Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1939


Der Hochzeitsbaum.

Von Kreisschulrat i. R. HEINRICH SCHEELE.
 

Wer die Geschichte der Volksbräuche in unserm Lande verfolgt, wird immer mit Bedauern auf jenen Zeitpunkt sehen, da das niedersächsische Fürstenhaus ausstarb. Die heraufkommende welfische Regierung hat mit so manchem Brauche aufgeräumt, der Ausdruck eines gemeinschaftsgebundenen Lebens war, daß man im Rückblick auf jene Tage von einem Bruch in der freien Entfaltung der arteigenen Triebkräfte unserer Landschaft sprechen kann. Ein kurzer Blick auf einzelne Maßnahmen der neuen Regierung mag dies dartun. Sie hat durch

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Photo: Hamann-Aumühle.
Lauenburgische Jugend marschiert.

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einen kurzen Federstrich die Begastung und damit die alten Feierlichkeiten des Maigräfentages im Glüsing beseitigt. Das bedeutete die Zerstörung des herkömmlichen Gaufestes, das alle Schichten des Volkes zur gemeinsamen Johannisfeier immer wieder zusammenführte. Sie hat durch immer erneute Einschränkungen die Formenzerstörung und Sinnentleerung der völkischen Pfingstfeier bewirkt. Ebenso bedeutet es eine Zerstörung des festlichen dörflichen Gemeinschaftslebens, daß die 'heidnische' Fastnachtsfeier mit ihrem völkischen Treiben verboten wurde. Im Widerstand dagegen verfielen die Dorfgemeinschaften und besonders die Bauervögte und die jeweiligen Gastgeber harten Geldstrafen, wie es die Strafregister erweisen. In diese Reihe gehört auch die Abschaffung der wechselseitigen Verpflichtungen gegenüber den benachbarten Landeshoheiten zur herkömmlichen Überreichung jahreszeitlicher Gaben auf den Maitag, auf Johanni und Martini, soweit das Volk solche Staatstage mit eigenem Festbrauch begleitete. Und ebenso muß man hier erwähnen die Umwandlung des Hochzeitsbaumes, der bis dahin ein Geschenk der Landesherrschaft gewesen, nunmehr aber nur noch durch einen Kauf zu erlangen war. Die Nachrichten über diese Wandlung sollen hier erörtert werden.

Zur Zeit der sächsischen Herzöge bestand "von uralten Zeiten her" der Brauch, daß "den Untertanen, wenn sie sich verheirateten, ein Hochzeitsbaum" aus den landesherrlichen Forsten frei ausgewiesen wurde. Zur Abschaffung des Brauches war "niemalen etwas vorgekommen." Diesem Herkommen entspricht es, wenn man beim Beginn der hannoverschen Regierung in der Geldhauptrechnung des Amts Lauenburg von 1689 findet, daß folgende Personen einen Hochzeitsbaum erhielten:

 

1689 Hochzeitsbäume.

Paul Wohltorf, Börnsen.
Hans Griemb, Börnsen.
Joach. Baumann, Wentorf.
Hans Wohltmann, Grove.
Hans Stahmer, Kötewörde.
Jürgen Hütmann, Havekost.
Frantz Scheven, Schwarzenbek.
Joach. Fehlendorf, Wohltörf.
Der Schäfer in Aumühle
Lülf Püest, Bauerv., Mühlenrade, zu s. Tochter Hochzeit.
Dorothea Piper, Fitzen.
Franz Engel, Pastor, Büchen.

Wahrscheinlich erfolgte die Abgabe der Bäume ohne höhere Anweisung durch das Amt selbst. Bald wird die neue Regierung die Sache an sich gezogen haben; denn 1691 schon läuft ein Ansuchen bei der Niedersächsischen Kammer in Ratzeburg, in dem Bartold Knuest und Johann Schmaljohann aus Fitzen und auch Hannß Martens aus Büchen um einen Stubben oder abständigen Baum zur Feuerung auf der Hochzeit bitten, wie er "den neu geheirateten Personen vordem gereichet sei". Die Kammer gibt dem Amtmann in Lauenburg auf, die Bäume auf dem 'Fitzerfelde' auszuweisen, falls es sich mit dem Herkommen, wie angegeben, verhalte, worüber noch Bericht zu erstatten sei. Der Amtmann berichtet darauf, daß bisher Leuten, die im Amt heirateten, GEBRÄUCHLICHERWEISE ALLEMAL ein alter Stubben ge-

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1) Das Amt Neuhaus wies um 1700 Hochzeitsbäume gegen ein Stammgeld aus.
2) Es handelt sich um Stämme, nicht um Hester.

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geben sei, "weil sie selbst kein eigen Holz hätten". Er meldet dabei, daß noch in diesem Herbst heiraten wollen und einen Baum begehren:

 
1. Schmal Johans Witbe zu Baßedau,
2. Paul Behrman (?) zu Buchhorst,
3. Bartl Marbs Witbe zu Schnackenbek,
  4. Hanß Wandtschneider zu Witzetze,
5. Jochim Koch, alda, und
6. Michael Neumans Tochter zu Juliusburg.

Es entspricht noch der alten Volkssitte, daß die Hochzeiten meistens in den Herbsttagen stattfinden. Merkwürdig ist, daß der Kammer die Herkömmlichkeit der Abgabe des Hochzeitsbaumes nicht bekannt ist. Man muß annehmen, daß der Brauch nicht in der ganzen Landschaft üblich war. Und in der Tat haben sich Rechnungen und Belege für die Zuweisung von solchen Hochzeitsbäumen nur in den Ämtern Lauenburg und Schwarzenbek ermitteln lassen, in der alten Sadelbande also. Vielleicht ist der Schluß berechtigt, daß die Sitte in ihren Ursprüngen in jene Zeit zurückreicht, da die alte Sachsenmark noch landschaftlich von dem Polabengau geschieden war.

1694 verfügte die Kammer, daß jeder Hochzeiter durch ein Memorial die Kammer bitten solle, falls er einen Baum begehre. Die Bauern beschwerten sich, der Baum sei die Reise und die Kosten nicht wert, wenn sie jedesmal ein Memorial beibringen sollten; dennoch möchten sie die geringe Gnade fürder genießen. Und so fragt der Amtmann Oktober 1694 an, ob nicht den Bittenden ohne weiteres vom Amt ein Baum angewiesen werden könne. Der Entscheid ist nicht bekannt; es ist nur gewiß, daß die unentgeltliche Anweisung bestehen blieb. Welchen Umfang die Ausweisung annahm, mag das Beispiel einer Jahresübersicht zeigen:

Amt Lauenburg, Hochzeitsbäume. Trinitatis 1694-95.
(E = Eiche, B = Buche.)

B Frantz Grofe, Basedow.   E Clauß Behrends, Krückau.
B Paul Simon, Lanze.   E Clauß Elvers, Hitbergen.
B Berend Müller, Lanze.   E Heinr. Engel, Hitbergen.
B Hanß Burmeister, Buchhorst.   E Clauß Röhr, Hitbergen.
B Joh. Basedau, Buchhorst.   E Hanß Bencke, Avendorf.
B Joh. Simon, Lütau.   E Hencke Schröder, Avendorf.
B Peters, Witzeeze.   E Johann Nacke, Avendorf.
B Hinr. Schnell, Hohnstorf.   B Hanns Brandt, Artlenburg.
B Peter Witte, Hohnstorf.   E Hanns Fehling, Artlenburg.
B Clauß Junge, Hohnstorf.   B Frantz Eckermann, Tesperhude.
B Hannß Koop, Hohnstorf.   E Martin Schütte, Besenhorst.
B Jochim Oltmann, Hohnstorf.   B Christophcr Bohrt, Besenhorst.
B Jacob Harms, Hohnstorf.   B Peter Uhrbrook. Worth.
B Jochim Trost, Julinsburg.   B Jürgen Trost, Krützen.
B August Eling, Juliusburg.   B Hans Benke, Schnakenbek.

Die Namen zeigen, daß es sich bei der Bewilligung, mag sie auch aus Gnade geschehen, nicht um ein Almosen handelt, sonst könnten nicht Vollhufner, Bauervögte und Pastoren in der Liste erscheinen, Leute also, die wohl einen Baum bezahlen konnten. Und an diesem Punkt setzt die Wandlung ein, und zwar zunächst als Beschränkung in gewissen Fällen.

So liegt vom 26. März 1709 noch das Bittgesuch des Pastors Joh. Hinr. Langejan aus Hamwarde Worth vor, der seines Vorgängers nachgelassene Tochter ehelichen und zu diesem Werk seinen Freunden in Hamwarde eine Mahlzeit ausrichten will. Er bittet, ihm einen Hochzeitsbaum zur Hilfe zu geben, da es im

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Herzogtum Sachsen-Lauenburg bisher der Brauch gewesen, den Predigern und Predigerskindern auf bittliches Ansuchen aus Gnade einen sogenannten Hochzeitsbaum zu schenken. Aus Hannover erfolgt am 17. April 1709 der Bescheid, "daß des Supplicanten Suchen als der Forstordnung zuwider keine Statt gegeben werden könne".

Schließlich erfolgt 1713 ein Reskript der Kammer an den Landdrost, das den Brauch im Verwaltungsgang abdrosselt. Die Kammer läßt dabei dahingestellt, aus welchen Gründen DIE ZUM RUIN DER FORSTEN GEREICHENDE OBSERVANZ, DIE AUS URALTEN ZEITEN STAMME, beibehalten worden sei.

Da die einfache Aufhebung ein 'Stehlen der nötigen Feurung' veranlassen könnte, ordnet die Kammer an, daß auf Antrag nach Möglichkeit und kurzerhand Feurung angewiesen werden solle - IMMER ABER GEGEN BEZAHLUNG. Damit verschwindet der Hochzeitsbaum aus dem Rechnungswesen der Ämter; nüchterne forst- und geldwirtschaftliche Erwägungen bestimmten sein Ende.

Doch daß die Feuerung zur Hochzeit nötig sei, hatte die Kammer zugegeben. Man muß sich dabei vor Augen führen, daß die Hochzeiten auf dem Lande ehemals mehrere Tage umfaßten und ein allgemeines Dorffest waren, bei dem alt und jung, Wirt und Gesinde zusammenlief, um mitzuhalten, ein Fest, bei dem das Feuer drinnen auf dem Herd und draußen vor dem feiernden Hause nicht erlosch, um der Bewirtung und der Beschickung aller im Dorf zu genügen. Mußte nun die Menge des Holzes auch noch gegen bar gekauft werden, so entstand daraus eine fühlbare Belastung, und die Zahl derer, die, wie geklagt wurde, mit Schulden in die Ehe traten, mußte nur noch steigen. Das wird beleuchtet durch die besondern Hochzeitsordnungen, von denen die aus dem Jahre 1774 angeführt sein mag.

Mit der Zustimmung der Ritter- und Landschaft und zum Steuer der Verschwendung verordnete Georg V. damals die Beschränkung der Hochzeit auf zwei Tage. Nur 30 Gäste (auf einer Hufe) sollten teilnehmen und niemand mehr schenken als den Wert von 1 Taler. Dazu wurde ein Höchstmaß an Bespeisung und Getränken vorgeschrieben. Für unsere Erörterung ist Absatz 13 wichtig; er lautet:

"Dabei wird der bisherige Mißbrauch, daß DEN GANZEN TAG Essen zugerichtet, der SPEISEKESSEL ÜBER DEM FEUER HÄNGT und JEDER ANKOMMENDE DARAUS BEWIRTET wird, gänzlich abgestellt; nicht weniger die Gewohnheit, daß MIT DEM ZUR HOCHZEIT GEBETENEN HAUSWIRT ODER WIRTIN, ALLE DESSEN KINDER, KNECHTE UND MÄGDE MIT ZULAUFEN, aufgehoben, und kein Kind, Knecht oder Magd, so nicht unter der vergönnten Anzahl der Gäste gebeten ist, mit seinen Eltern, Dienstherren oder Frauen, weniger Freunde, bei ohnausbleiblicher Gefängnisstrafe solcher Zuläufer im Hochzeitshause zugelassen."

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Wie man ersieht, wird der Hochzeitsbaum in jener Zeit von allen Beteiligten nur unter wirtschaftlichem Gesichtspunkt betrachtet. Durchaus denkbar bleibt es jedoch, daß er ursprünglich unter ganz anderm Sinn eingeführt worden ist. Sache der volkskundlichen Forschung wird es sein, zu untersuchen, ob nicht aus größeren Zusammenhängen heraus eine Deutung des Ursprungs gegeben werden kann.


 

 

 

 

 

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