Im Reichserbhofgesetz hat unser Führer das Anerbenrecht
gesetzlich festgelegt. Für Lauenburg kehrte damit der
Zustand der Vätertage zurück, wo das alte Meierrecht den
Erbgang nach Anerbenrecht in sich schloß. An dem Grad seiner
eigenen Zustimmung zu dem im neuen Reichsgesetz
wiederkehrenden Anerbenrecht vermag der einzeln: Lauenburger
noch sich nachdenklich klar zu werden, wieweit er inzwischen
der altväterlichen, völkisch gewachsenen Erbsitte treu
geblieben oder innerlich entfremdet war. Die folgende Arbeit
will das Verhalten unserer Landschaft im ganzen aufzeigen,
wie es sich nach der Aufhebung des altgewohnten Erbrechts
gestaltete.
Das MEIERABLÖSUNGSGESETZ erfolgte 1872; es
ward aus mancherlei Gründen von den Bauern recht
bewillkommnet. Seinen
wesentlichen Inhalt zeigen folgende beiden Punkte:
1. Das Obereigentum des Meier- oder
Erbzinsherrn bzw. das Eigentum des Erbverpächters fällt ohne
Entschädigung weg. Das in dem bisherigen Verhältnis
gegründete NUTZUNGSRECHT WANDELT SICH IN EIGENTUM.
2. Als Zeitpunkt der Umwandlung im einzelnen
Fall gilt der Augenblick, in dem die aus dem Meier-,
Erbzins- oder Erbpacht-Verband entsprungenen Berechtigungen
und Verpflichtungen abgelöst sind. [Die öffentlichen Lasten
und die Grundgerechtigkeiten bleiben unablösbar.]
Mit diesem Gesetz war die alte meierrechtliche Regel, daß
Land und Sand der Grundherrschaft gehöre, aufgehoben und das
FREIBAUERNTUM wiederhergestellt. Alle seine
"religiös-moralischen, intellektuellen und politischen
Kräfte" konnten sich in Zukunft entwickeln, wenn nur die
bäuerliche Lebensgrundlage bewahrt blieb. Diese findet immer
ihre beste Sicherung in der Erhaltung der Hofeseinhcit, und
der GRUNDPFEILER dafür ist DAS ANERBENRECHT. Von diesem
Herzstück der Meierverfassung war aber nach obigem Gesetz
nicht sicher, wieweit es aufgehoben oder in Geltung sei. Die
bestehende Rechtsunsicherheit wurde nach wiederholten,
besorglichen Anträgen der Ritter- und Landschaft durch das
Gesetz über das Höferecht im Kreise Herzogtum Lauenburg vom
2. Februar 1881 beseitigt. Sein erster Abschnitt handelt von
dem bäuerlichen Recht und sagt:
§ 1. 'Die Rechtsnormen, durch welche die
Befugnis der Eigentümer von Bauernhöfen, über den Hof oder
Teile desselben unter Lebenden oder von
1939/1 - 22
1939/1 - 23 Todes wegen zu verfügen,
beschränkt ist, werden, insoweit sie von dem sonst
gültigen Recht abweichen, aufgehoben.
§ 2-4 heben die besonderen
güterrechtlichen und erbrechtlichen Bestimmungen des
Meierrechts auf und setzen dafür das sonst gültige
(allgemeine) Güterund Erbrecht.
Damit war ohne Zweifel das alte Anerbenrecht außer
Geltung gesetzt. Gleichzeitig ward im zweiten Abschnitt
von dem Höferecht gehandelt und darin ein neues
Anerbenrecht gesetzt für solche Höfe, die der neu zu
bildenden Höferolle angehören würden. Aber die
Eintragung in diese Rolle war freiwillig; NIEMAND WAR
GEWZUNGEN, DEM ANERBENRECHT ZU FOLGEN, WEDER DEM ALTEN
NOCH DEM NEUEN. Das
Anerbenbrecht.
Was ist nun das Wesen des Anerbenrechts? Es will, daß
der Hof geschlossen auf einen Erben, den Anerben,
übergehen soll. Darin
verkörpert sich ein alter germanischer Rechtsgedanke. Wo
er lebendig ist, geht das Bestreben dahin, den Hof auf
alle Fälle der Familie zu
erhalten, indem man ihn einem leistungsfähigen Erben
überträgt. Das ist oft nur dadurch möglich, daß die
"weichenden Erben" eine niedrige Abfindung erhalten. Nur
da, wo sich dieses bäuerliche Denken bei dem Erbgang
kundtut und bestätigt, kann man von der Bewahrung des
alten germanisch-deutschen Erbhofrechtes sprechen. DIE
KERNFRAGE EINES ANERBENRECHTS IST IMMER DIE NACH DER
VERSORGUNG DER WEICHENDEN ERBEN. Je weniger deren
Anrecht auf Ausbildung, Ausstattung und Aussteuer
kapitalistisch verfälscht ist, je weniger die Ansprüche
durch Geldabfindung aus der Substanz des Hofes
befriedigt werden, je mehr die Leistungen an die Erben
aus dem Ertrag des Hofes und unmittelbar sachlich
geschehen, desto reiner hat sich das alte Recht erhalten
und desto größer ist seine Widerstandskraft gegen die
Gefahr der Entwurzelung des Bauernstandes. Diese
sittliche Kraft der Anerbensitte hat sich gerade in
unserm Kreise auffällig erwiesen. Nur ungern verläßt ein
Lauenburger sein Land, und immer wieder trachtet er zur
heimatlichen Scholle zurück, wenn Leben und Beruf ihn
nach auswärts geführt haben. So erklärt sich besonders
das Heimstreben der aus dem Lauenburgischen stammenden
Beamten, das immer auffällig war.
Einmal allerdings war schon während einer kurzen
Zeitspanne das Meierrecht aufgehoben gewesen, nämlich im
Gefolge der Revolution, durch das Grundgesetz von
1849. Es lohnt sich eine kurze Betrachtung, weil
es uns ein verkehrswirtschaftlich gefälschtes
Anerbenrecht zeigt.
Art. 35 des GRUNDGESETZES für das
Herzogtum Lauenburg hatte die BESCHRÄNKUNG des freien
Eigentums an Bauernstellen durch Meierrecht,
Erbenzinsrecht u. dgl. aufgehoben. Wegen der Zweifel
über die Erbschaften der bäuerlichen Grundbesitzer hatte
die Landesversammlung die Vorlage eines Gesetzentwurfes
über die Regelung der Erbfolge und Abfindung bei den
Grundbesitzern beantragt. In den Motiven zu dem neuen
Entwurf wird der GRUNDSATZ DER UNTEILBARKEIT DER HÖFE
als der ALLGEMEINEN VOLKSANSICHT ENTSPRECHEND und als
AUS STAATSWIRTSCHAFTLICHEN GRÜNDEN GERECHTFERTIGT
anerkannt. Eine Teilbarkeit der Höfe würde den
wohlhabenden Bauernstand der Verarmung entgegenführen.
Außer diesem
1939/1 - 23
1939/1 - 24 Grundsatz der naturalen Unteilbarkeit der Güter übernahm
das Gesetz auch grundsätzlich eine gewisse BEGÜNSTIGUNG
DER STELLENINHABER im Interesse der Höfe. Das sollte
aber nicht in eine wahre Bevorzugung ausschlagen. Mit
Rücksicht auf den bisherigen Sprachgebrauch behielt man
zwar den Ausdruck 'ABFINDUNG' bei, doch sollte darunter
ein WAHRER ERBTEIL VON WESENTLICH GLEICHBERECHTIGTEN.
Die Erbteilung sollte als Zivilteilung nach
gemeinrechtlichen Grundsätzen erfolgen. MEIERGUT
(HOF) UND ALLODIUM (HOFESZUBEHÖR) SOLLTEN NICHT MEHR
UNTERSCHIEDEN WERDEN. Die Begünstigung sollte nur darin
bestehen, daß bei der Berechnung eine durch eine
leidliche Taxe (sogen. BRUDER- UND SCHWESTER-TAXE) zum
Grunde gelegt wurde. Dabei ward wiederum einer freien
Vereinbarung unter den Erben der gerichtlichen Regelung
der Vorrang gegeben. (Beispiel: Voller Verkaufswert der
Stelle: 15 000, leidliche Taxe: 12
000; 4 Geschwister erhalten je
3000; der Stelleninhaber ist um 3000
begünstigt.) Die Unteilbarkeit des Hofes und die
Begünstigung des Stellenübernehmers geben dem Erbgang
DIE FORM DES ANERBENRECHTS. Dessen Endzweck soll unter
Anpassung an die äußern Formen der Geldwirtschaft durch
die leidliche Taxe, die Werteinschätzung unter Brüdern,
gesichert werden. Dennoch stellt der Gesetzentwurf EINE
BEDENKLICHE VERFÄLSCHUNG DES WAHREN ANERBENRECHTS dar,
indem er den Hof mit seinem Zubehör, DAS BEWEGLICHE UND
DAS UNBEWEGLICHE VERMÖGEN, dem KAPITALBESITZ im Erbgang
GLEICHSTELLT. Dadurch wird der Kerngedanke des alten
deutschen Bodenrechts, das Lebensgebot der Erhaltung des
Hofes in der Hand eines leistungsfähigen Erben, in der
weiteren Entwicklung aufs äußerste gefährdet. Das Gesetz
ist wegen der Denkweise der Beteiligten von Interesse.
In Kraft ist es nicht getreten. Nachdem der König die
alte Meierverfassung 1851 mit einem
Federstrich wiederhergestellt hatte, erhielten alle
inzwischen ausgestellten Hausbriefe. Ehestiftungen usw.
- im Amt Ratzeburg waren es allein 39, im
Amt Schwarzenbek 25 - einen entsprechenden
amtlichen Nachtrag.
Das alte Meierrecht kehrte damit wieder. Die Eigenart
seines Anerbenrechts sei hier ebenfalls kurz in einigem
gekennzeichnet 1), und
zwar nur hinsichtlich der weichenden Erben. (Die aus den
Akten sich ergebenden Schwächen des lbg.
Gewohnheitsrechts, das trotz aller Bemühungen der
Beamten niemals gesetzliche Fassungen oder mindestens
Richtlinien erhielt, sollen hier nicht erörtert werden.)
DAS HERKOMMEN IN LAUENBURG STIMMT IN FOLGENDEM ÜBEREIN.
Die Erbportion wird gemeiniglich bei der Verheiratung
ausgezahlt; daher sind Erbteil, Ausstattung und
Brautschatz in dieser Hinsicht gleich. - Bei ihrer
Ausmittelung WIRD DER MEIERLICHE NIESZBRAUCH SELBST
NICHT IN ANSCHLAG GEBRACHT. gebracht. Gewöhnlich werden
die Intestaterbteile in Bausch und
Bogen bestimmt. Die Gebäude, die Verbesserungen des
Hofes, das nötige Vieh, die notwendigen Ackergeräte, die
Aussaat und das unentbehrliche Korn, kurz alles, wovon
sich ein sorgfältiger Landwirt nicht entblößen darf, ist
NACH EINEM BILLIGEN WERT anzuschlagen. Von diesem
UNGEFÄHREN ÜBERSCHLAG DES ALLODIUMS sind die darauf
haftenden, genehmigten Allodialschulden abzuziehen, und
dann wird der Erbteil berechnet. Der Anerbe bekommt für
Altenteile oder für die Unterhaltung von Miterben ein
Voraus. - Das Erbe wird teils in barem Gelde, teils in
Vieh, teils in Kleidungsstücken und Hausgerät
festgestellt. Gemeiniglich gibt der Wirt den Kindern bei
_______________
1) Die Charakterisierung geschieht nach
dem 'Meierrecht' des Landsyndikus Walter von 1780
(Auszug bei Spangenberg, Prakt. Erörterungen. Hannover
1831), in dem jedenfalls die Darstellung
des Herkömmlichen in § 111 ff. zuverlässig
ist.
1939/1 - 24
1939/1 - 25 ihrer Verheiratung auch freie Hochzeit. - Meistens wird
bei der Verheiratung eines neuen Wirts ein Erbvertrag
errichtet. - Das Herkommen hat sich dahin entschieden,
daß die ERBTEILE NUR BEI DER VERHEIRATUNG der Miterben
AUSGEZAHLT werden, vorher also nicht rechtlich
beansprucht werden können; ebenso ist es einstimmiges
Herkommen, daß die Erbteile NICHT AUF EINEM BRETT,
sondern in gewissen jährlichen Terminen ausgezahlt
werden. - MINDERJÄHRIGE MÜSSEN AUS DEM HOFE ERNÄHRT
WERDEN, und Elende oder, wie das Volk sagt, ungesunde
Kinder werden an die Stelle geschrieben.
Bezeichnend ist folgendes: Als 1860
festgestellt werden sollte, ob ein Bauer in der Nähe von
Schw. seine mündige, dauernd sieche
Schwester ernähren müsse, fand sich als Ergebnis einer
Umfrage bei den Ämtern, daß den Beamten kein solcher
Fall bekannt war und
es keine vorgängige Entscheidung bei den Ämtern gab. Die
bestehenden Fälle waren immer in 'christlicher Liebe'
behandelt worden, d. h.
der Familiensinn des Anerben ließ ihn die Zuflucht
gewähren, oft unter eigener, schwerer Not, wie ein Amt
bemerkt.
Prüft man das eben hinsichtlich der weichenden Erben
dargestellte Gewohnheitsrecht an den oben berührten
idealen Anforderungen an
ein Anerbenrecht, dang werden sein unverfälschter Sinn
und seine Vorzüge kund.
Die Anerbensitte.
Nach der Aufhebung des Meierrechts konnte es nun eine
Frage sein, wie sich die Bauernschaft zu der
altgewohnten Erbsitte verhalten
werde. WENN DAS ANERBENRECHT NICHT MEHR BESTAND, BLIEB
DANN DER BAUER BEI DER ANERBENSITTE? Diese Frage soll
hier beantwortet werden.
Als Ziel galt auch fernerhin die Erhaltung des Hofes in
der Familie. Er blieb zur VERERBUNG bestimmt und wurde
nicht verkauft, solange noch Erben vorhanden oder zu
erwarten waren. Das beweisen schon die Zahlen der
Höferolle. Bis 1909 waren von 2798 eintragungsfähigen Höfen 530, also ein
Fünftel eingetragen 2), und zwar im Bezirk
des
A.-G Lauenburg 257 von
361,
A.-G. Mölln 24 von 498,
A.-G. Schwarzenbek 65 von
735,
A.-G. Ratzeburg 2 von
604.
A.-G. Steinhorst 182 von
600, |
Das ergibt sich auch aus einer Übersicht des
A.-G.-Bez. Steinhorst, wo um 1900 von
229 Hufenstellen 184 (rund
80 %) und von 343 Katenstellen 227 (rund 66 %)
im Erbgang, nicht durch Kauf an ihren Besitzer gelangt
waren. Und das sind gute Verhältniszahlen. - Weiter
bekundet sich der Wille zu solchem Erbgang darin, daß
auch Intestaterben sich stets in einem Erbvergleich
einigten, nicht aber das Gut zum öffentlichen Verkauf
bringen ließen. In den Bezirken Schwarzenbek und
Ratzeburg war in zwei Jahrzehnten nur ein einziger der-
_______________
2) Später kamen nur selten noch
Eintragungen vor, immerhin war der Erfolg größer als bei
der Landgüterordnung in der übrigen Provinz.
1939/1 - 25
1939/1 - 26 artiger Fall vorgekommen.
Damit sich EIN NEUES GESCHLECHT des alten Stammes auf
dem Hofe bilden konnte, ward der Erbe so gestellt, daß
ihm Bestehen und Leistungsfähigkeit gesichert waren.
"Alle Maßnahmen zielen darauf hin, den Grundbesitz
ungeteilt auf einen Übernehmer zu übertragen und dessen
Existenz und Leistungsfähigkeit durch die Art der
Übertragung sicherzustellen", so urteilte das
Amtsgericht Lauenburg 1904 u. ä. die
übrigen.
Aber die ART DES ERBÜBERGANGS belehrt es, wenn wir
erfahren, daß an selbständigen Stellen übergingen:
1873-94
|
|
Zahl der
Erbfälle |
|
Ueberlassung bei
Lebzeiten |
|
Testament und
Erbvertrag |
|
ab
intestato |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
A.-G. Lauenburg |
|
146
|
|
126 |
|
20 |
|
- |
A.-G. Ratzeburg
|
|
245 |
|
162 |
|
39 |
|
44 |
A.-G. Steinhorst
|
|
411 |
|
253 |
|
49 |
|
109 |
In der Regel erfolgte also ÜBERLASSUNG BEI LEBZEITEN.
Der zugrundeliegende Vertrag pflegt folgendes zu
enthalten: Ein Altenteil wird festgesetzt, das selten in
einer Geldrente besteht. Zumeist sind freie Wohnung,
Lieferung bestimmter Naturalien, gewisse Leistungen
und Berechtigungen (Fuhren u. ä.), Ertrag von kleinen
Landstücken u. a. Berechtigungen vorgesehen. Die
Abfindlinge erhalten Geldbeträge, häufig aber
Sachleistungen. Etwaige Zahlungen werden zumeist
hinausgeschoben (sogar bis zum Tode des Altenteilers);
langfristige Kündigungen, ratenweise Auskehrung und ein
niedriger Zinsfuß dienen ebenfalls der Schonung des
Hofes und der Erben.
ERBVERTRÄGE sind im Kreise häufig; sie dienen der
Sicherung der Ehegatten. Meist sind sie dem
Stellübergabevertrag angehängt
und setzen für den unbeerbten Todesfall die alte Formel
"Längst Leib, längst Gut".
Der INTESTATERBGANG kommt öfter vor, wenn nur ein Erbe
vorhanden ist, daher die hohe Zahl dieser Fälle. Bei
Unmündigkeit
des Anerben tritt Gemeinschaftshausung oder
Setzwirtschaft ein mit hinausgeschobener
Erbauseinandersetzung, die bei der Mündigkeit des
Anerben oder später eintritt. - Sind jedoch alle Erben
mündig, so wird ein Erbvergleich geschlossen, als ob
eine Überlassung zu Lebzeiten
des Vaters statthätte. Dabei nutzen die Miterben ihr
Recht, den öffentlichen Verkauf verlangen zu können,
nicht aus; erst recht suchen sie nicht durch Druck eine
höhere Abfindung nach vollem Verkehrswert zu erlangen.
Das berichten einstimmig alle Amtsgerichte. Selbst im
Falle, wo das Vormundschaftsgericht für unmündige
Miterben eintreten muß, wird bei den meisten Gerichten
der "herkömmliche mäßige Anschlag der Landgüter" als
Maßstab genommen (Ratzeburg, Mölln), und nur das
Amtsgericht Steinhorst erstrebte in solchen Fällen im
Interesse der Mündel Abfindung nach vollem Kaufwert, was
nicht ohne Einfluß blieb. Im übrigen ist der wichtige
Einfluß der Gerichte immer der Anerbensitte sehr
förderlich gewesen und geblieben. In der vorliegenden
Tabelle 1 gewinnt man einen Einblick in
bestimmte praktische Fälle. Überall ist zwar eine höhere
Belastung
1939/1 - 26
1939/1 - 27
der Stelle beim Erbgang eingetreten, doch bleiben alle
erträglich, selbst bei Nr. II trotz der
zahlreichen Abfindlinge.
TABELLE 1. Übergabebeispiele aus
Lauenburg vor 1900.
Der gute Stand um 1900 hat z. T. noch seine Ursache
darin, daß viele
ältere Bauern Kapital angesammelt hatten. "DAS
VORHANDENSEIN VON KAPITAL NIMMT ABER MEHR UND MEHR AB;
ohne
Begünstigung des
Anerben würden die Stellen auch hier bald in Rückgang
geraten. UNTER DEN WENIGER GUT SITUIERTEN BAUERN IST DIE
ZAHL DERER, DIE SCHULDEN ABTRÄGT, VERSCHWINDEND KLEIN.
Wer sich hält, ohne zurückzukommen, betrachtet diesen Zustand als befriedigend.
Diese glücklicherweise nicht
zahlreichen Bauern nehmen pünktlich jedes Jahr neue
Hypotheken auf, bis die
Stelle verkauft werden muß. MEHR ALS DIE HÄLFTE ALLER
STELLEN IST, ABGESEHEN VON ALTENTEILEN UND EINGEBRACHTEM
DER FRAU, SCHULDENFREI," so urteilt das A.-G. Lauenburg. Es stellt
aber dabei fest,
daß das Meierrecht mit seiner wohltätigen Wirkung in den
Anschauungen der
Bevölkerung fest wurzelt.
Also gilt: DAS ANERBENRECHT WAR GEFALLEN; ABER DIE
ANERBENSITTE STAND FEST. Der Lauenburger
hatte sich der
Vätersitte treu erwiesen.
Die wirtschaftliche Auswirkung der Anerbensitte.
Verzer nicht mehr den du erwerbst.
Sonst du in grundt gar bald verderbst.
Habe acht wie groß sey deine deck,
Darnach dich lehr leg wend und streck.
(Lüne 1570.)
Mit dem Meierablösungsgesetz war dem Bauern die
Verkaufs- und Belastungsfreiheit gegeben. Wieweit bei
dieser Verschuldungsfreiheit die Bauernschaft noch dem
WAHREN SINN des Anerbenrechts nachlebte, es nicht kapitalistisch umdachte und
verbildete, kann man am klarsten ersehen, wenn man den
Schuldenzustand der landwirtschaftlichen Betriebe betrachtet.
Es gab in Lauenburg 1722 Eigentümer, die im
Gesamtdurchschnitt
einen Besitz von 56,6 ha, ein Einkommen von
1988 Mark
und eine
Verschuldung von 11,7 % aufwiesen. Ihre
Verteilung auf die Grundsteuerreinertragsklassen 3) ersieht man aus Tabelle
2.
_______________
3) Der Grundsteuerreinertrag ist in folgendem als G.R.
bezeichnet.
1939/1 - 27
1939/1 - 28
TABELLE 2. Lauenburg um 1900.
Die Übersicht macht deutlich, daß der Großbesitz mit
35,2 % Flächenanteil und einem Plus an Kapital von
1,7 % die
Bilanz günstig
beeinflußt. Die Verschuldung ruht auf dem Flächenanteil
von 51 %
in den Händen der Mittelbauern. Diese sind mit 18,7 und
19,5 % verschuldet, und nur 1-2 %
von ihnen sind unbelastet. Hochverschuldet (über 60
%) sind wiederum auch nur wenige; die
meisten,
gut 50 %, sind bis zu 30 % mit Schulden beschwert.
TABELLE 3. Verhältnis der Schulden zum
Bruttovermögen.
Eine Vergleichung mit andern Kreisen ermöglicht Tabelle
3.
Sie ordnet die ausgewählten Kreise nach dem Durchschnitt
ihrer
Verschuldung (letzte Reihe). Lauenburg nimmt einen
günstigen Platz
ein, die 15. Stelle in der Provinz. Diejenigen
Größenklassen, die für
die Schuldquote maßgebend sind, bleiben zu betrachten.
Am meisten
beschwert sind die Marschgüter (Sp. 2) mit
48,2 und 38,6
%. Ihnen
nahe kommen die Mittelgüter in Stormarn und Oldenburg
(Sp. 4
und 6) mit 35,8 und 30,3. Diesen stehen gegenüber die
Großgüter mit
einem Plus an Kapital von 20,4 bis 1,9 (Sp.
4-6). Der
Grund
ihres Vermögens liegt darin, daß sie am meisten den
Charakter als
1939/1 - 28
1939/1 - unpag.
Der Führer bei seinem Besuch in Friedrichsruh 1939.
(In seiner Begleitung Fürst Bismarck, der Gauleiter
Lohse und unser
Kreisleiter M.d.R. Gewecke.)
1939/1 - unpag.
1939/1 - 29 Familiengüter bewahrt haben. In Lauenburg setzt gerade
dieser Anteil
die Gesamtquote der Schuld auf 11,7 % herab. Innerhalb
der Kreise
mit vorherrschenden Mittelbauern sin Lauenburg nehmen
sie 51 % der
Fläche ein), steht Hadersleben mit seinem
Schuldenverhältnis voran.
Das soll seinen Grund in hohen Übernahmepreisen und
politisch bedingter Häufigkeit des Besitzwechsels haben. In Segeberg
sind die
Bauern zu 1/4, in Lauenburg zu 1/5 verschuldet. Segeberg
hat niedrige
Abfindungen. Der dort verbreitete Getreidebau auf dem
magern
Boden bringt Not, wenn in ungünstigen Zeiten die
Getreidepreise sinken. Für Lauenburg ist die besonders
niedrige Erbabfindung entscheidend. Besonders günstig steht Eiderstedt mit seinen
reichen MarschWeiden da.
TABELLE 4. Zunahme der
Verschuldung durch Hypotheken.
Bedenklicher macht Tabelle 4, die einen
Einblick in die Hypothekenbewegung gewährt, deren rasche Zunahme den Abstieg
zeigt.
Da der Grundsteuerreinertrag kein richtiger Maßstab mehr
ist, ist in
Sp. 5 der Bodenwert in Vielfachen dieses Ertrages
angegeben. Sp. 4
zeigt das Wachstum der Schulden in % des Bodenwertes,
und
Sp. 1 u. 2 offenbaren die rasche Zunahme von Jahrfünft
zu Jahrfünft.
Die Auswahl der Kreise zeigt Pinneberg, wo viele
Belastung mit
städtischen und gewerblichen Bauhypotheken eintrat, an
der Spitze.
Dieselben Verhältnisse treffen für Stormarn-Süd zu,
während in
Stormarn-Nord schon häufiger Besitzwechsel eintritt,
der Boden schon
mobilisiert erscheint. Das letztere gilt auch für
Süd.-Dithmarschen. Die Seemarsch hat mit der Elbmarsch
(Steinburg) hohe Übernahmepreise. In Oldenburg wirken sich die großen Güter und
umfangreichen
Verpachtungen aus. In Segeberg und Lauenburg, wo die
Güter über 100 ha noch 19,5
und 23,8 5 von der Fläche einnehmen, wo
andrerseits bei vorwiegendem Getreidebau die Ungunst der
sinkenden Kornpreise sich auswirkt, hat man dennoch der Verschuldung
durch niedrige
Abfindungen entgegengewirkt.
Dem erörterten Zeitraum hat es nicht an Entwicklung und
an
einer Steigerung des Reinertrags gemangelt. Das Mehr
ward meist
durch erhöhte Lebenshaltung, durch bessere Erziehung,
durch private
Lasten und vermehrte Steuern aufgezehrt. Das betrifft
aber zumeist
die Viehzucht treibenden Gebiete, weniger Lauenburg und
die Ostkreise.
Der wesentliche Grund für die Verschuldung überall
jedoch wird in
den hohen Abfindungen gesehen, wie überhaupt in der
Literatur des
1939/1 - 29
1939/1 - 30
Reichsnährstandes des öfteren die Verschuldung der
Bauern zu 1/3 auf die Belastung aus dem
Erbgang zurückgeführt wird (Geschwisterhypotheken). Und doch kann die hohe Abfindung nur eine
Zeitlang
befriedigen. Für die späteren Geschlechter bleibt eine
hohe Abfindung
wegen der steigenden Schuldenlast der Höhe ein bloßer
Wunschtraum.
LAUENBURG HAT OFFENBAR IN DER HÖHE DER ERBABFINDUNGEN
EINE GUTE MITTELLINIE EINGEHALTEN zwischen den
widerstreitenden Interessen des Hofes und der weichenden
Erben, und
man hat nicht vergessen, daß wer nur EINE Ackernahrung
hat, auch
nur EINE Ackernahrung vererben kann.
Die soziale Auswirkung der Anerbensitte.
Der Bauer hat nur EIN Kind, welches den
ERBHOF ÜBERNEHMEN kann.
Pr. Erbhofrecht.
Der Nachsatz des vorangestellten Wortes gibt dem ersten
Teil,
der oft allein angeführt wird, seinen Sinn: es gibt eben
nur EINEN ANERBEN. Wo aber bleiben die Abfindlinge! Muß nicht das
streng
durchgeführte Anerbenrecht zum Ein- und Zweikindersystem
führen?
Diese Frage führt uns in das soziale Gegenbild der
geschilderten
finanziellen Folgen ein, in das Schicksal der weichenden
Erben.
TABELLE 5.
Berufsgliederung der ABKÖMMLINGE aller untersuchter
Bauernhöfe in Schl.-Holst.
Der Sachinhalt der Tabelle 5 stammt aus
dem Jahre 1897. Er
zeigt das Schicksal des GESCHLECHTS, das DAMALS IM
BESITZE WAR, nicht des kommenden. Aus dem Anerbengebiet der
Provinz
wurden insgesamt 1868 kleinere und größere Besitzungen
untersucht
(darunter 280 aus Lauenburg). Sie zählten zusammen
7621
ABKÖMMLINGE, durchschnittlich 4,1. Das bedeutet eine hohe
Zahl, da
es sich um Erwachsene handelt und die in der Kindheit
verstorbenen
1939/1 - 30
1939/1 - 31 Erben schon ausgeschieden
sind. Von den Abkömmlingen sind 5903 ( 77,5
%) der Landwirtschaft zugewachsen; dem Gewerbe,
Handel und
Verkehr sind 1340 ( 17,6 %) zugegangen, und zwar je
kleiner der
Stammhof, desto mehr. Von diesen werden schätzungsweise
noch 60 % auf dem Lande geblieben sein, so daß also insgesamt
6617
( 86,8 %)
dem Lande treu blieben.
TABELLE 6. Das
Schicksal der ABFINDLINGE im Anerbengebiet.
Die Tabelle 6 befaßt sich mit dem Los der ABFINDLINGE
(Anerben ausgeschlossen). Nur große und mittelbäuerliche
Stellen
Lauenburgs sind betrachtet und mit der Gesamtheit aller
im Anerben-
1939/1 - 31
1939/1 - 32
gebiet
untersuchten Fälle verglichen. Zunächst ist ersichtlich,
daß Lauenburg mit der Zahl seiner (erwachsenen) Abkömmlinge gut
dasteht: 4,9
und 4,3 gegen 4,1 des Durchschnitts. Von den
Abfindlingen blieben
mehr auf der Stelle als im Durchschnitt ( 8,6
und 5,0
gegen 5,2 %),
und mehr als im Durchschnitt schieden Frauen von der
Stelle ( 61,5
und 59,7 gegen 58,2). Verglichen mit dem übrigen Gebiet,
bleibt bei
den MÄNNLICHEN ABFINDLINGEN bemerkenswert die
geringere Zahl der Selbständigen ( 79,4 und
71,2 gegen 82,9 %), in der
Landwirtschaft sind es sogar nur 47,3 und
34,0 gegen 49,6.
Dabei ist auf
die große Zahl der Einheiratungen hinzuweisen, die fast
einem Viertel
aller männlichen Abfindlinge gelang. Hingegen übersteigt
die Zahl
der Tagelöhner und Arbeiter beträchtlich den
Durchschnitt ( 16,8 und 26,5
gegen 13,1 %). Worin mag die Ursache
liegen, daß gegenüber bevorzugten Gebieten (z. B. Steinburg) unsere männlichen
Abfindlinge eine
Stufe zurückliegen, daß bei uns die Kinder von mittleren
Bauern nur das erreichen, was anderswo die Abfindlinge
von Kleinbauern erreichen? Es ist zunächst keine Frage, daß jene
bevorzugten Gebiete
das bessere Schicksal ihrer Abfindlinge mit höheren
Abfindungen, d. h.
mit einer höheren Verschuldung, bezahlen. Ich möchte
aber auch glauben, daß die Praxis des achtjährigen
Schulbesuchs mit dem hemmenden Einfluß der Sommerschule
( 18 Wochenstunden) nie den Antrieb und die Fähigkeit zum Wettbewerb in dem Grade hat
geben
können, wie es der volle neunjährige Schulbesuch der
Knaben im
übrigen Schleswig-Holstein tat.
Das Frauengeschlecht Lauenburgs hatte ein besseres
Geschick. Die WEIBLICHEN ABFINDLINGE heirateten mehr als der
Durchschnitt
( 91,8 und 89,9 gegen 87,7
%). Sic freiten selbständige
Landwirte,
Gewerbetreibende usw. in demselben Verhältnis und mehr
als in andern Gebieten ( 85,9 und
81,6 gegen 81,8 %); die Ehen mit
selbständigen Landwirten überstiegen den Durchschnitt ( 58,8
und 59,5 gegen 56,8), und Mädchen in dienender Stellung blieben
gering an
Zahl ( 0,7 gegen 1,6 %). Ihre Ausbildung mit acht
Schuljahren
setzte sie nicht zurück gegen das übrige Gebiet, wo auch
die Mädchen
nur acht Schuljahre hatten. Ein andres wird aber viel
wichtiger sein.
Die grundsätzlich geringe Abfindung wird ihnen allen
ausgeglichenere
Aussichten gegeben haben für eine Heirat nach ihrem
persönlichen Wert.
Wenn ganz allgemein niedrige Abfindungen bestehen, dann
muß es im allgemeinen auch ärmeren Töchtern möglich
werden, einen ländlichen Besitzer zu heiraten. Wenn dem Anerben nur selten
möglich
sein wird, nach Vermögen zu heiraten, so wird er um so
mehr bei der
Wahl einer Bäuerin die seelischen und körperlichen
Vorzüge schätzen.
So mag die Art und Weise der Abfindungen diese völkisch
und rassisch
gesunde und glückliche Entwicklung gefördert haben.
Die Besitzlosen.
Vergeßt nie, daß das heiligste Recht auf
dieser Welt das Recht auf Erde ist, die
man selbst bebauen will. Adolf Hitler.
Der Übergang der Bauerngüter, geschlossen auf einen
Erben, ist
nicht etwas Beliebiges. Die Zerstückelung würde
unverantwortliche
wirtschaftlichen Folgen haben; ständige Geschlossenheit
wiederum kann,
1939/1 - 32
1939/1 - 33 aber braucht nicht notwendig
Hinderung neuer Niederlassungen und
des Fortschritts sein. Die Erfahrung lehrt, daß es sich
dabei um den
Nahrungsspielraum überhaupt handelt. Wie entwickelten
sich die Verhältnisse in Lauenburg?
TABELLE 7.
Wachstum der landw. Besitzungen von 1882 bis 1895 nach
der Zahl der Betriebe (+ od. -) und nach dem
Flächeninhalt (+ od. -)
Lauenburg ist ein Land der mittleren und großen Bauern.
Ihr Anteil am Boden beträgt nicht wie in Oldenburg, Plön
und Eckernförde 31-55 %, sondern in einer
Gruppe mit Stormarn und Segeberg 71-75 %.
Es muß hier mehr als dort ursprünglich eine bestimmte Reihe von selbständigen Hufen gegeben haben,
deren Zahl sich
wenig änderte. Unendlich langsam ist die Zahl der
kleinen Stellen
gestiegen: in einer Periode vor 1600 vielleicht, dann,
amtlich gefördert,
wieder in der Verkoppelungszeit. Nachdem durch sie die
'Gemeinheit', die Wüste des Armen, aufgezehrt war,
verhärtete sich wieder der Zustand. In der dänischen Zeit ist von Besitzlosen des
öfteren ein Ankauf beantragt worden, wenn ein einzelner
Bauer mit einer Ab-Teilung von seinem Hof einverstanden war. Natürlich
handelte es
sich immer um kleinste Teile und teils um weichende
Erben. Der
lauenburgische Gouverneur aber im Bunde mit den
Gesamtdorfschaften
und den Beamten führte einen zähen Kampf für die
Geschlossenheit des Hufenstandes in den Dörfern gegen
die Liberalität der Kopenhagener. Doch wurden die kleinen Stellen weiter langsam
gemehrt durch 'Bauten auf Lebenszeit' und ähnliche
Mittel der Binnensiedlung. Wie diese Verhältnisse sich gegen
1900
entwickelten, lehrt ein
Blick auf Tabelle 7 über die Jahre 1882-95. LAUENBURG
GEHÖRTE DAMALS ZU DEN DREI KREISEN, IN DENEN ALLEIN DIE
ZAHL UND FLÄCHE DER BETRIEBE UNTER 5
HA ZUNAHM. Dahin
gehört auch Stormarn. Während dort aber die Bauern (mit
5-20 ha)
sich mindern und überhaupt die Entwicklung auf Kosten
der Bauern
geht, steigt in Lauenburg auch die Zahl der Bauern mit
dem Besitz-
1939/1 - 33
1939/1 - 34 umfang von 3 bis
20 ha, und
die Entwicklung geht auf Kosten der größern Besitze. Die
letztere Entwicklung findet sich ähnlich in Segeberg und Steinburg. In Oldenburg gehört alles Plus den
größern
Klassen. Der begrüßenswerte gesteigerte Neuanbau in
Lauenburg ist
einer der Gründe, daß die Abwanderung nicht den
natürlichen Zuwachs aufbrauchte. Der Nahrungsspielraum
war noch nicht verbraucht; das Land vermochte sich noch der Zeit
anzupassen.
TABELLE 8.
Bevölkerungsbewegung 1880-1900 in eingen Kreisen.
Tabelle 8 stellt die Wanderungsverhältnisse in einigen
Kreisen
dar. Die großen Städte, wie Altona, sind Mittelpunkte
des Zuzugs.
Kreise, wie Pinneberg, die an ihrem Aufblühen teilhaben,
schließen sich ihnen an. In allen andern Landkreisen
überwiegt die Abwanderung. Sie ist in einigen Kreisen,
wie Eiderstedt und Norderdithmarschen, so stark, daß die Bevölkerung sogar abnimmt.
Lauenburg
ist auch ein Abwanderungsgebiet, doch seine Bevölkerung
ist trotzdem
gewachsen. Ihre natürliche Zunahme überwiegt den
Abstrom. Für die angegebene Zeit vor 1900
bedeutete dies hinsichtlich des Wohlstands, daß möglichst viel von dem Geld, das aus der
Wirtschaft
stammte, auch im Lande blieb: Zinsen der Abfindungen,
Erbschaften,
Aussteuern u. ä. Werte strömten nicht ab. Eine
Untersuchung der
Jahre nach 1900 wird fragen müssen, ob die Abwanderung
zunahm,
ob die Frauen mehr und mehr die städtische Ehe
bevorzugten, ob
damit der Zusammenhang mit dem Lande sich lockerte und
immer
mehr das Verständnis für die Lage des Erbbauern
verlorenging, und
endlich, ob die Ansprüche auf höhere Abfindungen sich
auch bei uns
einstellten und gewährt wurden. Man möchte befürchten,
daß die
Lage sich immer weiter zugunsten der weichenden Erben,
schwerlich aber
zugunsten des Erbbauern verschob. Sollte das einmal das
Ergebnis
der Untersuchung sein, so würde es noch nicht gegen die
Anerbensitte
sprechen. Es würde nur besagen, daß die Anerbensitte
ihre eigentliche
Wirkung nicht behaupten konnte, weil sie bloße Sitte,
nicht ein Recht
war. Es würde sich bestätigt haben, daß eine Sitte zum
Recht und
Gesetz werden muß, wenn anders sie nicht verfallen soll.
In dem von uns betrachteten Zeitraum waren jedoch die
Verhältnisse noch gut. Sie waren ein Erfolg der
Anerbensitte. LAUEN-
1939/1 - 34
1939/1 - 35 BURG HATTE SICH IN ALLEM
WANDEL TREULICH ZU SEINER ERBSITTE GEHALTEN und war als Bauernland geblieben, was
es immer
bleiben möge, eine der vielen Blutsquellen, aus denen
unser völkisches Leben immer wieder neue Verjüngung schöpft. Die Gewähr
dafür
bietet das Reichserbhofgesetz des Dritten Reichs, in dem
der Führer
die alte Sitte zum Gesetz erhoben und fest verankert
hat. *
ANMERKUNG: Das statistische Material des vorliegenden
Aufsatzes beruht auf Sering 'Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes
im Kgr. Preußen', Bd. VII
(Berlin 1908). Das umfangreiche, schön geschriebene Werk
enthält wertvollstes Material auch über Lauenburg, das auf den Fragebogen
beruht[,] die derzeit von den
Amtsgerichten und behördlichen Stellen ausgefüllt worden
sind. Da das Werk vergriffen und auf den Büchereien selten greifbar ist, lag
es nahe, in unserer Zeitschrift einen Einblick in den
Stoff zu geben. Bei der Beabarbeitung wurden eigene Nachforschungen an der
Hand eigenen Fragenaufwurfs
notwendig, so daß ich die hier
dargebotene Form einem bloßen Referat habe vorziehen
müssen.
Sch.
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