Wer die Geschichte der Volksbräuche in unserm Lande
verfolgt, wird immer mit Bedauern auf jenen Zeitpunkt sehen,
da das niedersächsische Fürstenhaus ausstarb. Die
heraufkommende welfische Regierung hat mit so manchem
Brauche aufgeräumt, der Ausdruck eines
gemeinschaftsgebundenen Lebens war, daß man im Rückblick auf
jene Tage von einem Bruch in der freien Entfaltung der
arteigenen Triebkräfte unserer Landschaft sprechen kann. Ein
kurzer Blick auf einzelne Maßnahmen der neuen Regierung mag
dies dartun. Sie hat durch
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Photo: Hamann-Aumühle. Lauenburgische Jugend
marschiert.
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einen kurzen Federstrich die
Begastung und damit die alten Feierlichkeiten des
Maigräfentages im Glüsing beseitigt. Das bedeutete die
Zerstörung des herkömmlichen Gaufestes, das alle
Schichten des Volkes zur gemeinsamen Johannisfeier immer
wieder zusammenführte. Sie hat durch immer erneute
Einschränkungen die Formenzerstörung und Sinnentleerung
der völkischen Pfingstfeier bewirkt. Ebenso bedeutet es
eine Zerstörung des festlichen dörflichen
Gemeinschaftslebens, daß die 'heidnische'
Fastnachtsfeier mit ihrem völkischen Treiben verboten
wurde. Im Widerstand dagegen verfielen die
Dorfgemeinschaften und besonders die Bauervögte und die
jeweiligen Gastgeber harten Geldstrafen, wie es die
Strafregister erweisen. In diese Reihe gehört auch die
Abschaffung der wechselseitigen Verpflichtungen
gegenüber den benachbarten Landeshoheiten zur
herkömmlichen Überreichung jahreszeitlicher Gaben auf
den Maitag, auf Johanni und Martini, soweit das Volk
solche Staatstage mit eigenem Festbrauch begleitete. Und
ebenso muß man hier erwähnen die Umwandlung des
Hochzeitsbaumes, der bis dahin ein Geschenk der
Landesherrschaft gewesen, nunmehr aber nur noch durch
einen Kauf zu erlangen war. Die Nachrichten über diese
Wandlung sollen hier erörtert werden.
Zur Zeit
der sächsischen Herzöge bestand "von uralten Zeiten her"
der Brauch, daß "den Untertanen, wenn sie sich
verheirateten, ein Hochzeitsbaum" aus den
landesherrlichen Forsten frei ausgewiesen wurde. Zur
Abschaffung des Brauches war "niemalen etwas
vorgekommen." Diesem Herkommen entspricht es, wenn man
beim Beginn der hannoverschen Regierung in der
Geldhauptrechnung des Amts Lauenburg von 1689 findet,
daß folgende Personen einen Hochzeitsbaum erhielten:
1689 Hochzeitsbäume.
Paul Wohltorf, Börnsen. Hans Griemb, Börnsen.
Joach. Baumann, Wentorf. Hans Wohltmann, Grove.
Hans Stahmer, Kötewörde. Jürgen Hütmann, Havekost.
Frantz Scheven, Schwarzenbek. Joach. Fehlendorf,
Wohltörf. Der Schäfer in Aumühle Lülf Püest,
Bauerv., Mühlenrade, zu s. Tochter Hochzeit. Dorothea
Piper, Fitzen. Franz Engel, Pastor, Büchen. |
Wahrscheinlich erfolgte die Abgabe der Bäume ohne höhere
Anweisung durch das Amt selbst. Bald wird die neue
Regierung die Sache an sich gezogen haben; denn 1691
schon läuft ein Ansuchen bei der Niedersächsischen
Kammer in Ratzeburg, in dem Bartold Knuest und Johann
Schmaljohann aus Fitzen und auch Hannß Martens aus
Büchen um einen Stubben oder abständigen Baum zur
Feuerung auf der Hochzeit bitten, wie er "den neu
geheirateten Personen vordem gereichet sei". Die Kammer
gibt dem Amtmann in Lauenburg auf, die Bäume auf dem
'Fitzerfelde' auszuweisen, falls es sich mit dem
Herkommen, wie angegeben, verhalte, worüber noch Bericht
zu erstatten sei. Der Amtmann berichtet darauf, daß
bisher Leuten, die im Amt heirateten,
GEBRÄUCHLICHERWEISE ALLEMAL ein alter Stubben ge-
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1) Das Amt Neuhaus wies um
1700 Hochzeitsbäume gegen ein Stammgeld aus. 2) Es
handelt sich um Stämme, nicht um Hester.
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kein eigen Holz hätten". Er meldet dabei, daß noch in
diesem Herbst heiraten wollen und einen Baum begehren:
1. Schmal Johans Witbe zu Baßedau,
2. Paul
Behrman (?) zu Buchhorst, 3. Bartl Marbs Witbe zu
Schnackenbek, |
|
4. Hanß Wandtschneider zu Witzetze,
5. Jochim Koch, alda, und
6. Michael Neumans Tochter
zu Juliusburg. |
Es entspricht noch der alten
Volkssitte, daß die Hochzeiten meistens in den
Herbsttagen stattfinden. Merkwürdig ist, daß der Kammer
die Herkömmlichkeit der Abgabe des Hochzeitsbaumes
nicht bekannt ist. Man muß annehmen, daß der Brauch
nicht in der ganzen Landschaft üblich war. Und in der
Tat haben sich Rechnungen und Belege für die
Zuweisung von solchen Hochzeitsbäumen nur in den Ämtern
Lauenburg und Schwarzenbek ermitteln lassen, in der
alten Sadelbande also. Vielleicht ist der Schluß
berechtigt, daß die Sitte in ihren Ursprüngen in jene
Zeit zurückreicht, da die alte Sachsenmark noch
landschaftlich von dem Polabengau geschieden war.
1694 verfügte die Kammer, daß jeder Hochzeiter durch
ein Memorial die Kammer bitten solle, falls er einen
Baum begehre. Die Bauern beschwerten sich, der Baum sei
die Reise und die Kosten nicht wert, wenn sie jedesmal
ein Memorial beibringen sollten; dennoch möchten sie die
geringe Gnade fürder genießen. Und so fragt der Amtmann
Oktober 1694 an, ob nicht den Bittenden ohne weiteres
vom Amt ein Baum angewiesen werden könne. Der Entscheid
ist nicht bekannt; es ist nur gewiß, daß die
unentgeltliche Anweisung bestehen blieb. Welchen Umfang
die Ausweisung annahm, mag das Beispiel einer
Jahresübersicht zeigen:
Amt Lauenburg,
Hochzeitsbäume. Trinitatis 1694-95. (E = Eiche,
B =
Buche.)
B |
Frantz Grofe, Basedow. |
|
E |
Clauß Behrends, Krückau. |
B |
Paul Simon,
Lanze. |
|
E |
Clauß
Elvers, Hitbergen. |
B |
Berend Müller, Lanze. |
|
E |
Heinr. Engel, Hitbergen. |
B |
Hanß Burmeister,
Buchhorst.
|
|
E |
Clauß Röhr, Hitbergen. |
B |
Joh. Basedau, Buchhorst. |
|
E |
Hanß Bencke, Avendorf. |
B |
Joh.
Simon, Lütau. |
|
E |
Hencke Schröder, Avendorf. |
B |
Peters, Witzeeze. |
|
E |
Johann Nacke, Avendorf. |
B |
Hinr. Schnell,
Hohnstorf. |
|
B |
Hanns Brandt, Artlenburg. |
B |
Peter Witte, Hohnstorf. |
|
E |
Hanns Fehling,
Artlenburg. |
B |
Clauß
Junge, Hohnstorf. |
|
B |
Frantz Eckermann, Tesperhude. |
B |
Hannß Koop, Hohnstorf. |
|
E |
Martin Schütte, Besenhorst. |
B |
Jochim Oltmann, Hohnstorf. |
|
B |
Christophcr Bohrt,
Besenhorst. |
B |
Jacob Harms, Hohnstorf. |
|
B |
Peter Uhrbrook. Worth. |
B |
Jochim Trost, Julinsburg. |
|
B |
Jürgen
Trost, Krützen. |
B |
August Eling,
Juliusburg. |
|
B |
Hans Benke, Schnakenbek. |
Die
Namen zeigen, daß es sich bei der Bewilligung, mag sie
auch aus Gnade geschehen, nicht um ein Almosen handelt,
sonst könnten nicht Vollhufner, Bauervögte und Pastoren
in der Liste erscheinen, Leute also, die wohl einen Baum
bezahlen konnten. Und an diesem Punkt setzt die Wandlung
ein, und zwar zunächst als Beschränkung in gewissen
Fällen.
So liegt vom 26. März
1709 noch das
Bittgesuch des Pastors Joh. Hinr. Langejan aus Hamwarde
Worth vor, der seines Vorgängers nachgelassene Tochter
ehelichen und zu diesem Werk seinen Freunden in Hamwarde
eine Mahlzeit ausrichten will. Er bittet, ihm einen
Hochzeitsbaum zur Hilfe zu geben, da es im
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Herzogtum Sachsen-Lauenburg bisher der Brauch gewesen,
den Predigern und Predigerskindern auf bittliches
Ansuchen aus Gnade einen sogenannten Hochzeitsbaum zu
schenken. Aus Hannover erfolgt am 17. April
1709 der
Bescheid, "daß des Supplicanten Suchen als der
Forstordnung zuwider keine Statt gegeben werden könne".
Schließlich erfolgt 1713 ein Reskript der Kammer an
den Landdrost, das den Brauch im Verwaltungsgang
abdrosselt. Die Kammer läßt dabei dahingestellt, aus
welchen Gründen DIE ZUM RUIN DER FORSTEN GEREICHENDE
OBSERVANZ, DIE AUS URALTEN ZEITEN STAMME, beibehalten
worden sei. Da die einfache Aufhebung ein
'Stehlen der nötigen Feurung' veranlassen könnte, ordnet
die Kammer an, daß auf Antrag nach Möglichkeit und
kurzerhand Feurung angewiesen werden solle - IMMER ABER
GEGEN BEZAHLUNG. Damit verschwindet der Hochzeitsbaum
aus dem Rechnungswesen der Ämter; nüchterne forst- und
geldwirtschaftliche Erwägungen bestimmten sein Ende.
Doch daß die Feuerung zur Hochzeit nötig sei, hatte
die Kammer zugegeben. Man muß sich dabei vor Augen
führen, daß die Hochzeiten auf dem Lande ehemals mehrere
Tage umfaßten und ein allgemeines Dorffest waren, bei
dem alt und jung, Wirt und Gesinde zusammenlief, um
mitzuhalten, ein Fest, bei dem das Feuer drinnen auf dem
Herd und draußen vor dem feiernden Hause nicht
erlosch, um der Bewirtung und der Beschickung aller im
Dorf zu genügen. Mußte nun die Menge des Holzes auch
noch gegen bar gekauft werden, so entstand daraus eine
fühlbare Belastung, und die Zahl derer, die, wie geklagt
wurde, mit Schulden in die Ehe traten, mußte nur noch
steigen. Das wird beleuchtet durch die besondern
Hochzeitsordnungen, von denen die aus dem Jahre 1774
angeführt sein mag. Mit der Zustimmung der
Ritter- und Landschaft und zum Steuer der Verschwendung
verordnete Georg V. damals die Beschränkung der Hochzeit
auf zwei Tage. Nur 30 Gäste (auf einer Hufe) sollten
teilnehmen und niemand mehr schenken als den Wert von
1
Taler. Dazu wurde ein Höchstmaß an Bespeisung und
Getränken vorgeschrieben. Für unsere Erörterung ist
Absatz 13 wichtig; er lautet: "Dabei wird der
bisherige Mißbrauch, daß DEN GANZEN TAG Essen
zugerichtet, der SPEISEKESSEL ÜBER DEM FEUER HÄNGT und
JEDER ANKOMMENDE DARAUS BEWIRTET wird, gänzlich
abgestellt; nicht weniger die Gewohnheit, daß MIT DEM
ZUR HOCHZEIT GEBETENEN HAUSWIRT ODER WIRTIN, ALLE DESSEN
KINDER, KNECHTE UND MÄGDE MIT ZULAUFEN, aufgehoben, und
kein Kind, Knecht oder Magd, so nicht unter der
vergönnten Anzahl der Gäste gebeten ist, mit seinen
Eltern, Dienstherren oder Frauen, weniger Freunde, bei
ohnausbleiblicher Gefängnisstrafe solcher Zuläufer im
Hochzeitshause zugelassen." *
Wie man ersieht, wird der Hochzeitsbaum in jener Zeit von
allen Beteiligten nur unter wirtschaftlichem
Gesichtspunkt betrachtet. Durchaus denkbar bleibt es
jedoch, daß er ursprünglich unter ganz anderm Sinn
eingeführt worden ist. Sache der volkskundlichen
Forschung wird es sein, zu untersuchen, ob nicht aus
größeren Zusammenhängen heraus eine Deutung des
Ursprungs gegeben werden kann.
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