer gab es im
Hause, als das der Vater bemerkte. Das Unglück mußte nun ja
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kommen." Diese Bräuche sind besonders am
Weihnachtsmorgen (an einzelnen Orten auch am zweiten
Weihnachtsmorgen) oder am Neujahrsmorgen geübt worden
4).
"Wenn in dei Twölven dat Liekdor upkümmt, denn gift väl
Dode." Stirbt in den Zwölften jemand, so holt er im nächsten
Jahre noch 12 Leute aus dem Dorfe nach. Dieser allgemein
verbreitete Glauben wird hin und wieder durch den Ablauf des
Geschehens in einigen Dörfern bestätigt und damit neu belebt.
Man erzählt gern solche Fälle. Im Jahre 1863 zählte man in K.
13
Kinder, die bei einer Rachenbräune starben. Das wurde lange
behalten. Für das Jahr 1933 wurde das Dorf R. benannt. "Dor hett
ok indrapen."
Die Frauen dürfen auch keine Wäsche halten,
wie sie ja auch nicht brauen und backen dürfen. Hielte eine Frau
die Wäsche in den Zwölften, so würde es im nächsten Jahr einen
Toten im Hause geben. Eine Frau in B. pflegte ihre kranke
Mutter. Sie sorgte sich sehr und sagte in ihrer Kümmernis zu
ihrer Nachbarin: "Ik mütt ümmer doran dinken. Dat wör tüssen
Wihnachten und Niejahr, dunn heff ik wossen; öwer Lüers Murrer
sä fürs tau mi: 'Dian, wo kannst du wassen? Du mökst je dat
Likdua apen!' Ach ja, ik heff all soväl dua an dacht; ik mütt nu
woll ein Doden plägen." Und die Mutter ist denn auch gestorben.
Man darf auch keine Wäsche, kein Zeug hinaushängen, und wäre es
auch nur ein Seihtuch auf dem Knick. "Wecker den Tuun bekleed,
dei mütt den Karkhof bedecken."
Die jüngere Frau eines
Bauern in B. erzählte, sie habe die Kinderwäsche ihres
Erstgeborenen in den Zwölften zum Trocknen im Freien aufgehängt.
Da habe ihre alte Schwiegermutter zu ihr gesagt: "Du wist woll,
dat dien Jung starben sall!" Die junge Bäuerin hatte diesen
Glauben nicht mehr ernst nehmen wollen. Sie wagte nun aber nicht
mehr, ihr Vorhaben durchzuführen.
Die Not war sicherlich
manchmal groß. Hören wir einen Alten: "Merie, min Swester, dei
is am awerglöwschen. As wi noch all tau Hus wörn, höbt wü vör
Wihnachten woschen. Dunn is ein Hemd vun dei Lien weht un
insniet. Wü höbt söcht un söcht un künn dat Hemd üner dan Snei
nicht finn'n. As nu in'n Januwoar dei Snei weg wör, leig dat
buten. Wat hett Merie dunn jammert un duert, dat ehr Hemd in'n
Twölften buten west wör. Sei wör ganz krank, weil sei dach, sei
müß nu dodblieben. Sei is öber ju doch nicht dodbleben."
Ein Achtziger erzählt: "Niejahrsabend geiw dat groot Klümp. Dei
wöern nich in'n Putt makt, nee in'n Klütendauk. Twei wörn dat
wull. Mudder seggt: 'Hang jem mal rut!' Un ik bröch jem ook na
dei Bleikerstää. Dunn käum min ölst Swester un ranz mi
gefährlich an: 'Du hest dei Däuker dua uppe Bleik hinheengt? Du
weist ju doch, dat du nich dann Tuun bekleeden dörfst? Du schast
em doch in'n Hooltschuppen heengen. Dei Wau swäft ju in dei
Luft.'[sic!] Seihn har ik em je nich, öwer dat müß je wohr sien. Man
müß dei ganze Hauksbaukserie in dei Twölwten mitmaken, süß güng
wat verkihrt." Aber _______________
4) Vgl.
Jahrbücher für die Landeskunde d. Herzogtümer Schleswig-Holstein
und Lauenburg IV. 1861. S.
179.
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der Alte hatte gut erzählen - seine Schwester
hatte jedenfalls das Unheil abgewehrt.
In den Zwölften
deutet sich das Künftige an. Auch das Wetter des Jahres erhält
schon jetzt seinen bestimmten Charakter. Wie es sich wandelt von
Nacht zu Nacht, so wird sich auch die Wetterlage in den
kommenden Monaten herausbilden. Auch die Obsternte kann man
vorweg beurteilen. Wenn der Wind die Bäume ordentlich bewegt und
schüttelt, dann wird es im nächsten Jahr viel Obst geben. "Wenn
dei Bööm ollich bullt, denn giff dat väl Aawt."
Sind die
Nächte voller Vorbedeutung, so sind es ebenso die Gebilde
unserer Traumwelt. Glück und Unglück der kommenden Monate künden
sich in den einzelnen Nächten mit freundlichen und schweren
Träumen an, und der Sorgliche wird ihrer achten.
Sagen vom Woden.
Die Zwölften stehen unter dem Banne der
Dämonen. Die Furcht vor diesen finstern Mächten vermögen wir
kaum mehr nachzufühlen; aber sie bestand in aller Schwere und
besteht vielfach noch. Den Mittelpunkt der dämonischen Ängste
bildet der Wau, der Wo(d), der kein andrer ist als der
'berühmteste und rätselvollste' der germanischen Götter, Wodan
selber 5). Was man sich von ihm bei uns erzählte, lebt in alten
Sagen, von denen hier einige wiedergegeben werden 6):
1.
Man darf in der Weihnachtsnacht keine Wäsche draußen lassen;
denn die Hunde zerreißen sie. Man darf auch nicht backen; denn
sonst wird eine wilde Jagd daraus. Alle müssen still zu Hause
sein; läßt man die Tür auf, so zieht der WODE hindurch, und
seine Hunde verzehren alles, was im Hause ist, sonderlich den
Brotteig, wenn gebacken wird.
2. Den WODE haben viele
Leute in den Zwölften und namentlich am Weihnachtsabend ziehen
sehen. Er reitet ein großes, weißes Roß; ein Jäger zu Fuß und
vierundzwanzig wilde Hunde folgen ihm. Wo _______________
5) Waud, Waur, Waug wird heute meist Wau oder Wo(d)
gesprochen. Die mecklenburgische Zwölftengottheit ist weiblich
und wird 'Fru Waur' oder 'Gaur' genannt. Wossidlo war geneigt,
den weiblichen Charakter der Gestalt in den Ursprüngen auf eine
slavische Gottheit zurückzuführen, was doch wohl nicht notwendig
gefolgert werden muß. Im Mecklenburgischen Heimatbuch
1925 S. 199 sagt Wossidlo: "Auf die sehr schwierige Frage, in welchem
Verhältnis diese weibliche Gottheit Fru Waur usw. zu dem Waur
der Wilden Jagd steht, kann ich hier nicht eingehen. Nur das sei
gesagt, daß die Vorstellung von einer weiblichen
Zwölftengottheit auf slawischen Einfluß zurückzuführen ist."
6) Geschichten vom Woden sind
1845 in Müllenhoffs Sammlung
mitgeteilt. Daraus sind unsere Nrn. 1-3 entnommen, die
ursprünglich vom cand. Arndt gesammelt sind. Dann hat
Diermissen, ein Lauenburgischer Volkskundler, der hier mit Ehren
genannt sei, in den Jahrbüchern für Landeskunde IV. S.
160 f.
solche Erzählungen bekanntgemacht, von denen wir unsere Nrn.
4-6 wiederholen. Eingehend hat sich G. Fr. Meyer-Kiel mit diesem
Stoff befaßt. (Schl.-Holst. Stammeskunde 1929 S.
68 ff. und
Heimat 1926 S. 68 ff. und ebendort
1934 S. 365, wo auch der
Anschluß an die Forschung zu vergleichen ist.) Wir ver
danken seiner Sammlung unsere Nrn. 7-9. Die Nrn.
10-16 sind neu
gesammelt, auch eine Nr. 17, die in unsere Weihnachtsdarstellung
(s. w. u.) eingeflochten ist.
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er durchzieht, da stürzen die Zäune krachend
zusammen, und der Weg ebnet sich ihm; gegen Morgen richten sie
sich aber wieder auf. Einige behaupten, daß sein Pferd nur drei
Beine habe. Er reitet stets gewisse Wege an den Türen der Häuser
vorbei und so schnell, daß seine Hunde ihm nicht immer folgen
können; man hört sie keuchen und heulen. Bisweilen ist einer von
ihnen liegen geblieben. So fand man einmal einen von ihnen in
Wulfsdorf, einen andern in Fuhlenhagen auf dem Feuerherde, wo er
liegen blieb, beständig heulend und schnaufend, bis in der
folgenden Weihnachtsnacht der Wode ihn wieder mitnahm.
3.
Aus Krummesse: Der WODE hat einen bestimmten Weg, den er alle
Nacht in den Zwölften reitet. Der geht rings um Krummesse herum
über das Moor nach Beidendorf zu. Wenn er kommt, so müssen die
Unterirdischen vor ihm flüchten; denn er will sie von der Erde
vertilgen. Ein alter Bauer kam einmal spät von Beidendorf und
wollte nach Krummesse; da sah er, wie die Unterirdischen
dahergelaufen kamen. Sie waren aber gar nicht bange und riefen:
"Hüet kann he uns nich krygen, he sall uns wol gaen laten, he
hett sik hüet morgen nich woschen." Als der Bauer nun etwas
weiter kam, begegnete ihm der Wode, und der fragte ihn: "Wat
repen se?" Der Bauer antwortete: "Se seggt, du hest di van
morgen nich woschen, du sast se wol gaen laten." Da hielt der
Wode sein Pferd an, ließ es stallen, saß ab und wusch sich
damit. Nun stieg er wieder auf und jagte den Unterirdischen
nach. Nicht lange darauf sah ihn der Bauer zurückkommen; da
hatte er sie mit ihren langen gelben Haaren zusammengebunden und
zu jeder Seite mehrere vom Pferde herabhängen. So hat er die
Unterirdischen verfolgt, bis sie jetzt alle verschwunden sind.
Deshalb jagt er auch nicht mehr auf der Erde, sondern oben in
der Luft.
So erzählte dies ein alter achtzigjähriger Mann in Krummesse, der auch stillen und böten kann. Der Wode ist
in ganz Lauenburg bekannt, und überall schließt man vor ihm die
Türen in der Weihnachtszeit.
4. Aus dem Sachsenwalde: In
den Zwölften zieht der WODE (Wohljäger, Bolenjäger) mit seiner
wilden Jagd umher. Man muß denn des Abends die Türen zuhalten,
sonst bringt er einen Hund herein, und den muß man das ganze
Jahr füttern, bis er denselben in den nächsten Zwölften wieder
mitnimmt.
In Kuddewörde hat der Wode als Bezahlung dafür
einen Pferdeknochen auf den Ramen (?) geworfen; das ist nachher
Gold gewesen.
[Anm.: Rahmen ist das flache Holzgerüst
über dem offenen Herd, das als Feuerschutz diente; es wurde von
dem Krüzboom getragen. Die Sache besteht nicht mehr. Nur in der
Erinnerung der ältesten Leute leben noch Bilder von solchen
alten Häusern mit einem Kreuzbaum. Auch der Berichterstatter von
1861 verstand die Sache nicht mehr ganz, daher sein
Fragezeichen.]
5. Aus Glüsing: Ole in'n Glüsing verteil,
wo sien Grotvader em verteilt har, dat sien Grotvader as Jung so
in de Vörjahrstied mal noch ganz laat in'n Woold west is; -
miteens hört he en Susen un Rumoren in de Lucht, un as he so
nieschierig is un upkieken deit, süht he Eenen daher rieden up
en gnäterswart Peerd un veele Deerter
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achterna. Middeß so flügt na em ok all en
Peerdschinken, womit de to Peerd smeten harr, He duckt sik
dal, un as allns wedder still un he sik en Hart faten deit,
üm mal na den Schinken to sehn, kann he den nich finnen. Ole
sien Grotvader hett ook segt, dat dat DE WODE mit sien
wütend Heer west is.
6. Aus Grönwohld: En olle Fru op de
middelste Möhl will Swien flachten, hett kenen groten Kätel un
haalt sik enen vun de Drahtmöhl; as se den utbruukt het, bringt
se em bi Abend över den Drahtdiek, de is
tofroren west, torüg. Da is dat Holt - de Kanapp glöv ik
oder de Bargen heet et - je duen (= nahe) achder den Diek,
darin hört se en Jolen un Blasen un Hunnenbellen, dat se
angst un bang ward, hastig daalhukt un den Kätel över sik
stülpt. Süh da! de WILDE JÄGER föhrt dicht bi ehr
vebi, un all de Hunnen doot an den Kätel; averst se heft ehr
nicks anhebben kunnt un sünd wieder trocken. (Dat is gewiß
un dat is so, seit "uns Mudder" noch hento.)
7. Aus
Grande: Öwer dei Twölften treckt DEI WOU. Denn is dat, as
wenn ein dörch dei Luft jagt, un: jick-jack, jick-jack! geht
dat, dat sünd dei Hunn. Denn mütt'n dei Dörn tauholn, dei
Jäger hett ok mal ein von dei Hunn ligg'n laten. Mal is'n Mann tau Pier bi en Burn ankamen un hett em fragt, wat hei
missen wull, en Kahlfaut orer en Rauhfaut. En Rauhfaut,
seggt dei Bur, un do hett dei Mann em dei best Kauh ut'n
Stall ruttreckt, do sünd sin Hunn bigahn tau freten. (Frau
Lewitz-Witzhave, geb. 1837 in Grande.)
[Eine andere
Fassung der Sage fügt hinzu: Hätte er 'Kahlfaut' gesagt, so
wäre einer aus der Familie verloren gewesen. Als das Fleisch
der Kuh verloren war, gebot der Waul dem Bauern, die Knochen
auf den Rauchfang (?) des Herdes zu legen und dort ein Jahr
lang unberührt zu lassen. Der Bauer gehorchte. Nach einem Jahr
kam der Waul wieder und hieß ihn die Knochen nehmen. Da
hatten sie sich in Gold verwandelt.]
8. Aus Dechow:
DE WO treckt, dat is dei will Jäger. Hei hett'n ganz Haud
Hunn bi sik, dei blekt un jifft in dei Luft. Denn mütt'n dei
Doern taumaken, süß treckt sei dar rin un nehmt allns weg un
m-t allns voll.
9. Aus Elmenhorst: DEI
WAUR dei treckt
öwer'n Twölften. Denn kümmt hei mit sien Hunn un treckt in
dei Hüser, wenn'n dei Döern ni taumakt, un denn lett hei
dor'n Hund trüch. In Fuhlenhagen hett so'n Hund mal'n ganz
Jahr legen. Dags is hei rutgahn un hett in'n Wind raken un
denn hett hei sik werrer op sien Sted henleggt, freten hett
hei awer nix. Hei hett sin Tied utholn bet anner Jahr, denn
is hei werrer mit weggahn mit dei annern.
10. Eine alte
Frau in Kühsen erzählte aus Schretstaken: Am Tage vor
Weihnachten wurde ein Knecht mit einem Kessel ins Nachbardorf geschickt, damit der Kessel ausgebessert würde. Es wurde
spät, und der Knecht wurde von der Dunkelheit ereilt. Von
weitem hörte er schon den Lärm des WAU und seiner Schar.
Bald waren sie bei ihm auf der Erde. Schnell kroch er unter den
Kessel und war geborgen. Die Hunde beschnüffelten den
Kessel und zogen dann wieder ab.
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11. Aus Möhnsen: Wihnachnabend dörf
dei
Grootdüar nich apen stahn, süß kümmt dei WILL JÄGER
dua henlang un lett ein Hund achder den Krüzboom liegn. Un
dei blifft bet tau dei Twölften in't anner Juhr. Hei lett
sik nich rutjagen un nich möten. Hei deet nich fräten un
nich supen.
12. Eine Frau aus Berkenthin erzählt: Meine
Großmutter diente in Lankau, und da ist in den Zwölften die
Tür offen gewesen. Da kam ein großer Hund herein und hat
sich auf den Herd gelegt. Es war ein schwarzer Hund; er hat
nicht gefressen und nicht gesoffen und hat dort ein ganzes
Jahr gelegen. Im nächsten Jahr ist er in den Zwölften
abgezogen.
13. Ein Mann erzählt von seiner Mutter, die
aus Hollenbek b. Berkenthin stammte von der Stelle K.: Ihre
Großeltern schlossen Heiligabend alle Türen bei Dunkelwerden
ab. Sie sagten: "Dei Wau treckt!" Ein Wihnachnabend is ein
Dör apen bläbn, un dor is DEI WAU kam'n, hett nich lopen
künnt, hett nich fräten un nich saapn. Hei hett sik up'n
Hierd leggt. Wenn't Für 'n bäten dichter na em rankamen is,
hett hei dei Tähn wiest. Dor sünd sei bikamen un hebbt em
mit'n grote Meßböhr achder dei Grootdör hendragen. Dor hett
hei bet Wihnachen anner Johr lägen. Wihnachnabend is hei verswunn west.
14. Aus Schnakenbek: DEI WAU is'n groodn
Kierl west. Dei hett ub'n Slään säten. Söß Hunn höbt den
Slään treckt. Mit'n groten Lärm is hei vörbitreckt. Alls
Wat em in den Weg käum, hett hei daaljagt. Dor is mal en Mann un 'n Frug west. Dei höbt an'n Dag vö Wiehnachten
Kienelbeier fiern wullt. Un dor höbbt sei kein' grotn Putt
hat, wo dei Supp in kaakt warrn sull. Donn hett dei Kierl
na'n anner Dörp henmüß. Hei wull sik dor'n Kätel Halen. As hei
nu trüchkümmt, is achder em 'n grot Getös worrn. Donn hett
hei sik nich anners helpen künnt. Hei hett den Kätel
ümstülpt un is dor ünnerkrapen, bet dat Geschirr vörbitowt
is.
15. Aus Seedorf erzählt ein
62 jähriger: Mein
achtzigjähriger Großvater sagte zu uns Kindern, wenn im
Herbst oder Winter der Sturm dunkle Wolken vor sich her
trieb, daß es im Gebälk unseres Strohdachhauses krachte,
heulte und pfiff: "Hört ji, wo dei WIELE JÄGE dörch dei
Luft treckt, wo dei Hunn blekt un dei wieln Swien loopt un
rönnt un wo dei Jäges dat Huarn blaast. Hei treckt ümme wenn
dei Wiend huult, dörch den Hooln." Wenn meine fromme
Großmutter dies hörte, wehrte sie ihm und sagte unwillig: "Wat
vetellst du dei Kiene dat!"
Wir Kinder konnten
es uns nicht erklären, daß unsere Großmutter, die sonst nie
dazwischen redete, wenn Großvater "Geschichten" erzählte,
jetzt Einspruch erhob. Leise lächelnd, doch etwas verlegen,
hielt er inne und erzählte davon trotz unserer Bitten nicht
weiter. Großmutter war wohl der Ansicht, daß es für ein
christliches Haus unpassend sei, solche "heidnischen
Erzählungen" dadurch zu erhalten, daß man sie Kindern
erzählte.
16. Aus Lütau: Ein Achtzigjähriger erzählt: Als
wir jung waren, hatten wir in unserm Dorf das WAUSPIEL. Das war immer
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am Stillfreitagnachmittag. Alle spielten mit.
Einer war der Wau, das war der Jäger. Zwei waren bei ihm,
das waren seine Hunde. Die andern versteckten sich. Wir
hatten im ganzen Dorfe frei. Wir durften überall kommen in
die Häuser und in die Scheunen, in die Kammern und in die
Backhäuser. "Dei Wau kümmt!" Hieß es, und denn ging das
Suchen los. Das hat uns immer viel Spaß gemacht. (Erzählt
vom alten Herrn Trost-Lütau.)
Die Wilde Jagd in Sage und
Brauchtum.
Der Wode ist der Wilde Jäger, der Anführer der
wilden Jagd. Sein gespenstisches Roß soll nur drei Beine
haben. Bald ist es ein Schimmel, bald ein Rappe. Ganz
natürlich, denn wenn das Roß aufblitzt und blänkert, dann
weiß man nicht, kommt dieses Leuchten von dem hellen Weiß
oder dem glänzenden Schwarz. Das paßt zu dem Wesen des
Gottes, der es liebt, seine Gestalt zu wandeln. Ein noch
älteres Bild ist es, daß man nur das Roß, nicht den Reiter
sieht. Das Totenroß allein führt die wilde Schar. Und wenn einer
der Wolfshunde, die mit dem Blecken und Blitzen ihrer Zähne
im Zuge daherrasen, an einem Herde liegen bleibt, dann wird
dieses dämonische Wesen mit seinem unheimlichen Gebaren auch
als der Wau selbst angesehen und von seinen unfreiwilligen
Gastgebern so benannt.
Rosse und Hunde sind
dämonische Tiere. Man denke an Pferde, die dahinstürmen, als
wären sie vom Wahn befallen, als suchten sie die unendliche
Weite; dabei zerschellen sie an der nächsten Mauer. Die
alten Germanen beobachteten genau das Schnauben und Wiehern
der Pferde und sahen darin glaubwürdige Vorzeichen. Immer ist
diesen Tieren die Fähigkeit des Vorschauens zugetraut
worden, und bei Leichenzügen besonders achtete man auf ihr
Scheuen und ihr Verhalten. Dieses dämonische Getier hat dem
nächtlichen Zuge das Aussehen und den Namen einer Wilden
Jagd gegeben, obwohl von einem Jagen nach menschlicher Art
und von einer Jagdbeute nichts berichtet wird.
Nur in den
Zwölften zieht der Wau; er muß also als Zwölftengottheit
angesehen werden 7). Der Wau zieht stets denselben Weg.
Bleibt ein Hund auf einem Gehöft zurück, so wird er im nächsten
Jahr von der desselben Weges ziehenden Schar wieder
ausgenommen. Zeit und Ort sind demnach bestimmt. Daher kann man
denen nicht zustimmen, die den Wau nur für den
nächtlich brausenden Sturm, für eine Sturmgottheit halten.
Der Sturm müßte ja jederzeit die wilden Erscheinungen
daherführen können. Wenn also hin und wieder in der
Landschaft zu irgendeiner Zeit beim Herannahen eines Sturmes
gesagt wurde: "Maakt dei Finster tau! Dei Wau kümmt!" so fiel
das schon aus den ursprünglichen Vorstellungen heraus. Wenn
es sich aber nicht um die Verkörperung des Sturmes, nicht um
eine Naturmythe handelt, WELCHEN SINN HAT DIESER NÄCHTLICHE
ZUG DANN? _______________
7) Der Nachweis ist
schon von G. Fr. Meyer geführt. Vgl. Heimat 1926 und
1934 a.
a. Ort.
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Zur Untersuchung gehen wir zunächst auf die
Sage aus Krummesse ein (Nr. 3). Ihr Inhalt ist kurz folgender:
Der wilde Jäger verfolgt die flüchtenden Unterirdischen. Er
erreicht sie und saust mit den Weibern davon, die als Beute zu
den Seiten des Pferdes herabhangen. Sie sind denn auch endgültig
verschwunden.
"Auf wessen Seite stehen Erzähler und Hörer
dieser Sage mit ihrem Gefühl?" so hat man gefragt. Es wäre
natürlich, Mitgefühl mit den mißhandelten Weibern zu haben.
Dennoch gehen die Sympathien mit dem Wilden Jäger. Es handelt
sich um die Vernichtung der schadenstiftenden Dämonen, der
Unholden, die dem Menschen feindlich sind. DÄMONENABWEHR IST
ALSO DER SINN DER WILDEN JAGD.
Der Glaube an die Unterirdischen hat sich in
unserer Landschaft lange erhalten. Man ließ bei den Kindern
Licht brennen, und man wachte, damit die Unterirdischen die
Neugeborenen nicht holen oder vertauschen könnten. "In Lütau in
Lauenborg schöllt de Ünnereerschen sick noch ubhollen;
dar ward acht Daag lang nachts en Licht bi en nieboren Kind
brennt", so wird berichtet 8). Und nach einer Mitteilung
wurde dies noch vor einigen Jahren in einem Hause in Lütau
als Brauch beobachtet.
Nach eben diesem Lütau führt nun
der Bericht über das Wauspiel (Nr. 16). Dieses Herkommen fällt
in mancherlei Hinsicht aus der Gedankenwelt der uns
überlieferten Sagen heraus. Zunächst ist es merkwürdig, daß
am Stillfreitag, diesem hohen Feiertag, gespielt wird. Um eine
Einrichtung der Kirche kann es sich nicht handeln. Ein gewöhnliches Spiel, ein Versteckspiel etwa, kann es auch nicht
sein. Es muß sich um ein altes festliches Spiel aus
vorchristlicher Zeit handeln, das aus diesen Tag gelegt wurde,
weil es dem Volksleben fest verwachsen war. Es wäre
unserer Landschaft angemessener, wenn diese Wau-Darstellung
in die Zwölftenzeit fiele statt in den Osterkreis, da bei uns ja
der Wau in den Zwölften umzieht. Es wurde der Karfreitag auch in der weiteren Landschaft unseres Kreises nicht
diesem Spiel gewidmet, sondern dem Rechball oder der
Keesköst. Lütau steht mit seinem Brauch allein. Da nun aus
Braunschweig, Westfalen, Thüringen berichtet wird, daß dort
das Wilde Heer zur Fastenzeit zieht, so ist denkbar, daß die
Siedler, die Lütau vor der Zehntbarmachung besetzten, aus
oft- oder westfälischem Gebiet stammen. Diese Siedler hatten
wohl ein altes Spiel der Fastenzeit in ihrem Brauchtum
bewahrt, das nun freilich in seinen sinnentleerten Resten nicht
mehr leicht zu deuten ist. Um ein bloßes Versteckspiel kann
es sich nicht handeln, wenn es auch so aussieht. Einem
solchen Spiel stünde nicht jedes Haus offen, ein solches
Spiel entspräche auch nicht der Würde des Tages.
Unmißverständlich bleiben immer drei Züge: der festliche Tag
- die Verfolgungsszene - das Offensein jedes Hauses.
Falsch wäre es, nun rationalistisch zu deuten: der Glaube an
den Wau bestand - die Sage erzählt von der Wilden Jagd auf die
Unterirdischen, die man so fürchtet - also wird die Verfolgung _______________
8) Jahrb. f. Ldk. 1861.
IV. S. 187.
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dieser Unholden bis in jedes Haus gespielt -
und das zu allgemeinem Ergötzen.
Gerade umgekehrt ist
es. Man stand im Banne der Dämonen. Aus der Dämonenfurcht
entstand die kultische Handlung einer Dämonenabwehr. Der
Wau sucht und vertreibt die Unholden in jedem Haus. Die
Gestalten dieser wilden Jagd, geheimnisvoll, furchterregend,
in unheimlichen Larven, stürmen daher und überwältigen mit
magischer Kraft ihre Opfer. Aber ebenso erfüllen sie die
Gemüter mit Grausen. Ein heiliger Bann liegt über allen
Zuschauern und schreckenvolles Schweigen. In späterer Zeit,
als die Zuschauer davon erzählten, als sie in Worten sagten,
was sie von außen sahen, ohne das innere Wesen zu fassen, da
war der Bann der sakralen Kulthandlung schon gebrochen. Sie
verlor sich im Brauchtum, wurde zum Spiel.
Also nicht:
Glaube - Sage - Darstellung im Spiel, sondern: Glaube -
Ausformung in magischer Kulthandlung, von Geheimnis und Bann
getragen - dann Schilderungssage, Brauchtumsreste! In dieser
Richtung muß die weitere Betrachtung der Sagen gehen, und
die Handlungen des Brauchtums sind nicht allegorisch zu deuten,
sondern als magisch wirkende zu verstehen 9).
Von
weiterem Interesse ist die Sage aus Grande (Nr. 7), die von
einem Rinderopfer berichtet. Das Rind gibt der Bauer hin und
rettet dadurch ein Glied seiner Sippe.
Zum vollen
Verständnis der Sage muß die Frage des Opfers etwas
eingehender behandelt werden. Es gibt einen alten Bericht aus
Haithabu über ein Julfest der nichtchristlichen Bewohner aus
der Zeit um 950:
"Sie feiern ein Fest, an dem sie
alle Zusammenkommen, um den Gott zu ehren und um zu essen
und zu trinken. Wer ein Opfertier schlachtet, errichtet an
der Tür seines Gehöftes Pfähle und tut das Opfertier darauf,
sei es ein Rind oder ein Widder oder ein Ziegenbock oder ein
Schwein, damit die Leute wissen, daß er seinem Gott zu Ehren
opfert."
Im Anschluß an diese Nachricht ist die Frage
aufgeworfen worden, OB NOCH SPUREN SOLCHER OPFER IN UNSERN
LANDEN ZU FINDEN SEIEN 10).
Da ist für uns ein Bericht
Diermissens aus dem Jahre 1863 wertvoll. Er sagt: "Im
Herzogtum Lauenburg legen die Bauern ihre Würste, nachdem
sie gekocht sind, auf Stroh; mit einem Seil aus diesem Stroh,
aber stillschweigends, wird dann jeder Obstbaum umwunden. So hofft man, eine reiche Obsternte zu erlangen." Dann
fährt er fort: "Zu demselben Zweck werden auch häufig die
Eingeweide von geschlachteten Tieren in den Obstbäumen
aufgehängt." Der Bericht ist klar. Diermissen kann sich auch
schwerlich geirrt haben. Dennoch _______________
9) In der Grundauffassung des Verhältnisses von Kult, Sage und
Brauchtum schließe ich mich an Otto Höfler an in seiner
Darstellung der "Kultischen Geheimbünde der Germanen"
(Frankfurt 1934), wo auch besonders
die Dämonenverfolgung
S. 276 ff. in größerem Zusammenhang besprochen ist.
10) Vgl.
Heimat. Kiel. 1934. Nr. 12. Peter Paulsen, S.
340 G. Fr. Meyer.
S. 364.
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ist nur eine schwache Spur von solchen
Eingeweideopfern zu finden. Vielleicht gehört noch dahin der
Brauch, den 'Päsel' vom Schwein 'für die Vögel' in den Baum
zu hängen. Man sagte mir auch in W., daß man nach altem
Erinnern früher Leber und Nieren nicht gegessen habe. Es
mag sein, daß man früher alle jene Teile, die man nicht daß
(Milz, Leber, Nieren, Gehirn u. ä.), so behandelte. Man sagte,
es sei 'für die Vögel', wenn man diese Teile in den Baum
hängte, wenn man sie 'hochwarf'. Doch stand dahinter der
ältere Sinn, daß man alle diese 'gebannten', nicht eßbaren
Teile des geschlachteten Tieres als Opfer darbrachte.
Solcher Brauch, Eingeweide, auch Gedärme in einem Baum aufzuhängen, bestand in Ostfriesland. Man nannte das den
'Wod'. Möglich wäre, daß der Brauch, mit den Siedlern ins Land
gekommen, auch hier geübt wurde. Dann wäre mit dem Sinn,
auch die Sache selbst und der Name verschwunden - bis auf
obige Spur. Zu erörtern bleibt noch ein anderes. In
Lauenburg, ganz besonders im südlichen, wird die Eihülle des
geborenen Tieres, namentlich des Pferdes, zum Eintrocknen in
einen Fruchtbaum gehängt. Man gebraucht auf den Gehöften
meist einen bestimmten Baum dazu, von dem man einen Ast bis
auf einen Haken abgesägt hat. Eine besondere Bezeichnung kennt man nicht dafür. Man sagt, es sei der
'Hamel' (verwandt mit
'Hemd') aufgehängt; das ist eben die Nachgeburt, die Eihaut.
Vom Menschen galt sie als heilig, als Schutzhülle, als
Glückshaut, die man nicht verbrennen dürfe - das geschah
erst in christlichen Zeiten - sonst würde der Mensch
unglücklich werden. Die Aufbewahrung des 'Hamels', besonders
vom Pferd, sollte die Entwicklung des jungen Tieres fördern.
Diese Haut nun, die von der Sonne verzehrt werden sollte, wobei
Raben und Vögel halfen, nennt man heute noch im Hannöverschen
den 'Wod'. Bei uns übt man den Brauch; den Namen
hat man nicht. Ob er bestanden hat, ist nicht bekannt. Die
letztere Gestalt des 'Wo' liegt auf besonderm Gebiet. Für
unsern Zusammenhang dürften nur die ersten Darlegungen über ein
Opfer am Baum in Betracht kommen.
Man darf gewiß
der Ansicht sein, daß es bei uns in alter Zeit ein Opfer von
bestimmten Teilen (Eingeweiden) des Schlachttieres gegeben
hat. Vielleicht steckte man auch den Schädel oder einen
Knochen als Zeichen des vollzogenen Opfers auf den Rahmen oder
unter das Dach. Darauf weist hin, daß noch heute ein Bauer
in D. einen Schädel unter die Schräglatte seines Daches
steckt, stillschweigend. Das wird der Rest eines alten
Opfergebrauchs sein. Nicht mehr zu sagen ist, welchem Gott
dies Opfer galt, Wodan oder Thor. Das Brauchtum zeigt es
nicht. Die Sage läßt allerdings an Wodan denken. Sollte ein
Wodanopfer bestanden haben, dann ist dies im Brauchtum
jedenfalls nicht mehr in seiner Besonderheit erkennbar. Unsere
Sage aus Kuddewörde (Nr. 4) verstehen wir nun als
URSPRUNGSSAGE auf die Frage, woher der Knochen auf dem
Rahmen komme. Er wird als GABE des Wau gedeutet statt eines
OPFERS für den Wau, was er ja ist. Auf alle Fälle bleibt er
an seinem Platz, er ist 'gebannt' und - wird zu Gold. Jene
Überlieferung aus Grande (Nr. 7) ist dann
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als WARNUNGSSAGE aufzufassen, als Mahnung,
das Opfer nicht zu unterlassen, sonst müsse ein 'Kahlfuß',
einer aus der Haussippe sterben.
Eine andere Warnung
betrifft auch ein Opfer, nämlich das Brotopfer: Man darf
in den Zwölften nicht backen, sonst wird eine Wilde Jagd
daraus, oder es kommen die Hunde des Wau und fressen den
Teig auf. Es gibt Sagen, in denen der Wau den Betroffenen für
den Schaden reichlich Ersatz leistet; in unserer engern
Landschaft ist dieser Zug in der Sage nicht zu finden. Wohl
aber backt man in den Zwölften nicht. Doch backt man
vorher, und zwar Brote, die das dämonische Getier
darstellen: Wölfe, Pferde, Hähne, Böcke u. ä. Diese
Gebildbrote hatten früher nicht die Form der heutigen flachen
Kuchen, sondern sie waren ganz durchgeformt. Ein Alter
erzählte uns noch, wie unendlich einfach ihr Weihnachtsfest
in der Jugend gewesen sei. Sie hätten nur jeder eine
Haspoppe erhalten, einen Hasen wie zwei Fäuste groß. Dies
Gebäck nannte man 'Kienjeispöppels'. Es sind die Dämonentiere,
die den umziehenden Göttergestalten heilig waren. Die Brote
dienten als Opfer, und Opferempfänger waren die lebendigen
Gestalten, die in den Zwölftenumzügen auftraten, die
Heischegänger in Göttermaske.
GAB ES NUN SOLCHE UMZÜGE,
UND WAS IST VON IHNEN VERBLIEBEN? Am
Weihnachtsabend treiben die jungen Leute allerlei Scherz. Verkleidet gehen
sie von Haus zu Haus, singen Lieder und empfangen dafür
Kuchen, Zigarren, Nüsse, früher auch Brote, Früchte, Würste.
Solcher Scherz ist der Rest des früheren gabenheischenden Umzuges, wie man ihn auch zur Fastnacht oder zu Pfingsten
kennt. Aber das ehemals sakrale Heischen und Betteln hat
sich soweit von seinen, älteren Sinn entfernt, daß es wohl oft
zum Unfug geworden ist. Demgemäß ist auch die Stellung
der Bevölkerung ganz verschieden gegenüber diesen Umzügen.
Mancherorts ist keinerlei Spur mehr von solchem Umzug übrig,
an andern Orten wieder sieht man ihn ganz gern; mancher ist
geneigt, die Umziehenden mit dem Knüppel zu vertreiben, ein
anderer möchte die Gäste nicht entbehren. 'Im Lübschen', sagen
die Lauenburger, 'da haben sie noch mehr Freiheit als bei
uns) bei uns ist man zu ernst.' Und das ist nicht ohne Grund
gesagt.
In älteren Zeiten hat ein solcher Heischegang
noch anders ausgesehen) doch ist es schwer, das genauer
anzugeben. Ein Vers, den Wossidlo noch aus dem Munde einer
Lauenburgerin gehört hat, lautet:
Kienjeis, Kienjeis, ik
bä di an, dor klimmt ein Fru mit Zägen an.
Dieser
Ruhklaasreim läßt darauf schließen, daß eine Frauengestalt im
Zuge war (verkleidet natürlich), die Ziegenböcke führte.
Danach muß man - nach Ähnlichkeit mit andern Fällen - annehmen,
daß mindestens vier Gestalten, ein Mann und eine
Frau und noch zwei Burschen als Böcke, im Zuge waren. Der Mann
stellt den Vorgänger des Ruhklaas dar, unseres heutigen
Weihnachtsmannes.
Über seine Bedeutung kann man zunächst
nichts sagen. Der Schimmelreiter wird es nicht gewesen sein;
denn dieser bildet in unserm Land die Hauptgestalt im
Pfingstbrauchtum. Die Frau muß
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man sich als einen Burschen denken, der sich
recht "völlig" ausgestattet hatte, natürlich auch mit einer
Kiepe. Die beiden Julböcke mußten mit Meckern und mit
Sprüngen das heimgesuchte Haus belustigen und erschrecken,
wenn nicht gar ein Bock "geschlachtet" und denn wieder
"belebt" wurde. In diesem Heischeumzug verbirgt sich der alte
Umzug der Götter in der Julnacht. Das heilige Tier des Donar,
der Ziegenbock, war dabei.
Auf Donar weisen
auch andere Spuren in unserm Brauchtum. Die Axt, der
Thorshammer, wird vor den Stall gelegt. Beim Überschreiten
der Axt wird das Vieh vor Hexen geschützt. Die im Dung
eingegrabene Axt schützt ebenfalls den Viehstall. Noch heute
wird in vielen Kuhställen ein Ziegenbock mit gehalten. Das
war früher allgemein. Davon sprach man nicht weiter, es war
selbstverständlich; es war gut für das Vieh.
Dieser
segnende Donar durfte daher auch nicht im Julumzuge fehlen.
Dem Thor (=Donar) war auch der Herd und die Herdflamme
geweiht:
Een ool Mann ub'n Füerhierd sitt, in de
düster Kamer mit den blanken Hamer.
Auch der Kessel,
der über dem Herde hing, erinnerte an Thor. Von Thor sagte
man, daß er das Gewitter 'braue', und die Sage 11) erzählt von
ihm, daß er selbst in der Halle des Hymir Schutz unter dem
Kessel suchte, als er dort den meilentiefen Kessel rauben
wollte. Nun ist es in den Sagen unserer Landschaft
merkwürdig, daß mehrfach der Kessel erwähnt wird, nicht
bloß, daß ein solcher grade in der fraglichen Zeit besorgt
wird, sondern auch, daß der Träger unter ihm Schutz sucht
und findet und von der Wilden Jagd nicht verletzt werden kann.
Dem Kessel ist die schützende Kraft des Herdfeuers, die
schützende Kraft Thors eigen.
Sage und Brauchtum
weisen auf Donar, dessen Verehrung auch in dem Heischezug zu
erkennen ist.
Wenn der Wau gefürchtet wird, wenn man das
Gerät vor ihm schützt, alles vor ihm verschließt, wenn die
Übertretung der Banngebote sich als unheilvoll erweist, ja
als tödlich, so ist wohl auch nicht zu denken, daß der Wau
in einem Umzug in den Zwölften das Haus in Gestalt des
Schimmelreiters betrat.
Der Wau als Führer der toten
Seelen, als Führer zum Tode mag einst in einem kultischen
Spiel, dessen Treiben den Zuschauern nicht bekannt war, alle
in Grauen gebannt haben - geblieben ist nichts mehr davon
als die Furcht, daß er komme.
Wir können die Ergebnisse
unserer Betrachtung kurz zusammenfassen:
Der SINN DER
WILDEN JAGD ist die DÄMONENVERFOLGUNG. Im Brauchtum hat sich
eine solche Verfolgungsszene im Wauspiel erhalten - grade dort -
wo die Unterirdischen sich noch aufhalten sollen.
_______________
11) Edda, Lied von Hymir, Str.
9.
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Sonst erklärt die Sage, die Unterirdischen
seien verschwunden, daher jage der Wau nur noch durch die
Luft, nicht mehr aus der Erde. Dem entspricht, daß man IM
BRAUCHTUM KEINE SPUREN VOM WODEN IN EINEM ZWÖLFTENUMZUG
nachweisen kann.
Im Gegenteil, DAS BRAUCHTUM KENNT NUR
WARNUNG VOR DEM WAU, Ausschließung des Wilden Heeres. Die
Berührung mit ihm oder die Übertretung der Bannvorschriften
bringt den Tod. Zugrunde muß liegen die Auffassung des Wilden
Heeres als der Schar der ruhelosen Toten.
Die Sagen
lassen erkennen, daß der Kessel seinen Träger einhüllen und
schützen kann. Es ist die Kraft Donars. Eben dieser GOTT DONAR
IST ES, VON DEM MAN NOCH EINE SPUR IM BRAUCHTUM DER
ZWÖLFTENUMZÜGE nachweisen kann. Sein Erscheinen hat man
offenbar gern gesehen. Es hat sich bei unserer Betrachtung
ein GEGENSATZ aufgetan. Dämonische FURCHT VOR DEM WAU und seiner
wilden Schar - ZUNEIGUNG ZUM SCHÜTZENDEN DONAR. Es bleibt die
Frage offen: Läßt sich dieser Gegensatz auch sonst dartun?
Wie erklärt sich dies Verhältnis, und wie war der Verlauf
seiner Entwicklung? Eine Antwort ist heute noch nicht möglich.
Der Heilige Abend um 1850.
Es ist noch kein
Jahrhundert her, daß der Tannenbaum seinen Einzug bei uns
hielt. Zunächst nur da, wo Kinder waren, und auch da nur als
bescheidenes Bäumchen. Ein Eimer voll festgestampfter Erde
pflegte es zu tragen. Leicht und billig gekauften Schmuck gab es
noch nicht; aber die Liebe der Eltern schmückte den Baum mit
dem Fleiß der Hände. Tannenzapfen wurden vergoldet und
Walnüsse, auch wohl ausgeblasene Eier mit Silber umkleidet.
Schöne Apfel hängte man ein; sie lagen schon seit dem Herbst
bereit, sorgfältig ausgewählt und in reinem Sande gehegt.
Aus farbigem Papier schnitt man Himmelsleitern und Netze,
und diese kunstvollen Behälter wurden mit Nüssen oder
Rosinen gefüllt, wenn man nicht gar Schnüre von Rosinen
aufzog und einhängte. Die Mutter backte 'Kienjeispoppen',
wie sie es selbst von der Großmutter gelernt hatte. Ein wenig
Mehl und Wasser und ein wenig Zucker, und dann gestaltete
sich allerlei Bildwerk: Reiter zu Pferde, Hasen und Hunde,
Kühe und Schafe, Hühner und Hähne, selbst Adam und Eva
fehlten nicht. "Dei Frungs harrn dunnmals 'n bannigen Tog ub
sowat." Mit Eiweiß wurde dies Backwerk bestrichen und mit
rotem Fruchtsaft verlockend bemalt. Noch ein paar Papphülsen
wurden gedreht, damit Lichte aufgesetzt werden konnten -
zumindest die Spitze mußte leuchten. Dann mochte der
duftende Gabenbaum mit all der süßen Last seiner Stunde harren.
Sorge um vielerlei Geschenke kannte man noch nicht. Die
Abende, die gewohnheitsmäßig mit mancherlei notwendigen
Basteleien und mit Schnitzwerk ausgefüllt waren, wurden
benutzt, um mit Liebe einige Spielsachen für die Kinder
anzufertigen. Der Vater machte einen zappeligen Hampelmann,
stellte aus besondern Knochen der Gans einen Springbock her
oder machte für den Kleinen aus einer
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Gänsegurgel eine Klapperbüchse, eine Strütt,
und fing vielleicht selbst für Augenblicke an, ein wenig zu
spielen, als wäre er noch ein Knabe. Die Mutter ließ es sich
trotz aller Arbeit nicht nehmen, aus buntem Tuch auch eine
Puppe zu nähen.
Alle diese Vorbereitungen geschahen im
geheimen vor den Kindern. Aber weit mehr noch war zu tun
gewesen, um einen vollen Genuß der Festtage zu sichern.
Schon das Schlachtfest hatte Vorrat geliefert, ein Blick auf den
Speckwiemen zeigte das. Kam ein Sonnenstrahl durch das
Rauchloch, dann leuchtete es wie Karfunkelstein von den
Würsten und Schinken. Im Speckwiemen hingen auch die Beutel
mit den Haselnüssen, die der Herbst geliefert hatte. Auch das
Brotrick mußte gefüllt sein. Ein großes Backen lieferte in
den letzten Tagen vor dem Fest die großen Schwarzbrote und
Feinbrote. Einige 'Dubnfiegen', süße, saftige Birnen, mit
einer Handvoll Teig umbacken, hatte der Backofen noch
beschert; nun konnte jedes Kind eine solche duftende
Brotfeige 12) verzehren. In den meisten Häusern wurden schon
'Päpernöt' gebacken, die man Plätten nannte; in einigen Häusern
erschien zum erstenmal ein 'Borrerkauken' als große Üppigkeit der neueren Zeit. Manche Zutat war erforderlich
und mußte beim Höker beschafft werden: Nägel (Nelken),
Kemumm, Keneil, allerlei duftendes Gewürz. Die Kinder
erhielten beim Einholen als Zugabe eine Lex aus farbigem
Papier oder einen Bilderbogen. Bestaunten sie auf ihrem Blatt
all die leckeren Speisen im Märchen vom "Tischlein, deck'
dich!" so mochte das ihre Lust stillen, bis der
Vollbauchabend herankam, an dem sie auch soviel zulangen
konnten, als ihr Gelüsten ging.
Schon Tage vor dem
Heiligen Abend klopft es abends ans Fenster und macht die
Kinder 'grügn'. Es sind 'Sbillenköpp', Jungen mit Masken,
die überall den Kienjeis, den Weihnachtsmann (Kind Jesus),
ankündigen. Den horchenden Kleinen sagt man:
"Hüa, hüa,
Wecker steht vör uns Düar? Dor steht ein Mann mit dei
Toberkiepen, will all dei lüt'n Kiener griepen."
oder: "Dei Kienjeis is dor." Und.fleißig lernen nun die Kinder
ihr Gebet:
"Kienjeis, kiek mi an, lüte Dian bün ik
man, dat ik nich väl bädn kann, süht Kienjeis mi sülben
an!"
Am letzten Abend hieß man die Kinder dann die Mütze
ins Fenster legen; sie mußten doch einmal sehen, ob der
Kienjeis nicht etwas hineintäte 13). _______________
12) 'Dubnfiegen' sind ursprünglich wohl ein Gebäck aus Brotteig,
der mit Taubenblut getränkt war. Solches Gebäck ist aus dem
Mittelalter als Heilmittel bekannt. 13)
Die Mütze ward ins Fenster gelegt, oder es wurde ein Teller
dahingestellt. Das geschah ursprünglich nur am Hilligen Abend,
und am Weihnachtsmorgen hatte dann der Kienjeis etwas
hineingelegt. Das waren bloß 'Kienjeispoppen'. Weitere
Geschenke gab es nicht. Man kann sich das kaum einfach
genug vorstellen. Die Geschenke gab es also am Weihnachtsmorgen.
Zur Zeit unserer Darstellung erst kam die Abendbescherung
auf, wohl im Zusammenhang mit dem Dannenbaum. Das
Tellerausstellen galt früher als heidnisch.
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Der Morgen des Hilligen Abend will
anbrechen. Noch ist alles in tiefstem Dunkel. Aber wie immer
stehen auch heute alle in der Frühe auf. Eine Lage Roggen
wird auf der Diele ausgebreitet, und Bauer und Knechte
beginnen zu dreschen. Heilig wie das Korn ist, wird diese
Arbeit jeden Tag mit heiligem, nüchternem Leib begonnen.
Während die Mädchen die Kühe melken, sausen die eschenen Hölzer
in dumpfem Takt auf die vollen Ähren. Erst wenn die Lage
fertig ist, gehen alle ins Flett an den großen Tisch, wo die
Bäuerin Buchweizengrütze und Milch aufgetragen hat. Brot
ißt man dazu. Dann aber ist wegen der kommenden Zwölften die
Drescharbeit zu Ende. Überall im Dorf wird es still. Doch
bleibt noch genug zu tun für heute, um für die kommenden
Tage aufzuräumen und vorzusorgen in Hof und Stall und Diele,
damit alles unter Dach und im Fach ist.
Auch die Mädchen
haben ihr Teil Arbeit. Die Döns muß gefegt und wieder mit
Sand ausgestreut werden. Die Spinnräder dürfen nicht gerührt
werden. Die Wucken sind schon am Abend vorher leer gesponnen
worden, sonst wäre es Schande für die Mädchen. Nun werden sie in
die Kammer gebracht 11). Wasser wird
genügend hereingeschleppt, denn morgen, am Weihnachtstage, will niemand die
erste am Sod sein, da könnte man sich Unglück und Krankheit
holen. Sorgfältig wird die Asche des Herdes
zusammengehalten. Am ersten Weihnachtstag soll sie über die
Kühe gestreut werden; dann gedeihen sie. Und am Nachmittag,
wenn die Tiere abgefüttert werden, will man nicht vergessen,
einen alten Besen vor die Stalltür zu legen, mit der Rute
nach außen. Das hindert die Hexen hereinzukommen, ja bringt
ihnen selber Not und Tod. Langsam gehen die Stunden durch
den Tag. Leise schneit es. "Dei Möllergesellen slaat sik." Das
bringt feierliche Dämpfung. Wald und Feld scheinen
verschleiert zu sein; in der Dönz wird es schon schummerig.
Draußen geht die Arbeit noch ruhig ihren Gang. Alles
Geschirr ist schon sorgfältig untergestellt, die Hofstätte
ist aufgeräumt, die Grotdääl wird reingehalten. Tiefer wird
die Dämmerung, und die Kinder werden immer unruhiger, sie
warten auf den Kienjeis. öffnen sie zu häufig die Türen, so
heißt es: "Maak dei Düa tau! Peire Freiß kümmt mit dei
Kniephunn 15)!" ______________
14) Die Spinnräder mußten in den Zwölften ruhen. Am Abend vor dem
24. Dezember
mußten die Wucken leer gesponnen werden. Erst am Tage nach dem Dreikönigstag wurden sie wieder in Gebrauch genommen. Es
wird aus England (Jahrb. f. Ldk. IV.
S. 283) berichtet, daß
am ersten Abend dann die Männer den Frauen den Flachs
anzündeten, wahrend die Frauen die Männer dafür mit Wasser
zu begießen versuchten. Daß der Spaß bei uns grade an diesem
Tage geschah, ist nicht bekannt. Wohl aber wurde auch hier
dieser Scherz geübt. "Wenn dei Klock achter Ach wör, füngen
dei Dians an bi't Spinnrad to slapen. Dorbi köm dat denn mal
vör, dat dei Buur tau den Knecht sä: 'Stäk ihr mal den Flaß
an!' Dei Knecht dö dat ok, un neit ut na dei Däl, un dei Dian
springt ub un schimpt." 15) 'Peire Freiß'
- Peter Frost.
Gemeint ist der harte Winterfrost, hier wird er als
Kinderschreck gedacht. Daß er aber eine wirkliche Gewalt und
eine harte Gestalt ist, versteht man, wenn man sich das alte
Bauernhaus im tiefen Winter vorstellt: Durchgangsdiele
- freistehender Herd - keine Stube, nur Kammern. Dort um den
freistehenden Herd versammelte man sich des Abends, im
Winter in Schafpelze gehüllt. So erzählt es ein Bericht aus
unserer Landschaft aus der Zeit um 1700.
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oder: "Bliev vun bei Dääl! Dei Wau treckt!"
Großmutter sucht die Kleinen in ihrer Stube um den
Kachelofen zu sammeln. Nach dem Kaffee, zu dem es schon
knuspriges Feinbrot gegeben hat, erzählt sie ihnen die
Weihnachtsgeschichte. Und Großvater hilft mit, wenn sie
einen feierlichen Weihnachtsgesang anstimmt:
Lobt Gott,
ihr Christen, allzugleich vor seiner Gnade Thron. Er
schleußt uns auf das Himmelreich und schenkt uns seinen
Sohn.
Das verstehen die Kinder noch nicht; aber sie haben
Großvater noch nie singen hören, und er hat eine so schöne
Stimme. Großvater erzählt auch:
"Wenn man Heilig Abend
von Nuss' na Kühßen fäurt un man kümmt graa Klock twölf bi
de Fuhlnrie vebi, denn steht ub jere Sied vun'n Weg 'n
Engel, dei P ia vö den Wagn sünd Witt as Schuum un dei Wagn
ok. Fäurt man öwer vun Kühßen na Nuss' um dei sülwig Tied,
denn staat dor kein Engels. In dei Bööm bruß dat, kein Stian
an'n Himmel is to seihn. Un is dei Klock twölf weß, denn is
allns still 16)."
Und mit träumenden Augen folgen die
Kinder. Dabei horchen sie aus alles und hören überall etwas;
denn wundersam ist es heute:
Wihnachten Abend! Dor
geht dat vun baben, dor klingen dei Klocken, dor danzen
dei Poppen, dor piept dei Müs' achde Grotvadder sin
Hüs'.
Draußen sind noch alle beschäftigt. Still und
feierlich ist ihr Tun. Pferde und Kühe bekommen volle
Hafergarben. Die alte Pferdemutter wird besonders bedacht.
Den Schafen wird Haferloos' vorgeworfen und Erbsen. Den
Sperlingen auf dem Hof wird etwas Korn gestreut. Auch Hund
und Katze werden nicht vergessen, sie bekommen eine Wurst.
Dabei brennt das Licht am Lichtpfahl und bleibt festlich
brennen, auch wenn alle nachher beim Essen sind. Manch
geheimnisvoller Brauch wird schweigend vollzogen. Der Bauer
geht hinaus und 'halst' die Obstbäume mit einem Seil aus dem
Stroh, auf dem die Würste am Schlachttag gelegen haben.
Einen Kloß steckt er an die Zweige eines Baumes, der nicht
trägt, als sähe er die kommenden Früchte voraus. In den
Börntrog wird ein Geldstück gelegt: alles streng, wie man es von
den Eltern abgesehen hat. Ein Schädel wird unter die Schräglatte des Daches gesteckt. Das soll die Hexen hindern. Der Bauer
führt auch den Hund um das Haus, ohne dabei zu reden. Und
wenn er wieder hereinkommt, gibt er den Pferden noch Häcksel,
mit Faulbaum vermischt, in die Krippe. All dieses
Tun wird 'Dägn' ins Haus bringen, Gedeihen und Segen,
Gesundheit und Fruchtbarkeit. _______________
16)
Die Sage ist aus Kühsen erzählt und von Kindern
niedergeschrieben (Lehrer Hofe). Sie stammt wohl schon aus
katholischer Zeit und reizt zur Deutung (Weihnachtsmette?).
Die Fuhlnrie ist eine Spökerstää. Ein Priester ohne Kopf
soll dort sein Unwesen treiben, auf einem Ziegenbock reitend.
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Lange schon steht die Bäuerin vor der offenen
Flamme am Herd. Sie füllt den würzigen Teig in die Pfanne,
und der feine Geruch der gebackenen Förtchen zieht mit dem
Rauch durch den Dingen. Endlich sammelt sich alles feierlich
in der Groten Dönz. Vorne am Ende sitzt der Bauer im
Schänenlehnstuhl, ihm zur Seite die Bäuerin. Die Großeltern
und die Kinder reihen sich an der Langseite des Tisches an.
Auf der Bank gegenüber an der Fensterseite sitzen Knechte und
Mägde 17).
Der Bauer nimmt die Bibel und liest mit
vielem Ernst das Evangelium von der Geburt des Jesuskindes.
Nach dem Gebet beginnt das Mahl. Dicken Reis mit Zucker und
Zimt gibt es. Dann kommen fette Ochsenaugen. Jeder mag
essen, soviel er will. "Ät man tau! Hüt is Vullbuksabend.
Morgen giff't Swienskopp mit Gräunkohl und denn Klümp mit
Sirupssooß. Bet duartau sackt dat noch all werrer weg!" Ein
glückliches Schmausen, bis es nicht mehr geht.
Nachdem
man 'abgegessen' hat, braucht man auch nicht mehr auf den
Kienjeis zu warten. Bald hört man ihn, seine Rute schlägt ans
Fenster. Einer läuft ans Kiekfenster der Tür, und schon
gewahrt er den Erwarteten und öffnet er die Tür. Da kommt er
stampfend herein, der Kienjeis, schneebedeckt. Grügelig ist
er anzusehen, ein großer Bart bedeckt ihm fast das Gesicht,
ein schwerer Sack hängt ihm auf dem Rücken. Bebend sagen die
Kinder ihr kleines Gebet auf. Und weil es ihnen gelingt,
dürfen sie aus dem Sack einige Handvoll Nüsse, Plätten und
Äpfel grabbeln. Sie sind auch geschickt und artig gewesen, meint
die Mutter mit glücklichen Augen zum Kienjeis, sie steht
ihren Kindern bei. Das macht den Alten zufrieden; er
verschont sie mit seiner Rute und holt nun den Tannenbaum
herein. Die Kinder staunen mit glänzenden Augen.
Der
Kienjeis will gehen; die naseweisen Jungmädchen können es
nicht lassen, ihn zu foppen, als er davonstapft. Er versteht
wohl, was sie flüstern.
"Klingklaas, min Engel.
büst'n hübschen Bengel!"
Schon ereilt sie seine Rute, daß
sie kreischend ihm den Weg freigeben und in die Ecke
stieben. _______________
17) Am Tisch wird eine
strenge Ordnung der Sitzplätze gewohnheitsmäßig
innegehalten. In der Unverbrüchlichkeit liegt zugleich die
Feierlichkeit. Der Bauer sitzt im Schänenlehnstuhl. Brachte
die junge Bauerfrau Schänenstühle auf dem Brautwagen mit in
die Aussteuer, so war unbedingt ein SchänenLEHNstuhl für den
jungen Bauern dabei. Diesen Stuhl nahm er nun immer ein. Der
Sitz zeigte ihn als den Ersten, als den Personen- und
Sachwalter des Hofes. Niemals konnte er also den Sitz und
Stuhl, ehrenhalber etwa, einem andern abtreten. Wie der
König seinen Thron einnimmt, so der Bauer seinen Stuhl und
Platz. Man muß dies ganz ernst nehmen und sich ganz in
diese Ordnung hineindenken, um die Würde dieser Verhältnisse
zu fühlen.
Wenn man daher in einem Bauerhause es findet - so
ist es zumeist noch in Lauenburg - daß, selbst wo ein Sofa
ist, bei Besuch und Gesellschaft die Männer ins Sofa kommen,
nicht etwa die Frauen, so ist in diesem von niemand
bestrittenen Vorrecht des Mannes noch die Würde alter
Verhältnisse zu erkennen. Es ist auf würdevolles,
bäuerliches, nicht etwa auf bäurisches Verhalten zu
schließen. Der Sitz im Stuhl des Bauern muß in seinen Ursprüngen
verglichen werden mit dem Hochsitz in der germanischen
Halle.
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Jetzt steigt die Lust des Abends an. Die
Kinder freuen sich über ihre Geschenke. Der Hampelmann muß
immer wieder seine Sprünge machen, und Vater, der ihn ja
noch nicht kennt, muß immer wieder bewundern, wie er seine
Glieder verrenken kann. Das Gör zieht die Puppe immer wieder
an und aus, hütet sie aber ängstlicher als die kleine
Schwester in der Wiege und läßt niemand an ihren Schatz, den
sie fest an ihren Leib klemmt.
Da kommt eben Hans Joogen,
der Kleinknecht, herein. "O Hans Joogen, du Heß den Kienjeis
nich seihn, wo schaad! Merieken un Greiten heebt wat mit dei
Raud krägen!" ruft der kleine Hinnik. Die Jungdians, die
dies hören, lachen Hans Joogen zu, daß ihnen die Grübchen
auf die Backen kommen. Er grient zurück und droht ihnen mit
der Faust: "Ik warr juch steffen 18)![sic!] Doch vorläufig wirft er
ihnen Nüsse zu:
"Appeln unn Nöt sünd ok gaud, smiet
ik dei lütn Dians in'n Schaut."
Dann sitzt Hans Joogen
bei den Kleinen, die ihn ja nicht als den Kienjeis erraten
haben. Der Nußknacker mit seinem dicken Kopf wird versucht,
und das Spiel um die Nüsse beginnt. Eine Handvoll Nüsse wird
geschüttelt, "Hölt'n Rüder vor de Port." 'Laat'n in!' "Raa
mal tau, väl süud dor in?" oder:
"Ik rie, ik rie to Buß."
'Ik rie mit!' "Ub kein wullt sittn?" 'Dor!'
_______________
18) Das Steffen geschah in der Regel am
2. Weihnachtstag, gelegentlich auch an andern Tagen bis
Neujahr. Gestefft wurden Mädchen, die irgend etwas auf dem
Kerbholz hatten, oft auch aus Übermut, aus Spaß und bloßer Lust. Manchmal geschah es in Verkleidung. Die Mädchen wurden am
frühen Morgen überrascht. Schnell war ihnen die Decke
weggezogen, und dann wurden sie mit der Rute gestrichen. Das
nannte man nach dem Tagesheiligen Stephan das Steffen.
Man muß sich denken, daß in früherer Zeit dieser Brauch den
schönen Sinn hatte, durch Streichen mit der Rute als mit einer
Lebensrute andern die Lebenskräfte zu erhöhen. Es war
also ein Fruchtbarkeitszauber.
Heute ist der Brauch ganz
abgekommen. Aus dem Sinn war Unsinn und zuletzt Unfug
geworden. Viele Bauern duldeten den Brauch nicht - sie wären
zu heilig, sagten die andern. Man mußte sich also vorsehen, zu
wem man kam. Ursprünglich war der Brauch natürlich auch nur
innerhalb des eigenen Hauses geübt worden.
St.
Stephan soll als erster den Stern im Osten gesehen haben, als er
die Fohlen des Königs Herodes zur Tränke ritt. Ihm waren
die Pferde geweiht. Folgenden Vers soll man gekannt haben:
St. Stephan reitet die Fohlen ins Wasser noch unter dem
strahlenden Sternenzelt; denn euch ist heute der Heiland
geboren, der erlösen soll die Welt.
Man glaubte, wer
am Stephanstag zuerst vom Kirchgang nach Hause käme, würde
seine Ernte zuerst bergen. Dieser Glaube soll oft eine Art
Wettfahren an dem 2. Festtag auch in Lauenburg veranlaßt
haben. (Vgl. Lauenburqische Heimat 1929,
S. 71 ff.)
Das Steffen geschah an manchen Stellen sz. B. Wangelau) erst zur
Fastnacht. Das Brauchtum der Lebensweckung wechselt
zwischen dem Jahresanfang und dem Frühlingsanfang.
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Und mit heißem Kopf wird nun gewonnen oder
verloren - und gegessen. Reichlich sind die Nüsse im Herbst
gewachsen, im herbstlichen Schein der Sonne in den Knicks
gepflückt und als Schatz am Krüüzboom aufbewahrt gewesen.
Doch manche Nuß trügt auch, und es lernt sich auch heute
wieder das uralte Rätsel:
"Süht man mi, denn lett man mi
liggen, süht man mi nich, denn nimmt man mi ub 19)."
Die Alten sitzen unterdes behaglich am Tisch. Die Pfeifen
schmauchen, ein Bratapfel wird geschmaust. Da fällt plötzlich
ein Schuß. Ein lustiger Aufzug ist im Nahen. Bald ist die
Mummerei auf der Großen Diele. Junge Burschen in mancherlei
Verkleidung ziehen auf die verschiedenen Hofstellen und
heischen Gaben. Anch hier werden sie bewirtet, bekommen
Kuchen und Früchte. Und nach manchem Scherz und manchem
ungefügen Wort und Tun ziehen sie von dannen.
Es wird
wieder stiller, und bald ist für die Kinder der Hillige Abend zu
Ende. Sie liegen schon lange mit ihren Geschenken im Arm im
Wandbett, hinter den Klapptüren der Kuhß zur Ruh, da schallt
noch dumpf - bald lauter, bald leiser - Lachen und belustigtes
Schwatzen der Ältern in ihre Träume.
Eierbier und frisches Weißbrot sind noch einmal aufgetragen.
Hin und wieder hört man noch Lärmen und Schießen aus der Ferne;
aber man hört es nicht unwillig. "Dat heebt sei in dei oolen
Tiedn ümmer maakt. Würr einen ja wat fählen, wenn't nich so
wör." Und man erzählt von den Ruhklaasen. Großmutter weiß
noch, wie die gelärmt haben; einer ist wie eine Frau
verkleidet gewesen bei dem Ruhklaas; diese Frau hat zwei
Ziegenböcke geführt. Die Böcke haben mit tollen Sprüngen und
mit Meckern alle ergötzt. Aber zugleich sind sie doch bange
gewesen, die Mädchen; Großmutter weiß noch einen Vers:
"Kienjeis, Kienjeis, ik bä di an, dua kümmt 'ne Frug mit
Zägen an."
Unheimlich blieb der Ruhklaas immer. "Einmal
hett ein Frug", so erzählt Großmutter eine Geschichte, die
sie gehört hat, "einmal hett ein Frug des Nachts einen
Dullen hatt ub ihr Kind. Dunn hett sei ut Finster raupen:
"Ruhklaas, haal di dat Kind!" Dnnn is duar wat kamen un hett
dat Kind mitnahmen."
Wie von selbst kommt die Rede auch auf
die Ureltern. Großvater spricht von seinem Ältervater. Der
sei ein starker und beherzter Mann gewesen; aber einmal
habe der Wau ihn doch untergehabt. Und er erzählt nun:
"Mien Mudder ihr Vadder, dei hett einmal sien Swester
besöcht in Zeez. Dunn seggt dei Swester: "Braurer, wü sünd
in dei Twölven, _______________
19) Nüsse spielen
am Weihnachtsfest dieselbe Rolle wie beim Hochzeitsfest. Sie deuten auf Fruchtbarkeit und Kinderreichtum. Das besagt auch
der obige Vers von den Äpfeln und Nüssen, dessen Fortsetzung
lautet: denn warden sei grot - denn kriegen sei'n Mann.
Auch die Rute der Hasel bringt Fruchtbarkeit dem, der damit
gestrichen wird; sie hält die Hexen ab (Besen). Der Schlag mit
der Rute des Weihnachtsmanns, des Ruhklaas, des Knechts
Rubber oder beim 'Steffen' ist ursprünglich ein Schlag mit
der Lebensrute.
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dei Nacht is vör sik, süß man hierblieven."
Hei lett sik nicks seegn un ritt los. As hei en Enn räden
hett, kämmt hei na'n Hellbarg. Dor geht dat los: Jiff, jaff,
jiff, jaff! Dat is Waur mit sien Hunn west. Dat Pierd makt
Kiehrt, woternattsweet, un löppt werrer na Zeez hen un hei
ook. Hei hett nicks seegn künnt. 'Braurer, Heck di dat nicht
seggt: du süß hierblieben 20)?'"
So erzählt man gruselig
und doch behaglich zugleich. Später als sonst, doch nicht zu
spät, geht alles zur Ruhe. Morgen früh beim Auskehren, wenn
man alles hinter die Tür fegt, wird man sehen, was im
nächsten Jahr gut gedeiht, ob dort ein Hafer- oder ein
Roggenkorn, eine Erbse oder eine Bohne liegt.
Das
Jungvolk schläft an der Großen Diele in den Butzen. Lange
noch wacht Merieken, dei Lütdian. Wie dreist doch sind die
Ruhklaasen gewesen! Was würde ihr Vater gesagt haben, der ernsthafte Mensch! Der würde so etwas nicht dulden. Und das Bild
ihres stillen Elternhauses hinter dem Dorf im Busch steht vor
ihren Augen. Vom Feuer des Herdes steigen Flammen und Funken
auf, und die Schatten fallen groß über Balken und Ständer.
Noch leuchtet ein Licht dem Vieh beim Nachfutter. Im Flett haben
sie eben gegessen, nun sitzen sie in der kleinen
Dönz, die Ältermutter und die Eltern. Ihr kleiner Bruder
Jürgen wirft die Holzwürfel über den bunten Bilderbogen auf
dem Tisch. Er hat mehr Augen geworfen als sein Vater, der
ihm lachend die gewonnenen Nüsse zuschiebt. Die Mutter
zeigt der Großmutter den Fresenrock, der Merieken versprochen ist: "Sei ward sik fröden!" meint die
Ältermutter, indem sie
mit ihren magern Händen das Gewebe betastet. Am zweiten
Weihnachtstag wird Meriken sie alle wiedersehen. Und mit dem
Bild ihres Elternhauses gleitet sie träumend in den Schlaf.
Noch wacht der Bauer. Der Sturm ist aufgekommen. Mächtig
rauscht es in der großen Esche: "Dei Wau! Dei Nacht is vör sik!"
Aber an was er auch immer denken mag, er hat alles getan, um
'Undäg' zu verhüten. So wird seine Nacht denn ruhig sein.
Dann naht die Mitternachtsstunde. Es ist die Stunde, da die
Tiere sprechen können. Doch niemand hat es gehört; denn man
darf ihr Gespräch nicht belauschen, um in Neugier die
Zukunft zu erfahren. Üble Nachricht könnte es sein, man weiß
solcher Fälle genug. Und sollten in der Mitternacht die
Kuhketten klirren, so wird doch niemand im Hause aufstehen;
denn man weiß, die Kühe stehen auf, um die Geburt des Herrn
zu ehren. - - -
So liegt der Hof in der heiligen Nacht in
heiligem Bann.
*
Die Schilderung will den
christlichen Charakter des Festes zeigen, seinen
durchgängigen Ernst; sie will aber auch dartun, wie alte, sehr
alte Züge des Brauchtums im Grunde des Festes weiterleben,
zähe bewahrt, schweigend vollzogen, kaum verstanden. Und
dennoch alles in einem geheimnisvollen Bann haltend. Es
handelt sich um Dä- _______________
20) Die Sage
wurde aus Krüzen von einem Achtzigjährigen erzählt - durch
Lehrer Hoop. Sie ist bemerkenswert in dem Satz: Dei Nacht is vör
sik.
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monenabwehr und um Weckung und Stärkung neuen
Lebens, um Fruchtbarkeitszauber.
Wenn das Fest hier
in reichen Zügen erscheint, soll demgegenüber noch eine
Darstellung folgen, wie ein Alter sie gibt. Sein Erinnern
wird für sehr viele Häuser ebenfalls das richtige Bild zeichnen:
"Das Fest war sehr einfach. Es gab nicht überall einen
Tannenbaum. Die Kinder bekamen einen Hampelmann oder einen
Bilderbogen, auch wohl eine Puppe oder ein Pferd, Dinge,
die man so selber machen konnte. Die Mütze wurde hingelegt
für einige Kienjeispoppen. Am Hilligabend gab es Puffer
(Ochsenaugen). Abends trank man Kaffee oder Möschentee
(Waldmeister) mit einem Stück Kandiszucker.
Die Tage
wurden ruhig und still verlebt. Lustbarkeiten, Besuch kannte
man nicht. Die Kirche wurde besucht, zu Hause auch das
Evangelium gelesen am Heiligabend, wie denn überhaupt in den
Tagen hin und wieder gelesen wurde. Man hielt die Tage
gottesfürchtig."
Altjahrsabendbrauch.
Auch der
Altjahrsabend ist ein Vullbuuksabend. An vielen Stellen gab
es 'Groten Klümp'. Das ist ein großer Mehlkloß, der am
saftigsten sein soll, wenn er in einem Tuch gekocht wird. Er
läßt sich mit soviel Zutaten versehen, daß der verwöhnteste
"Möschenpröwcr" sein Genügen findet; er läßt sich aber
auch nach schlichter hausmannsweise bereiten und bleibt doch
ein festlich Essen. An vielen Stellen gab es wohl früher ein
Grünkohlessen. Heute werden in den meisten Häusern Knackwürste
gegessen. In unserer Landschaft ist das "Vullbuuksessen" kaum je so üppig gewesen. Der Ausdruck bedeutet nur,
daß jeder nach Herzenslust essen konnte, soviel er wollte.
Weniger besagt er, daß es sich um eine kostbare Schmauserei
handelte. Alte Leute erklären, es sei zu ihrer Zeit und
Jugend nicht so gewesen, als ob es nie 'alle' werden könne.
Es ging nur sehr einfach zu.
Für die Kinder war die
Hauptgestalt der Knecht Rupprecht, der hierzulande der
Rubber (Rabber, Rebber) genannt wurde. In den Tagen vor dem
Altjahrsabend hieß es immer: "Maak nicks keputt, dei Rubber
kümmt!" In älteren Zeiten hatte man gesagt: "Dei Askemann
kümmt!" So war auch die vermummte Gestalt beschaffen: die
Rute in der Hand, einen Sack mit Asche auf dem Nacken. Mit
Rutenschlägen wurden die Kinder bestraft oder bedroht, die ihre
kleinen Geschenke schon zerstört hatten. Der Aschensack
erinnert daran, daß das Streuen der Zwölftenasche über
Menschen und Vieh Gedeihen bringt. So drohend also Rute und
Aschensack erscheinen, es verbirgt sich hinter diesem Brauch
nur segenbringendes, lebenweckendes Tun alten Glaubens.
Die Neujahrsnacht ist die zweite bedeutsame Nacht in den
Zwölften. Daher wird auch alter Zwölftenbrauch in dieser dunklen
Nacht genauestens beachtet. Vor die Stallung wird wieder der
Besen gelegt mit der Rute nach außen, was den Hexen den
Eintritt verwehrt. Er darf nicht draußen vor der Tür stehen,
sonst könnten die Heren erst recht hereinreiten. Die Türen
werden zugehalten, damit die Un-
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holden nicht kommen. Man schießt an den Ecken
der Häuser und hat es nicht ungern, wenn auch andere
schießen; denn Lärm vertreibt die Dämonen. Mancher Brauch
ist dem gleich, der anderswo für die Heilige Nacht oder für
den Weihnachtsmorgen gilt. So wird es an manchen Stellen mit
dem Wasserholen gehalten, wie es oben für den
Weihnachtsmorgen geschildert war. Auch die Obstbäume werden
in einigen Orten am Altjahrsabend gehalst. Vor allem gilt es ja,
den Segen des kommenden Jahres herbeizuführen. Darum darf
der Bauer, wenn am Altjahrsabend 'abgegessen' ist, nicht zuerst
vom Tisch aufstehen, wie er es sonst tut. Ließe er sich dies
gewohnheitsmäßig beifallen, so würde es im
nächsten Jahr lauter Bullenkälber geben. Daher steht auch am
Altjahrsabend die Bäuerin zuerst auf, damit das nächste Jahr
mit Kuhkälbern gesegnet werde. Und kein Mann darf zuerst in
den Kuhstall kommen, es muß ein Mädchen sein. Es gibt sogar
Höfe, wo die Frauen sorgsam darauf achten, daß überhaupt kein
Mann an diesem Abend in den Kuhstall kommt.
Sehr
wichtig ist die Neujahrsnacht als Losnacht. Es ist alte
Sehnsucht der Menschen, das Dunkel der Zukunft durchdringen zu
wollen. In dieser hohen Nacht soll es möglich sein, man muß
nur den Weg wissen.
Man beobachtet die Asche auf dem
Herd. Ist nur eine kleine Vertiefung drin, so deutet sich
eine Wiege an. Hat die Asche aber zusammeufallend ein großes
Loch gebildet, so wird dessen Form betrachtet; man erkennt,
ob sich ein Sarg ankündigt.
Am sichersten erfährt man,
was kommen wird, wenn mau sich ein Erblaken überhängt -
mancherorts genügt auch ein Hemd - und rückwärts zur Tür
hinausgeht. Schaut man dann nach dem Dach hinauf, so gewahrt
man eine Wiege, einen Wagen, einen Sarg, einen Hahn oder ein
anderes, und damit ist das Geschick angesagt: Geburt,
Hochzeit, Tod, Feuer im Haus oder was sich sonst meldet.
Ein Alter in B. erzählt: "Sei heebt 'n Bettlaken orrern Dischdauk öwern Kopp nahm'n un sünd trüchors ut dei Dör gähn.
Dunn heebt sei na't Dack rubkäken. Denn künn man seihn, wat
in dat Johr kamen dä. Mal heebt wi ok den Knecht
rutschickt. Dor hett hei ropen: 'Dat Dack will mi ub't Liev
falln!' Dünn is in dat Johr dat Hus bi'n Storm ümweht."
Nicht jeder ist geschickt, in die Zukunft zu schauen, und
nicht jeder, der es kann, möchte das Kommende sehen.
Geeignet sind besonders diejenigen, die selbst in der
Neujahrsnacht geboren sind. Mancher von diesen Spökenkiekern
geht aber nicht gern im Dunklen hinaus. "Isernhagen Murrer,
wat dei ihr Großvarrer wör, dat is so ein west. Ub
den Weg na Slagsdörp hett hei einmal einen ganzen Zug von Doden
to glieker Tied seihn. Hei müch dat öwer nich."
Am
meisten liegt den jungen Dians daran, zu erfahren, was die
kommenden Monate ihnen bescheren. Die Liebesorakel werden bei
uns nicht seltener und kaum anders gewesen sein und noch
sein als überall. Bleigießen, Eiweißgießen und ähnliche
Befragungen des Schicksals geben ebensoviel Anlaß zu fröhlichem
Scherz, wie sie harmlos bleiben. Und ein
ernsthafterer Versuch, den Liebsten zu Gesicht
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zu bekommen, wird wohl kaum noch unternommen.
Eine Warnungssage aus unserer Landschaft erzählt:
"Ein
Mädchen hatte den Backofen angeheizt, wie man es muß. Dann
schaute sie nackend im Bücken zwischen den Beinen hindurch in
den Ofenmund. So war es ihr geraten worden. Und sie sah nun -
den Teufel. Das Mädchen siechte an dem grauenvollen Bescheid
gramvoll dahin."
Mancher legt sich statt aller
sonstigen Befragung lieber zur Nacht ein Gesangbuch unter den
Kopf und entnimmt am andern Morgen dem zuerst aufgeschlagenen
Vers die Deutung seines nächsten Lebensjahres. Dann ist wohl meist das Zutrauen in die eigene Kraft und
in den Weltlauf so groß, daß eine gute Deutung gefunden
wird. So wird denn dem Herrgott eine freundliche Erfüllung
der eigenen Tage abgerungen.
Andere wieder gehen ohne
viel Fragens und harmlosen Sinnes auf die Zukunft los, und
des zum Beweis springen sie munter und lustig vom Tisch
hinunter mit beiden Beinen ins Neue Jahr.
Dreikönigstag.
Nach dem Neujahrstag blieb der Zwölftenbann noch bestehen.
Spinnen durfte man noch nicht; das verging in Asche und
Feuer, wenn man's versuchte. Versammelte man sich abends um
den Herd oder in der Dönz, dann flickten die Frauen das Zeug
oder die Hemden, so wird es ausdrücklich berichtet. Anders
wie sonst war also die Arbeit. Dabei blieb auch noch alles
"verrammelt". "Wo treck sik nich buten 'n Hex rüm?" sagten
die Alten.
Kam dann der 6. Januar, der heilige
Dreikönigstag, dann gab es ein letztes Feiern. Wie dieses
geschehen, davon hat sich noch eine kleine Spur erhalten. In
einem vor 80 Jahren gegebenen Bericht wird ein Vers aus
einem Kinderspiel in Lauenburg mitgeteilt 21). Das kann nur
ein Vers aus einem Dreikönigslied sein:
"Wo kommt ihr
her? Aus dem Morgenland. Da hat der Teufel uns schwarz
gebrannt."
Am Dreikönigstag sind also auch bei uns - das
muß man schließen - Kinder oder Erwachsene vor den Häusern
im Umzuge erschienen: in weißen Hemden, mit geschwärzten
Gesichtern und Händen, durch einen Papiergoldstern auf hoher
Stange als die Weisen gekennzeichnet, die den Stern suchten und
fanden. "Sternlöper" nannte man die Umziehenden, die
sich mit ihrem Lied einführten:
"Wir Kasper, Melcher und
Baltzer genannt, wir sind die heiligen drei Könige aus
Morgenland."
Ihr freundliches Lied, ihr bunter Aufzug
wurde mit einer Gabe belohnt, die mit Glückwünschen der heiligen
Drei erwidert wurde. Manchen mochte der Abschied wehmütig
berühren; denn nun war die Julzeit vorbei; es begann die
schlichte Arbeit wieder. In den meisten Häusern hieß es wieder "haushalten" mit allem; denn noch stand der strenge Winter vor
der Tür. _______________
21) Jbch. f. Landeskunde
IV, S. 292.
1861.
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